Zusammenfassung
Richard Stöss und Oskar Niedermayer stellten 1993 fest, daß sich die Erforschung der deutschen Parteien durch „mehr oder weniger gravierende Lücken bei der empirischen Erschließung des Gegenstandes“ (Stöss/Niedermayer 1993: 13) auszeichne. Bei empirischen Studien, die diese Lücke zu füllen versuchen, standen bislang in erster Linie die Analysen zu „einfachen“ Parteimitgliedern im Mittelpunkt1. Die Fragestellungen galten vorrangig der sozialstrukturellen Zusammensetzung, den Einstellungen und Meinungen sowie der Partizipationsneigung, den Aktivitätsniveaus und der sozialen Verankerung der Mitgliederschaften. Seltener standen die Parteiführungen im Mittelpunkt empirischer Analysen. Erkenntnisse über die zentrale Führungsebene wurden eher im Rahmen allgemeiner Elitenbefragungen2 gewonnen oder basierten auf anderweitigen Erhebungsmethoden (Autobiographien, amtliche Datenhandbücher, etc.)3. Die mittleren Ebenen zwischen der Basis und der Parteiführung, nämlich die der Inhaber von Parteiämtern und Wahlmandaten zwischen der Kommunalpolitik und der Landespolitik (oder Bundespolitik), fanden indes bislang — mit wenigen Ausnahmen4 — kaum die Aufmerksamkeit der Parteienforschung. Angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen und der Diskussion um organisatorische Alternativen (Professionalisierung des Parteiapparates sowie Umgestaltung in Parteitypen wie Kaderpartei, Kartellpartei, Dienstleistungspartei, Funktionsträgerpartei u. a.) steht diese analytische „Mißachtung“ in deutlichem Widerspruch zur Rolle dieser mittleren Ebenen als Rückgrat bzw. Arbeitsebenen der Parteien. So bezeichnet Dwaine Marvick (1968: 354) die „middlemen of politics“ in ihrer funktionalen Absetzung gegenüber der Top Elite als die Hauptträger der (partei-)politischen Arbeit. Naheliegend ist damit auch, daß die mittleren Parteieliten aufgrund ihrer organisatorischen Zentralität und ihrer funktionalen Bedeutung den innerparteilichen Politikformulierungsprozeß lenken. Allerdings besteht die berechtigte Frage, ob und wie weit die mittleren Parteieliten schon aufgrund ihrer parteiinternen Stellung und Bedeutung eigenständige, von denen den Parteiführungen und den Mitgliederschaften abweichende Politikvorstellungen entwickeln.5 Hierbei ist zu prüfen, ob sich die Angehörigen der mittleren Parteiebenen durch ein abgrenzbares, spezifisches Profil kennzeichnen lassen.
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Literatur
Schmitt/Niedermayer (1988: 21) bezeichnen die Mittlere Parteiführungsschicht als „personalized link between national party leadership and local politics“.
In der Informationsfunktion sieht Lösche (1999: 16) zugleich eine Kontrollfunktion der mittleren Eliten gegenüber den Parteiführungen.
Für die Schließung oder wenigstens Verringerung der geschlechtsspezifischen Repräsentationslücke hat Niedermayer (Niedermayer 1989, 2000; Gabriel/Niedermayer 1997) bereits früher Anhaltspunkte und empirische Daten vorgelegt.
Bei der Mitgliederbefragung ergaben sich im Rücklauf keine geschlechtsspezifischen Verschiebungen in den Anteilswerten. Beim Rücklauf der MPFS-Befragung zeigt sich ein Bias, der bei den Altparteien die Frauen überrepräsentiert und bei den Neuparteien unterrepräsentiert (CDU: 23,5%; FDP: 21,4%; PDS: 55,0%; B90: 17,6%; SPD: 26,7%). Auf eine Gewichtung der Daten wurde verzichtet.
Der Frauenanteil in der Mittleren Parteiführungsschicht liegt mit 9% -24% im Bereich dessen, was bereits Ende der 70er Jahre im europäischen Parteienvergleich gemessen wurde. Siehe Niedermayer/Schmitt (1983: 298f.).
Gleichlautende Ergebnisse bei Niedermayer (1982: 88).
Vgl. die Ergebnisse zur innerparteilichen Partizipation von Boll in diesem Band.
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Hofmann, B. (2001). Zwischen Basis und Parteiführung: Mittlere Parteieliten. In: Boll, B., Holtmann, E. (eds) Parteien und Parteimitglieder in der Region. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90731-8_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-90731-8_7
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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