Zusammenfassung
Die Begriffspaare „Lehrperson-Moral“ und „Lehrperson-Belastung“ sind innerhalb der Pädagogik bekannte, gängige und immer wiederkehrende Leitmotive in der Formulierung von Aufgaben an Lehrer/innen, von Anforderungen an eine Lehrperson, an ihr ideales Handeln, in der Beschreibung und in der Analyse der Arbeit von Lehrer/innen. Beide zeichnen sich durch ihren deskriptiven Charakter, durch eine Außenperspektive aus: Während das erste Begriffsfeld „Vorstellungen über das Gute, die Handlungen faktisch leiten“ (Hastedt 1991) formuliert, die durch eine grundlegende Art von Lob und Tadel der Person als Gemeinschaftsmitglied- und nicht ihrer Fähigkeiten — konstituiert werden (Tugendhat 1993), wird im zweiten Begriffsfeld eine Topografie des Arbeitsraumes ausgebreitet, der sich durch anomische Strukturen, Unübersichtlichkeit, hohe Komplexität, geringe Standardisierung und stetiger Belastung in Alltagshandlungen charakterisieren lässt. Innerhalb dieses Raumes muss ein Überschuss an Qualifikationen in Reserve gehalten und gleichzeitig dauernd neue Kompetenzen gewonnen werden. Lehrer/innen sind Handlungsspannungen zwischen Diagnose, Schlussfolgerung und Anwendung (Abbott 1988) ausgesetzt. Ungewissheit wird innerhalb dieser Strukturen nicht aufgelöst, lediglich handelnd situativ überwunden.
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Larcher, S. (2005). „Richtig für mich“ — Das Problem der Kohärenz in der Belastung von Lehrkräften mit Moral. In: Horster, D., Oelkers, J. (eds) Pädagogik und Ethik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90729-5_11
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