Zusammenfassung
Zu den institutionellen Merkmalen der DDR-Sozialpolitik gehörte ein eigentümliches Muster. Zentralisierung, Einheitsstaatlichkeit und Alleinzuständigkeit des von der SED gelenkten Staates kennzeichneten sie. Das Machtpotential des politischen Entscheidungszentrums der DDR war — soweit dem keine Fundamentalinteressen der Sowjetunion entgegenstanden — kaum begrenzt, denn keine nennenswerten Sicherungen und Gegenkräfte nach Art der „checks and balances“ der westlichen Verfassungsstaaten standen dem Handeln der SED-Führung im Weg: Weder das Recht, das der Politik nachgeordnet war, noch die Wirtschaft, die ihrerseits der Politik unterstand, noch die Gewaltenteilung, die in der DDR hinter der Suprematie der SED verschwand. Auch Vetopositionen und Vetospieler waren — erneut mit Ausnahme der Sowjetunion — nicht in Sicht: weder Koalitionsregierung noch Bundesstaat, weder autonome Verbände noch Sozialpartnerschaft mit Befugnis zur eigenständigen Regelung von Lohn- und Arbeitsordnungsfragen, weder Selbstverwaltungseinrichtungen noch unabhängige Medien und auch keine supranationalen Organisationen mit direkter Rückwirkung auf die Mitgliedstaaten wie die Europäische Union. Das verbürgte im Grundsatz einen ungewöhnlich großen Handlungsspielraum der politischen Führung, die im Politbüro, im Sekretariat des ZK der SED und im SED-Apparat ihr Entscheidungszentrum hatte, und zwar in der Außen- wie auch in der Innenpolitik, einschließlich der Sozialpolitik.184
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Literatur
Vgl. nur Herbst/Stephan/Winkler 1997; Siebs 1999: 53ff.
Besonders aufschlussreich: Pirker/Lepsius/Weinert 1995 und Skyba 2002. Der neueren Literatur zufolge war die wirtschafts-und sozialpolitische Willensbildung in der Ära Ulbricht, vor allem in den 60er Jahren, offener für Auffassungsunterschiede und Meinungsstreit und offener für den Rat von Experten (Kaiser 1997a ).
Hertle/Stephan 1997: 30, in enger Anlehnung an die Auswertungen der Interviews von DDR-Wirtschaftsfunktionären in Pirker/Lepsius/Weinert 1995.
Vgl. z.B. Thude 1965. Diese Agitprop-Schrift schrieb die DDR-Sozialpolitik schön und wertete Westdeutschlands Sozialpolitik als im Qualitativen und Quantitativen weit hinter der DDR zurückbleibende Sozialpolitik im Interesse der Monopolunternehmen und des Staatsapparates, ebd.: 48; so der Tendenz nach auch — für viele andere — Ulbricht 1965.
K.H. Schmidt 1996 (zitiert nach Hockerts 1998: 24). Das Zitat entstammt einer Niederschrift über eine Beratung zwischen Partei-und Regierungsdelegation der DDR und der UdSSR am 18. September 1965.
So das übereinstimmende Urteil vieler Beobachter, vgl. z.B. Bienert 1993: 352; Brie 1996; Deich/Kohte 1997: 19; Thiel 1997: 49; Weinert/Gilles 1999: 20.
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Schmidt, M.G. (2004). Regimebedingte Besonderheiten des sozialpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses. In: Sozialpolitik der DDR. Sozialpolitik und Sozialstaat, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90678-6_4
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