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Wissenschaft und Technik als Mitverursacher und Bewältiger der ökologischen Krise?

Über den wissenschaftlich-technischen Umgang mit Natur insbesondere in den biologischen Disziplinen und Techniken

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Industrialismus und Ökoromantik

Part of the book series: DUV Sozialwissenschaft ((DUVSW))

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Zusammenfassung

Die ökologische Krise wird hier als eine Krise im Umgang mit Natur betrachtet. Der Kern des Ökologieproblems besteht demnach darin, daß wir sowohl “zuviel” in die Natur eingreifen als auch “falsch” mit ihr umgehen. Die Debatte über einen “falschen” Umgang mit Natur wird als ethische und als Technik- bzw. Risikodebatte geführt. Im Zentrum der ökologisch orientierten Technik- und Wissenschaftskritik stehen die Atomtechnik, die synthetische Chemie und die Gentechnik. Alle drei Techniken sind Techniken auf der Wissens- und Experimentalbasis der modernen, genauer der mathematisch-experimentellen Naturwissenschaften. Das Naturverhältnis und der experimentelle Naturumgang in diesen Wissenschaften sollen deshalb hier als wesentliche Gründe für die ökologische Krise näher betrachtet werden.1

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Anmerkungen

  1. Wobei durchaus auch die gesellschaftlichen Voraussetzungen dieses Naturverhältnisses reflektiert werden.

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  2. Beispiele für solche Versuche, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, gibt es genug. Man denke nur an die gentechnische Konstruktion von Bakterien, die naturfremde (xenobiotische) Chemikalien abbauen sollen (das Ganze nennt sich dann noch “Umwelttechnik”) oder an die vorgeburtliche Gendiagnostik oder gar Gentherapie bei Strahlengeschädigten.

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  3. Im Gegenteil drängt sich oft der Verdacht auf, daß zumindest Teile der Ökologiebewegung zu wissenschaftsgläubig und in ihren Lösungsansätzen eher technokratisch sind.

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  4. Vgl. Böhme/van den Daele/Krohn 1972 und Böhme 1980.

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  5. Selbstverständlich hat dieses Wahl auch etwas mit meiner eigenen wissenschaftlichen Sozialisation und Tätigkeit zu tun.

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  6. Vgl. dazu die diesbezüglich durchaus berechtigte Kritik von Habermas an Marcuse in: Habermas 1968, S.155 ff. Das Hauptproblem bei der damaligen Auseinandersetzung lag m.E. darin, daß beide - Marcuse und Habermas, hierin durchaus in der Denktraditon der gesamten “Kritischen Theorie” stehend — die Naturwissenschaften insgesamt als einheitlichen Block, als einheitliche Theorie- und Wissensform ansahen, zu dem dann wirklich nur noch eine “ganz andere” Alternative denkbar wäre. Über diese absolute und unauflösbare Dichotomie führt aber nur ein genauerer Blick auf die existierenden Naturwissenschaften hinaus, auf die dort vorfindbare Vielfalt an wissenschaftlichen Zugängen zum Gegenstand, Methoden, Theorieformen und Paradigmen. Ein solcher genauerer Blick enthüllt ein tatsächliches Methoden- und Theorienspektrum, dessen Breite derjenigen in den Sozial- und Geisteswissenschaften kaum nachsteht. Angesichts dieser real existierenden Vielfalt müssen und können die Diskussionen über einen — allerdings auf einer etwas allgemeineren Ebene ansetzenden, also noch grundlegendenderen Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften ebenso an real existierenden Theorietraditionen anknüpfen, wie dies seinerzeit z.B. beim “Positivismusstreit” in den Sozialwissenschaften der Fall war.

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  7. Mit den Charakterisierungen als “eher” sanft und “eher” hart soll explizit darauf hingewiesen werden, daß hier keine absoluten Bestimmungen möglich sind. Ich kann die existierenden naturwissenschaftlichen Disziplinen nicht in klar abgrenzbare Gruppen nach ihrer “Härte” oder “Sanftheit” einteilen. Dies ist nicht nur deshalb nicht möglich, weil ein solches dichotomes “Weltbild”, eine solche Schwarzweißmalerei, der real vorfindbaren Vielfalt und Komplexität der Disziplinen nicht gerecht wird. Selbst wenn wir uns für einen ersten Zugang auf eine solche eindimensionale idealtypische Bipolarität einlassen, sind allenfalls relative Bestimmungen möglich. Ich kann dann aber immerhin — nicht zuletzt mit Hilfe des Kriteriums Eingriffstiefe — im direkten Vergleich zweier Disziplinen (und der darauf aufbauenden Technologien) die eine Disziplin als “härter” als die andere bestimmen. Die Vielfalt der Disziplinen könnte also in einem solchen ersten noch eindimensionalen Zugang auf einem Kontinuum zwischen den idealtypischen Polen “hart” und “sanft” angeordnet weiden. Genauso “nur” idealtypisch können auch die Erkenntnisprinzipien (-kategorien) der beiden Pole benannt weiden, wobei ja keine einzige konkrete Disziplin alle Bestimmungen des jeweiligen Idealtypus gleichzeitig auf sich vereinigt bzw. vereinigen muß.

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  8. Vgl. zB. Meadows 1973, Gruhl 1978, Fromm 1976, Global 2000, 1980.

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  9. Vgl. z.B. Jungk 1976, Lovins 1978, Grupp 1980, Meichant 1980/1987, Vester 1980, Daxner/Bloch/Schmidt 1981, Meyer-Abich 1984, Dinnebier/Pechan 1985, Meyer-Abich/- Schefold 1986, Beck 1986, Meyer-Abich 1988.

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  10. Nicht nur die “Kritische Theorie” auch die fast durchweg eher normativ als beschreibend oder analytisch voigehende Wissenschaftstheorie hat dies leider kaum getan. Selbst die Vertreter der sich “analytisch” nennenden Wissenschaftstheorie beschäftigten sich mehr damit, wie die Naturwissenschaftler arbeiten sollten, als mit dem, was sie real taten. Kein Wunder also, daß die in jüngerer Zeit wohl bedeutenste Umwälzung im Verständnis der Naturwissenschaften von — zwar aus dieser Tradition stammenden, aber sich in genau diesem Punkt von ihr lösenden — Wissenschaftshistorikern ausging, vgl. z.B. Kuhn 1976 und Lakatos 1974.

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  11. Die gesellschaftliche Grundlage für die Durchsetzung und die zunehmende Dominanz dieses zumindest anfänglich keineswegs unumstrittenen “formorientiertenN bzw. formalen Wissenschaftsideals sehe ich — das sei hier zumindestens erwähnt, auch wenn ich es nicht ausführen kann — im Anschluß an Sohn-Rethel und Müller in der zunehmenden gesellschaftlichen Dominanz des Werts, d.h. im durchaus auch historisch festmachbaren Übergang vom Geld zum (zunächst nur Handels-)Kapital (vgl. dazu Sohn-Rethel 1970 und einige problematische Aspekte des sohn-rethelsehen Ansatzes überwindend: Müller 1977). Beide Prozessen folgen einer analogen Strukturentwicklung, die mit der “Verdoppelung” der Realität in Form und Inhalt (abstrakt Allgemeines und konkret Besonderes) beginnt und über die Verkehrung (Dominanz der Form/des abstrakt Allgemeinen) zur Subsumtion des (konkreten) Inhalts unter die (abstrakte) Form führt, vgl. Müller 1977, S.29 ff. Die heute fast uneingeschränkte Dominanz dieses Wissenschaftsideals und dieser Form von Wissenschaft setzte sich allerdings erst in einem Wechselspiel von “Verwissenschaftlichung der Industrie und Industrialisierung der Wissenschaft” durch (vgl. Hack/Hack 1985), das auf der “spezifischen Brauchbarkeit” dieser Form von Wissenschaft für das industrielle Kapital aufbauen konnte, vgl. dazu Ullrich 1977 S.49 ff. und das nächste Kapitel.Es gibt aber auch schon Ansätze einer nachhaltigen Erschütterung dieser Dominanz, wobei die Durchsetzung der modernen Physik (Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik/Unschärferelation) und in jüngster Zeit die Theorien über thermodynamische Prozesse fern vom Gleichgewicht (Prigogine) sowie die sogenannten Chaostheorien und Selbstorganisationstheorien eine Rolle spielten und spielen. All dies sind interessante Vorgänge im Sinne eines Brüchigwerdens der Dominanz der alten Orientierungen gerade auch im Bereich der Physik. Sie als Vorboten einer “sanften” Naturwissenschaft oder gar schon als deren Verkörperungen zu sehen, halte ich, wenn ich mir vor allem die jeweiligen Experimentaldesigns ansehe, für nicht haltbar oder zumindest für verfrüht. Was Habermas als Tendenzen im philosophischen und sozialwissenschaftlichen Diskurs der Gegenwart konstatiert, zeigt zwar, daß die hier vorgetragenen Überlegungen zumindestens teilweise durchaus im Strom der Zeit schwimmen. Dieselben Tendenzen sind aber in den Naturwissenschaften so noch nicht auszumachen: “Erstens das Eindringen historischer und ethnologischer Denkweisen in die stärker theoretisch ausgerichteten Disziplinen. Kontextualismus wird großgeschrieben; die Lebenswelt tritt nur noch im Plural auf; Sittlichkeit verdrängt Moralität, der Alltag die Theorie, der Bruch die Kontinuität, das Besondere das Allgemeine. Nun, diese Tendenz hat einerseits Mißtrauen gegen starke Systematisierungen und Obergeneralisierungen, überhaupt gegen normativ gehaltvolle Konstruktionen geweckt; andererseits fördert sie eine heilsames fallibilistisches Selbstmißtrauen und die Toleranz gegenüber Verfahrensweisen weicher Wissenschaften, die sich den positivistischen Wissenschaftsstandards nicht fügen”, Habermas 1985, S.133.

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  12. Selbst wenn es natürlich mit der Vorstellung, die Gegenstände hätten einen “natürlichen Ort”, auch eine starke übersinnliche Komponente enthält.

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  13. die sich womöglich später auch einmal in dieser Form mathematisieren lassen.

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  14. Richtiger — also ohne die durch nichts begründbare ontologische Annahme, daß diese Mathematik in der Natur immer schon drin stecke — müßte es heißen: “(…) muß über die Experimente die Mathematik in die Natur hineingearbeitet werden”. Im Kern wendet sich meine Kritik also gegen die Übertragung der hegelianischen (bzw. schon platonischen und cartesianischen) Denkfigur von “Wesen und (bloßer) Erscheinung” auf die Natur. Tatsächlich gibt es m.E. gute Gründe für eine (in ihrer Reichweite allerdings erst genau zu bestimmenden) Adäquatheit dieser Denkfigur in Hinblick auf gesellschaftliche Phänomene in “bürgerlichen” Gesellschaften bzw. entwickelten Marktwirtschaften (was ja den Wahrheitsgehalt der hegelschen und marxschen Theorien ausmacht). Die Übertragung dieser Denkfigur auf Natur bzw. natürliche Phänomene führt allerdings (auch hier) zur Herabwürdigung des Vorfindbaren und direkt Erfahrbaren zum bloßen Schein und zweitens dazu, daß “das Geheimnis” — also das,was die Wissenschaft zu entschlüsseln bzw. zu entdecken suchte — immer hinter den Dingen bzw. Phänomenen gesucht wurde und nicht vor allem zwischen ihnen. Letzteres ist m.E. als kontextualistischer und interaktionistischer der Forschungsansatz der aristotelischen Wissenschaftslinie und auch der Kern eines ökologischen Forschungsansatzes. Wobei hier “ökologisch” sowohl disziplinär als auch normativ zu verstehen ist. Zum Displinären vgl. Schramm 1984 und Trepl 1987.

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  15. Kant wies mit Recht schon bei seiner Kritik an Humes Induktionismus darauf hin, daß den Naturgesetzen dann ja gerade das fehlen würde, was es eigentlich zu erklären gälte, nämlich ihre (mathematische) Notwendigkeit. Kant hat denn die auch hier vertretene “Lösung” des Induktionsproblems wohl als erster klar formuliert, vgl. Kant 1977, B XIII ff.

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  16. Die mathematische Form der Gesetzeshypothesen hat sich dabei im Lauf der Geschichte der Naturwissenschaften kaum geändert. Waren es bei Galilei noch geometrische Propotionen, so sind es von Newton bis zur Schrödingergleichung Differentialgleichungen. Die spätestens mit der modernen Physik notwendig werdende Anerkennung der Tatsache, daß weniger “zwingende” Gesetze - etwa “nur” statistische Zusammenhänge — nicht einer noch zu geringen Kenntnis des Gegenstands, sondern der praktischen (experimentellen) “Nichtrealisierbarkeit” im Gegenstand geschuldet sind, hat sich denn auch nur gegen nachhaltigen Widerstand (z.B. auch Einsteins) durchsetzen können.

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  17. So beschwören z.B. gentechnische Experimente schon als solche Risken herauf, die bei den anderen beiden besonders problematischen Techniken bzw. Disziplinen Atomphysik /Atomtechnik und synthetische Chemie eist mit der großtechnischen Umsetzung drohten.

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  18. Im Hinblick auf “gesellschaftliche” Gegenstände der Erkenntnis ist die Forderung nach “Gegenstandsgemäßheit” (dem Gegenstand “gerecht” werden) in der hegelianischen Tradition z.B. von der Hermeneutik und von der “Kritischen Theorie” vertreten worden.

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  19. Bei denen m J3. schon mit einer innerkantianischen Diskussion zwischen den Positionen in der “Kritik der reinen Vernunft” einerseits und denen in der “Kritik der Urteilskraft” und im “Opus posthumum” andererseits begonnen werden müßte, um dann mit Hegels und vor allem Heideggers Kantkritik fortzufahren.

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  20. Da die mathematisch-experimentellen Naturwissenschaften historisch “älter” sind als die Industrialisierung bzw. die Verwissenschaftlichung der Produktion auf der Basis dieser Naturwissenschaften, ist hier natürlich keine Erklärung möglich, deizufolge jene Produktionsweise diese Wissenschaft bedingte oder gar hervorgebracht habe. Vielmehr ist nur ein gemeinsames Drittes denkbar, das “älter” als beide Phänomene ist und beide - zumindest im Sinne einer “Bedingung der Möglichkeit” — beeinflußte. Außerdem muß eine solche Erklärung der realen relativen Autonomie des Wissenschaftssystems gerecht werden und müßte zeigen können, wie entsprechende “externen” Einflüsse in “wissenschaftsinterne” Orientierungen eingebaut wurden.

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  21. Ich greife hier nur Aspekte der Punkte drei und vier wegen ihrer besonderen Anschaulichkeit heraus. Zu den anderen Punkten vgl. von Gleich 1989, S.82 ff.

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  22. Schließlich liegt zwischen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und der industriellen Produktion meist noch ein langer Weg nicht nur des aus der chemischen Produktion bekannten “scaling up”. Die Ingenieurswissenschaften spielen hier eine ganz wichtige Vermittlerrolle mit durchaus eigenständigen Beiträgen.

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  23. Illich spricht dann von “Kontraproduktivität”, vgl. Illich 1975.

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  24. Wichtig ist mir bei dem Rekurs auf Mayr, zu dem ich in anderer Hinsicht durchaus auch Differenzen habe, vor allem die Gemeinsamkeit, die in der These der Existenz dieser beiden Biologien besteht, vgl. dazu auch Pringle 1963 und Low 1980. Ich hätte auch genauso gut auf die Unterscheidung zwischen Naturlehre und Naturgeschichte einerseits und echter Naturwissenschaft in Kants “Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft” eingehen können, vgl. Kant 1786/1977, oder auf die Unterscheidung zwischen einer Feldbiologie, die, wenn sie gut ist, als “teilnehmende Beobachtung” betrieben wird (vgl. z.B. die Arbeiten Schallers, Lawick-Goodalls und (…) mit Menschenaffen in Afrika - bei denen sich so ein Vorgehen zugegebenermaßen besonders anbietet, auf die es aber nicht beschränkt sein muß, wie z.B. viele Arbeiten von Konrad Lorenz zeigen -) und einer experimentellen Laborbiologie. Doch ganz so einfach, wie das jetzt hier anklingt sind die Unterscheidungen nicht.

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  25. Man kann sogar idealtypisch von zwei verschiedenen “Wegen” oder “Formen” der Verallgemeinerung bzw. Abstraktion sprechen: Von einer aufsteigenden (eher induktiven) Abstraktion nach dem Vorbild der Begriffsbildung, bei der — wie theoriegeleitet auch immer — das Konkret-Besondere viel stärker Ausgangspunkt ist und in deren Ergebnis die “wesentlichen” Besonderheiten “aufgehoben” sind, und von einer absteigenden (hypothetisch-deduktiven) Abstraktion nach dem Grundmuster der Subsumtionslogik bzw. der herstellenden Realisation (praktische Subsumtion), bei der die mathematische Form, das Leere, Abstrakt-Allgemeine der Ausgangspunkt ist und die Aufgabe nun darin besteht, das Konkret-Besondere unter das Abstrakt-Allgemeine zu subsumieren bzw. für dieses Abstrakt-Allgemeine ein Konkret-Besonderes zu “finden” oder zu konstruieren.

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  26. Wobei zugegebenermaßen die Klassifizierung des von mir Gemeinten als “aristotelisch” weniger auf einem souveränen Überblick über das aristotelische Werk beruht, sondern mehr auf den Arbeiten von Wieland, Gadamer, Spaemann und Low, vgl. Wieland 1962 und 1982, Gadamer 1972, Spaemann 1983, Spaemann/Löw 1985, Low 1980.

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  27. In diese Unterscheidung kann auch die kuhnsche Differenzierung nach “mathematischen vs. experimentellen Traditionen in der Entwicklung der physikalischen Wissenschaften” eingordnet werden, vgl. Kuhn 1977, S.88 ff. Kuhn knüpft dabei einerseits an der antiken Gruppierung der sogenannten “klassischen Wissenschaften” an, zu denen die Astronomie, Harmonielehre, Mathematik, Optik und Statik zusammengefaßt wurden und stellt dieser mathematisch-experimentellen Tradition die sogenannte “baconische” Experimentiertradition bzw. die “baconischen Wissenschaften” gegenüber, zu denen er z.B. die Arbeiten Gilberts über den Magnetismus, die frühe Elektrizitätslehre und Wärmelehre zählt. Erst im 20. Jh. vereinigen sich diese beiden physikalischen Linien, wobei nicht ganz deutlich wird, ob dadurch nach Kuhns Meinung eine neue Qualität geschaffen wird, oder ob — wie viele Kuhninterpreten meinen - die baconischen Disziplinen nur als Disziplinen im “vorparadigmatischen Stadium” betrachtet werden müssen, die nun endlich zur wirklich wissenschaftlichen Qualität gelangten.

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  28. Vgl. dazu: von Gleich 1989, S.121 ff.

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  29. Die Sauerkrautherstellung ist für mich eine geradezu beispielhafte sanfte Biotechnik. Nicht nur weil wir es hier mit einer Spontanfermentation zu tun haben — auch gegen nicht allzu hochgezüchtete Starterkulturen wäre kaum etwas einzuwenden -, sondern weil sie eine Technologie der Lebensmittelverarbeitung darstellt, die nicht nur die Qualität diese Lebensmittels nicht verringert, sondern sogar noch steigert. Sie stellt darüber hinaus eine sanfte biologische Konsvervierungsmethode dar, eine Konservierungsmethode, die nicht vornehmlich auf Abtötung in lebensfeindlichen Milieus setzt, (wovon das Abkochen noch das harmloseste wäre), sondern die auf “Verlebendigung” setzt, auf die (mehr oder minder) gezielte dichte Besiedlung mit wünschenswerten Mikroorganismen, die ein Milieu und eine Besiedlungsdichte erzeugen, die weniger wünschenswerten Mikroorganismen kaum noch Ansatzpunkte lassen.

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  30. Problematisch wird es mit den Starterkulturen dort, wo sie ähnlich wie die auf Hochleistung gezüchteten Nutztiere und Nutzpflanzen durch allzu einseitige Orientierung auf Out-put-Maximierung derart aus ihrem organismischen Gleichgewicht gebracht wurden, daß sie nur noch mit permanenter technischer und chemischer “Stützung” überleben können. Daß dieses Stadium bei Starterkulturen der Milchverarbeitung womöglich schon erreicht ist, wird dadurch angezeigt, daß schon an der gentechnischen Integration von Phagenresistenzen in Milchsäurebakterien gearbeitet wird.

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  31. Ein anderes Beispiel ist die Nutzung von Haizen oder Gerbsäuren, mit denen sich Bäume gegen “Befall” schützen als natürliches Holzschutzmittel.

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  32. Für einen Literaturüberblick vgl. Hegnauer 1986, S.120 ff. Am weitesten fortgeschritten für eine Umsetzung in der Landwirtschaft sind die Arbeiten zur Abwehr von Insekten und anderen Heibivoren. Aber auch zur allelopathischen Unterdrückung von pflanzlichen Konkurrenten (Heibizidersatz!) gibt es schon praxisrelevante Arbeiten, vgl. z.B. Putnam 1985 und Waller 1987. Letzteres ist besonders interessant, weil bisher auch im biologischen Landbau nur mechanisch-physikaiische Techniken der Unkrautregulierung existieren.

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  33. Wenn allerdings “nur” mit natürlichen, anstatt mit synthetischen Pestiziden gearbeitet wird, wie das bei der Verwendung von Pyrethrum- oder Neemextrakt der Fall ist, dann ist das zwar umweltfreundlicher, aber noch keineswegs sanft. Beim Arbeiten mit bloß abschreckenden Stoffen (repellens) wird die Beurteilung schon schwieriger. Zu den wirklich sanften Techniken gehört evtl. nur das bisher schon praktizierte pflanzende Kombinieren ganzer intakter Organismen.

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  34. Es ist klar, daß das Schema, das allein nach dem Kriterium der Eingriffstiefe gruppiert wurde, noch sehr unbefriedigend ist, z.B wenn hier die Enzymtechnik, mit den Hoch-leistungszüchtungen und Monokulturen und wenn die pflanzlichen mit den tierischen bzw. menschlichen Zellkulturen in einen Topf geworfen werden, obwohl wir z.B wissen, daß von diesen Techniken sehr unterschiedliche Risiken ausgehen. Das Risiko, das von biologischen Techniken ausgeht, bestimmt sich schließlich nicht allein aus der jeweiligen Eingriffstiefe, sondern auch aus der Art (dem Stamm) der verwendeten Organsimen (und Gene) und deren Eigenschaften. Hieraus resultierten ja schon die “klassischen” biologischen Risiken, die von krankheitserregenden Mikroorgansimen und von giftigen (und gefährlichen) Pflanzen und Tieren ausgehen. Anderseits muß noch einmal daran erinnert werden, dß mit dem Kriterium der Eingriffstiefe nicht nur das technische Risiko zu erfassen versucht wird, sondern auch die Problematik der Macht, des technischen Erfolgs und der Irreversibilität von Eingriffen.

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  35. In diesen Grenzen hat auch die feyerabendsche Maxime des “everything goes” durchaus ihre Berechtigung, vgl. Feyerabend 1977. Ich versuche allerdings, mit der Orientierung auf Gegenstandsgemäßheit über diesen Befreiungsschlag, der nur zur Beliebigkeit führt, hinauszugehen.

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von Gleich, A. (1991). Wissenschaft und Technik als Mitverursacher und Bewältiger der ökologischen Krise?. In: Hassenpflug, D. (eds) Industrialismus und Ökoromantik. DUV Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90026-5_12

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