Zusammenfassung
Die heutige soziale Altenarbeit findet ihren Ausgangspunkt in einer enormen Pluralisierung der Altenpopulation. Leben im Alter erfährt im Rahmen der reflexiven Moderne einen Entstandardisierungsschub, welcher zu einer erheblichen inneren Differenzierung geführt hat. Freisetzungsprozesse sowie verbesserte finanzielle (vgl. Tews 1993; BMFSFJ 1998) und gesundheitliche (vgl. Bäcker u. a. 1989; Enquete-Kommission 1994) Ressourcen im Alter bedingen, dass auch dieser Lebensabschnitt nicht mehr von vornherein auf fixierte und standardisierte Lebensentwürfe festgelegt ist. Sie führen zu erweiterten Handlungs- und Gestaltungsspielräumen, durch die Alter zu einer eigenständigen Lebensphase geworden ist, die sich nicht mehr nur als Restzeit unter vorgegebenen Vorzeichen und Bedingungen reaktiv und vorgezeichnet durchleben lässt. Individualisiertes und biografisiertes Leben normalisiert sich auch im Alter und stellt alte Menschen zunehmend vor die Möglichkeit und Notwendigkeit der eigenen Verantwortung zur Gestaltung ihrer Lebensentwürfe. Mit den neuen Gestaltungsanforderungen des Alters gehen neue Risiken und Gefahren einher, die sich aus den Ambivalenzen der gestiegenen Möglichkeiten der Lebensautonomie einerseits und den sich daraus neu ergebenden Zwängen, fehlenden Orientierungen und steigenden Unsicherheiten andererseits ergeben. Fragen der Sinnfindung, des Knüpfens neuer Netzwerke auf Grund der Veränderung bzw. Auflösung traditioneller Gemeinschaften, des Wohnens und der Orientierung im immer komplexer werdenden Alltag werden hier zentral. Allerdings bedeuten diese Veränderungen des Alters nicht die Auflösung der klassischen Altersrisiken, die mit dem abhängigen Alter verbunden sind und welche durch Armut, Einsamkeit sowie physischen, psychischen und geistigen Verfall bedingt sind. Diese bleiben weiterhin bestehen und erhalten durch die Zunahme von Hochaltrigkeit durch die Konzentration des Todes in immer höhere Lebensalter eine neue Brisanz. Denn empirische Forschungen machen immer wieder deutlich, dass sich geistige, seelische und körperliche Abbauprozesse im hohem Alter akzentuieren und konzentrieren und dieser Lebensabschnitt besonders problembeladen ist (vgl. z. B. Dinkel 1992; Tews 1993; Heimchen u. a. 1996). Die heutigen Lebenslagen und -formen im Alter lassen sich als Kontinuum verstehen, das an einem Ende durch die Normalität individualisierten und biografisierten Alter(n)s gekennzeichnet ist. Am gegenüberliegenden Pol sind jene alte Menschen zu finden, deren Lebensbedingungen durch Krankheit, Behinderung und/oder Armut gekennzeichnet ist und alte Menschen in ihrem Handlungsrepertoire erheblich einschränken. Hier wird die Altersphase im traditionellen Sinn „abhängiges Leben“ (vgl. Schmidt 1994). Es ist dieses breite Spektrum von Lebensformen im Alter und den damit einhergehenden heterogenen Interessen, Bedürfnissen und Problematiken, auf das die soziale Altenarbeit zu reagieren hat.
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Schweppe, C. (2002). Soziale Altenarbeit. In: Thole, W. (eds) Grundriss Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91357-9_17
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