Sozialstaat in Deutschland: Ein Systemwechsel?

Zusammenfassung

Die Diskussionen um Ausgaben und Leistungen der sozialen Sicherung sind nicht neu, sie begleiten den deutschen Sozialstaat seit seiner Entstehung. Seit Mitte der 1970er-Jahre verbinden sich mit den innenpolitischen Auseinandersetzungen unterschiedliche Krisenszenarien. Als besondere Faktoren sind die soziodemographischen Entwicklungen, veränderte Arbeitsmarktbedingungen, der deutsche Einigungsprozess, die Globalisierungs- und Standortdebatte, die europäische Integration und ein verändertes intellektuell-ideologisches Klima zu nennen (Bönker/Wollmann 2000: 516 f.). Verändert hat sich in der Debatte, dass VerfechterInnen einer „marktorientierten Entstaatlichung“ (Schönig/L’Hoest 1996: 8) wesentliche Elemente des Sozialstaatpostulates neu interpretieren. In der öffentlichen Auseinandersetzung wird das Sozialstaatsgebot zwar nicht grundsätzlich zur Diskussion gestellt, doch da die Leitbilder und Prinzipien des deutschen Sozialstaates nicht reflektiert werden, fehlen die Voraussetzungen zur Erarbeitung tragfähiger Kompromisse und die bisherigen Reformen lassen ein grundlegendes Konzept vermissen. Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Situation soll die Entwicklung des deutschen Sozialstaates dargestellt werden. Zentrales Anliegen ist die Frage nach einer Systemveränderung auf Grund verfügter bzw. in Aussicht stehender Reformen. Die folgenden Ausführungen werden sich auf das Sozialversicherungssystem als Kern des deutschen Sozialstaates konzentrieren.