Zusammenfassung
Im den folgenden drei Abschnitten wird die Praxis politischer und rechtlicher Sprachbeschreibungen exemplarisch an drei ausgewählten Fällen untersucht: An der Debatte über die Rede Philipp Jenningers am 10. November 1988 vor dem Deutschen Bundestag über die deutschen Judenpogrome im Jahr 1938, an drei gerichtlichen Entscheidungen in einem Strafverfahren wegen Beleidigung (§ 185ff. StGB) von Soldaten und Volks-Verhetzung (§ 130 StGB) und schließlich an gerichtlichen Entscheidungen und rechtswissenschaftlichen Kommentierungen zum Tatbestand des Werbens für kriminelle bzw. terroristische Vereinigungen (§§ 129, 129a StGB). Die Auswahl der Fälle beruht z.T. auf dem historischen Zufall, daß in ihnen gerade aktuell und öffentlich stark beachtet Sprachbeschreibungen bedeutende Rollen in der Bewertung und Entscheidung politischer bzw. rechtlicher Sachverhalte gespielt haben. Andererseits folgt ihre Auswahl der Einsicht, daß der politische bzw. rechtliche Gebrauch von Sprachtheorien -zumindest im Rahmen der hier gegebenen Möglichkeiten- nicht anders als exemplarisch, d.h. an mehr oder weniger eng geschnittenen Fällen untersucht werden kann.
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Literatur
Den letzten Anstoß für diese interessierte Festlegung gab die Publizität zweier Strafverfahren: Erstens die strafrechtliche Behandlung mutmaßlicher Soldatenbeleidigungen und zweitens das Verfahren gegen die österreichische Schriftstellerin und Journalistin Dr. Ingrid Strobl, in dem zwischen deren Schriften und dem gegen sie gerichteten Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein Zusammenhang hergestellt wurde. Die Entscheidungen gegen die jeweils Angeklagten waren nach meiner (Laien-) Rechtsauffassung nicht nur ungerecht, sondern vor allem strafrechtlich nur mäßig bemäntelte politische Racheakte gegen radikale Staats- und Gesellschaftskritiker/innen. Die Untersuchung von Texten aus dem Verfahren gegen Strobl war nicht möglich, da das Oberlandesgericht Düsseldorf in Übereinstimmung mit der Bundesanwaltschaft meinem Antrag auf Einsicht in den Text der Entscheidung nicht entsprochen hat (Mitteilung vom 24.11.1989)
Auf die Untersuchung eines besonders aktuellen und interessanten verfassungsrechtlichen Streites mußte ich leider aus ökonomischen Gründen verzichten, nämlich auf die der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes über die Zulässigkeit des kommunalen Wahlrechts für Ausländer/innen (Bundesverfassungsgericht vom 31.10.1990a,b). Entscheidungsrelevant waren hier Sprachbeschreibungen, nämlich die der Bedeutung der Ausdrücke Volk und Staatsgewalt im Grundgesetz. Ein Beispiel: In der Entscheidung vom 31.10.1990a wird die Position der Antragsteller vergegenwärtigt, die eine bestimmte Auslegung des Grundgesetzes geltend macht: “Die Einführung des Kommunalwahlrechtes [...] widerspreche dem demokratischen Prinzip, wie es das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 1 und 2 sowie in Art. 28 Abs. 1 dem Gesetzgeber vorgebe. Die Staatsgewalt gehe vom Volke aus. Das Volk, welches das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland als Träger der verfassungsgebenden Gewalt wie als demokratisches Legitimations- und Kreationssubjekt der verfaßten Staatlichkeit meine, sei das deutsche Volk. [...]” (Bundesverfassungsgericht vom 31.10.1990a, 5f.)
Cf. Kapitel II, S. 29f.
Die angeführten Beiträge veranschaulichen die Rede und ihre Kritik an Text-Beispielen, die teilweise über die unten aufgeführten hinausgehen, sie können daher für zusätzliche Nachweise herangezogen werden. Eine Ausnahme bildet der Beitrag von Polenz, der (leider) völlig auf Quellenangaben verzichtet, um das sprachkulturell-Typische, Exemplarische der zitierten Äußerungen herauszustellen. Einen systematischen Vergleich der herangezogenen Textstücke habe ich nicht angestellt, es ergab sich jedoch an ihnen kein Aspekt, der von den fünf gewählten Darstellungskategorien (cf. unten S. 121f.) nicht erfaßt wäre
Wenn diese Entscheidungen für Leser/innen im einzelnen auch nicht nachvollziehbar sind, so erscheint aus ökonomischen und darstellungspraktischen Gründen eine ausführlichere Dokumentation der Texte nicht sinnvoll. Für ihren Nachvollzug kann ich daher nur auf die angegebenen Fundstellen hinweisen
Der Bezug auf Argumentation in den Texten und ihre Vollständigkeit bzw. Explizitheit kann aufgrund der analysierten Teiltexte natürlich nur Andeutung bleiben. Er ist nur insoweit aussagekräftig, wie die Teiltexte als Makrotexte, als pars-pro-toto-Vertreter des argumentativen Gehaltes des jeweiligen Gesamttextes aufgefaßt werden könnten. Der größte Teil der Teiltexte wurde jedoch bereits in der Presse in globalen Berichten oder Sammlungen kurzer Stellungnahmen zusammengefügt, so daß es sich bei vielen der Teiltexte um Zitate von Zitaten (von Zitaten...?) handelt: es wurden nur wenige Texte verbreitet, die als Gesamttexte erkennbar waren. Mit wenigen Ausnahmen, die sich unter den Texten zum verunglückten Rollentausch und zur Fehlleistung befinden, repräsentieren die angeführten Teiltexte tatsächlich jeweils einen Aspekt, eine Teilargumentation in der Beschreibung der Rede und ihrer Aufnahme. Die Forderung nach argumentativer Vollständigkeit und Explizitheit bezieht sich auf die rekonstruierten argumentativen Bereiche also nur unter der vorausgesetzten, aber hier nicht weiter begründeten Annahme, daß die Teiltexte die Argumentationspraxis der Zitierten und der Zitierenden im großen und ganzen wiedergeben
Cf. Kapitel I, S. 26
Kürzlich etwa wieder bei Heringer (1990a, 84ff.): Sei informativ! Sei wahrhaftig! Sei relevant! Sei klar!
Zur Problematik der Beleidigung als Äußerungsdeikikt mehr in Klschkel (1991a) und unten im 3. Abschnitt des Kapitels IV, S. 173ff.
Cf. hierzu die Erläuterungen in den Kommentaren zur StPO, z.B. im Löwe-Rosenberg (1988, 227ff.) oder im Karlsruher Kommentar (1987, 143ff.)
Art. 103, Absatz 2 GG: “Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.” § 1 StGB ist identisch mit diesem GG-Absatz
Ob die zweite Anforderung in Bezug auf Äußerungsdelikte einzuhalten ist, möchte ich hier nicht diskutieren. Nur eine Andeutung hierzu: Die Anwendung des Bestimmtheitsgebotes auf sprachliche Äußerungen beruht auf der Möglichkeit der exakten Definition der Bedeutung eines sprachbeschreibenden Ausdrucks. Es muß definitiv feststehen, ob der rechtsverbindliche Begriff der Verleumdung zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Bedeutung hatte oder nicht hatte. Doch wie ist festzustellen, welcher Gebrauch zum entscheidenden Zeitpunkt der rechtsverbindliche war, wenn man berücksichtigt, daß (1) der Gebrauch solcher Rechtsbegriffe wie der jedes Begriffes ständigem Wandel unterliegt, daß (2) stets verschiedene Gebrauchsweisen koexistieren und daß schließlich (3) die Rechtsverbindlichkeit bestimmter Gebrauchsweisen in gerichtlichen Verfahren ja gerade Gegenstand des Streites ist? Oder anders und etwas polemisch gefragt: Wie kann eine Rechtsgemeinschaft vor der retrospektiven Deutungswillkür eines Gerichtes geschützt werden? Eine mögliche Antwort könnte auf die Verfahren verweisen, die das Recht zur Behandlung solcher Zweifelsfälle entwickelt hat, nämlich die Prozeduren der permanenten Rechtsfortbildung: Recht ist, was als Recht festgelegt wird, und zwar bis auf weiteres. Die rechtliche Entscheidung, auch die retrospektiv auslegende, wird damit dem historisch nicht festlegbaren Prozeß des Bedeutungswandels von Rechtsbegriffen unterworfen und damit offen gehalten
Die Anfertigung von Sprachbeschreibungen unter Verwendung von Sprachtheorien führt dann zur (Re-) Produktion einer Sprachwissenschaft, wenn ein Teilbereich der Gesellschaft bzw. des Wissenschaftssystems dadurch bestimmt werden kann, daß er einen speziellen, nämlich wissenschaftlichen Gebrauch sprachbeschreibender Ausdrücke beschreibt, begründet und lehrt. Cf. hierzu die Erläuterungen in den Kapiteln I, S. 17ff., und II, S. 73
Die Äußerungen sind in den Sachverhaltsdarstellungen der ergangenen Urteile als wörtliche Zitate angeführt
Dieses Urteil ist m.W. nicht publiziert. Eine ausführliche Sachverhaltsbeschreibung in NJW 1988, 2683 abgedruckt (Landgericht Frankfurt vom 8.12.1987)
Cf. hierzu die Anmerkungen von DAU (1988)
Der § 193 StGB legt fest, daß eine beleidigende Äußerung, die unter bestimmten Umständen, u.a. “in Wahrnehmung berechtigter Interessen”, fällt, straffrei bleibt, wenn nicht “das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.” Als tatbestandliche Voraussetzungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen müssen nach OTTO (1984a, 112f.) gegeben sein: (1) das Interesse muß rechtlich schutzwürdig und ethisch billigenswert sein, (2) es muß den Äußernden nahe angehen, (3) die Äußerung muß ßr die Wahrnemung der Interessen erforderlich sein, (4) unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht zu rechtfertigen und (5) die Äußerung muß (subjektiv) dem Zweck der Wahrnehmung der Interessen dienen. OTTO geht davon aus, “daß die Beteiligung an einer öffentlichen politischen Auseinandersetzung [...] stets Wahrnehmung eines eigenen Interesses [ist], denn das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist für eine freiheitlich demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend.” (112)
Cf. hierzu die Anmerkungen von DAU (1989)
Mit dem Ausdruck Behälter beziehe ich mich auf die Analysen von Lakoff und anderen über die Verwendung der Container-Metaphorik (cf. Lakoff/Johnson 1980, LAKOFF 1987, cf. auch die Anmerkungen zur Metaphernanalyse in Kapitel II.4, S. 59ff.). Wimmer/Christensen (1989,39) weisen allerdings auf die explizite Verwendung des Ausdrucks Behältnis in der Rechtsphilosophie von RADBRUCH hin, in der ein Normtext (rechtspositivistisch) als Behältnis einer Norm aufgefaßt wird
Eine Spekulation hierzu: Vermutlich hängt mit der Behälter/Inhalts-Theorie auch der in unserem textanalytischen Alltag gepflegte Glaube an die Möglichkeit zusammen, den tatsächlichen Inhalt eines Textes oder einer Äußerung so genau und so gewiß feststellen zu können, wie es etwa bei jedem beliebigen physischen Behälter im Alltag der Fall ist
Brekles kritischer Kommentar der Urteile und der massenmedialen Diskussion der Urteile bezieht sich hauptsächlich auf die mangelnde Beachtung der Bedeutung des Ausdrucks potentiell (Brekle 1990)
Cf. hierzu genauso Gössel (1987, 364), der in seinem Strafrechtskommentar mit Bezug auf die Rechtsprechungstradition des Reichsgerichtes die Analyse des “echten Tatsachenkerns” beschreibt (cf. auch Klschkel 1991a)
Das LG Frankfurt folgt in seinem daraufhin ergangenen Urteil dieser Verfahrensauflage und stellt seine erneute Beschreibung unter den Leitsatz: “Die Auslegung von Form und Inhalt der beanstandeten Äußerungen auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme führt zu der Feststellung, daß es sich um Werturteile mit einem Tatsachenkern, nicht dagegen um Tatsachenbehauptungen handelt.” (1990, 73)
Bei dieser Theorie handelt es sich um eine etablierte und schon länger bekannte Methode im Repertoire des Äußerungs-Strafrechts. Cf. hierzu die Anmerkungen im Kapitel IV.3, S. 180ff., bei MAAS (1979), Brüggemann (1979) und Kniffka (1981, 601)
Dieselbe komplexe Auslegungsaufgabe stellt sich auch in anderen Rechtsbereichen, etwa dem Zivil-, Verwaltungs- oder Arbeitsrecht, sofern dort rechtsrelevante Handlungen zu bewerten sind, die Äußerungen im genannten Sinn sind
Cf. zur Geschichte der Strafbarkeit “verbaler Gewalt” vor allem im Zusammenhang des 14. Strafrechtsänderungsgesetzes (mehr dazu unten im Abschnitt IV.3.1, S. 175ff.) MÜLLER-Dietz (1977,171ff.)
Den Begriff des Äußerungsdeliktes hat m.w. eduard kern (1919) in einer systematischen Darstellung ihrer Tatbestände und ihrer Auslegung eingeführt. Gebräuchlich war bis dahin auch der Begriff des Wortdeliktes gewesen. KERN faßte damit alle Delikte zusammen, “die durch Gedankenäußerung begangen werden” (1). Unter einer Äußerung verstand er “eine Kundgebung mit gedanklichem Inhalt” (9). Zu den Äußerungsdelikten zählte er Beschimpfungsdelikte, Aufforderungsdelikte, Bedrohungsdelikte, Täuschungsdelikte und Mitteilungsdelikte (llf.)
Cf. die Darstellung und Kritik der canones bei Flkentscher (1977, 356ff.), Bydlinski (1982,436ff.) oder Larenz (1983, 298–350). Für die §§ 129,129a StGB werden sie z.B. von Rudolphi (1979a, 34ff.), Giehring (1983,300ff.) und Rebmann (1981,458ff.) angewendet
Exemplarisch hierzu ein Kommentar von OTTO (1984a, 106) zum § 185 StGB: “Ob die Äußerung einen beleidigenden Inhalt hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist der objektive Sinngehalt unter Berücksichtigung des Empfängerverständnisses.”
Als Ausnahmen sind Arbeiten von Brüggemann (1979), Maas (1979) und Kniffka (1981) zu erwähnen, die u.a. den strafrechtlichen Gebrauch der Theorie des Durchschnittslesers diskutieren
Zur Geschichte und Anwendung des § 129a StGB: Bundesgerichtshof vom 3.5.1978, Ostendorf (1980), Rebmann (1981), Glehring (1983), Cobler (1984) und GRÄßLE-MÜNSCHER (1989)
Die Fragen, mit wievielen Mitgliedern ein Kollektiv überhaupt eine “Vereinigung” im Sinne der §§ 129,129a StGB ist, und welche Handlungen solcher Kollektive ihre Bewertung als “kriminelle” oder “terroristische” Vereinigung rechtfertigt, werden u.a. in zwei Urteilen des BGH behandelt: Bundesgerichtshof vom 12.2.1975 und Bundesgerichtshof vom 11.10.1978
Zur Beachtung des Bestimmtheits-Gebotes und der Begründungspflicht cf. Kapitel IV.2, S. 156f.
Diese und weitere Äußerungen führt Rebmann (1981, 460ff.) an
Weitere Zahlen zum Ermittlungs- und zum Umfang an gerichtlichen Verfahren nennen Giehring (1983, 297) und GÖSSNER (1989)
Auf Auslegungsprobleme mit Sachverhaltsbeschreibungen der Tathandlung durch Beklagte, Zeug/inn/en oder Expert/inn/en gehen die Texte nicht ein
Gräßle-Münscher berichtet von einem Verfahren in Hamburg, in dem einem Beschuldigten der Abdruck von Texten vorgeworfen wird, in denen u.a. “die Forderung nach Zusammenlegung der [RAF-] Gefangenen erhoben” und “von den ‘Stammheim-Morden* die Rede gewesen” sei (1989, 8). “Eben diese Forderungen” -so wird die Position der Anklagebehörde wiedergegeben- “würden von der ‘RAF auch erhoben. Folglich unterstützten diese Beiträge die politischen Ziele der ‘RAF.” (1989, 8) Er weist auf die Absurdität der Anklage hin, indem er zahlreiche Forderungen der RAF zitiert, deren Verbreitung demnach ebenfalls unter Strafe gestellt wäre, z.B.: “der Klassenkampf stehe auf der Tagesordnung”, “das Kapital beute nach wie vor die 3. Welt aus”, “der Widerstand organisiere sich aus legalen Kämpfen” (1981, 8f.).
Cf. zur gerichtlichen Praxis: Kniefka (1981, 601). Glehring (1983, 300) merkt an, daß “angesichts des Kosten- und Zeitaufwandes die Inanspruchnahme empirischer Bedeutungsforschung jedenfalls in der Regel ausscheidet”
Latent-bildliche Verwendungsweisen von Ausdrücken des Sehens im Sinne von verstehen, erkennen, eine Meinung (“Ansicht”) vertreten, etwas einsehen etc. sind üblich, die Kommentierung des “ersten Blickes” in dieser Richtung liegt nahe
Cf. eine juristische Reflexion der Verwendung des Ausdrucks Wortlaut des Gesetzes bei Zimmermann (1956). Er argumentiert gegen “das immer noch nicht überwundene Wunschbild des Positivismus [...], Gedanken exakt in Worten darzustellen und sie ihnen wieder zu entnehmen.” (1262) Er hält aber gleichwohl den Wortlaut für ein Mittel, “einen bestimmten Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Der Wortlaut ist das Symbol für einen bestimmten Vorstellungsinhalt, Werkzeug und wahrnehmbare Stütze, dem der Sinngehalt des Gesetzes als einem Träger, der ihn gewissermaßen mitführt, festhält und verkörpert, anvertraut ist.” (1262)
An dieser Stelle verweist Rebmann auf die Quelle seiner Explikation des Wortlautes, nämlich Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Auflage, Stichwort “Werbung”
An dieser Stelle weist Rebmann auf die Quelle seines Zitates hin, nämlich in diesem Fall das Stichwort “Public Relations” in derselben Enzyklopädie wie in seiner Bestimmung des Wortlautes
Im Text der §§ 129, 129a StGB wird das Verb gebraucht: wer ßr eine kriminelle bzw. terroristische Vereinigung wirbt
§ 15 StGB: “Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht”. Mit der juristischen Theorie des vorsätzlichen Handelns liegt eine umfangreiche und differenzierende explizite Theorie vor (cf. Rudol-Phi/Horn/Samson 1989, 49ff.). Es handelt danach vorsätzlich, “wer sich in Kenntnis all der Umstände, die das konkrete tatbestandliche Unrecht einer Handlung konstituieren, zur Vornahme eben dieser Handlung entschließt. Vorsatz ist daher kurz ausgedrückt das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung [...].” (Rudolphi/Horn/Samson 1989,51) Der zitierte Kommentar unterscheidet die folgenden “Arten des Vorsatzes” (66f.): “Absicht ist gegeben, wenn der Täter die tatbestandsmäßige Handlung oder den tatbestandsmäßigen Erfolg erstrebt. [...] Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter sicher weiß, daß sein Verhalten die Merkmale des Straftatbestandes erfüllt. [...] Als dritte Vorsatzart kommt der bedinge Vorsatz [...] in Betracht. Einigkeit herrscht darüber, daß er auf der Wissensseite die Vorstellung von der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung voraussetzt. Der Täter muß die konkrete Gefahr der Tatbestandsverwirklichung kennen.”
Cf. oben die Anmerkungen zur gleichen Entscheidung im Abschnitt über das Deutlichkeitspostulat, S. 182ff.
Besonders krass fällt die Anwendung solcher Theorien in der Beschreibung von männlicher Sexualität auf. Beneke (“Men on Rape” 1982) hat mehrere US-amerikanische Männer in explorativen Interviews nach Beschreibungen von -teils selbst begangener-Vergewaltigung von Frauen gefragt. Typische Beschreibungen stellen sexuelle Erregung von Männern, einschließlich ihrer Bereitschaft, Frauen zu vergewaltigen, als Wirkung einer physischen Kraft dar, die von Frauen ausgeht. Als weitere Spekulation: Man überlege sich die Bildungs-Geschichte eines so harmlosen Ausdrucks wie Attraktivität (ad-trahere) oder etymologisch anders vermittelter Ausdrücke wie Anziehungskraft, moderner z.B.: die/der macht mich an. Die Ursache einer emotionalen Energie wird dem “Objekt”, auf das sie sich richtet, zugeschrieben, die Emotion selbst wird als Wirkung, als unwillkürliches Reagieren aufgefaßt
Cf. die Anmerkungen oben zur gleichen Entscheidung auf S. 192ff. (Vorsatz und Absicht)
Cf. oben die Positionen zu dem Tatbestand in Abschnitt IV.3.1, S. 175ff.
Cf. oben Abschnitt IV.3.2, S. 190f.
Es handelt sich bei der Formulierung teilweise um die wörtliche Wiedergabe einer Äußerung in der BGH-Entscheidung vom 3.5.1978. Dort heißt es: “Eine im Schrifttum vertretene Meinung, die Strafbarkeit des ‘Werbens’ sei beschränkt auf eine Werbetätigkeit, die auf die Gewinnung von Mitgliedern oder auf die Gründung einer kriminellen Vereinigung gerichtet ist (Rudolphi SK § 129 StGB Rdn. 18), findet im Wortlaut der Strafvor-schrift keine Stütze. Auch deren Entstehungsgeschichte bietet hierfür keinen Anhalt.” (Bundesgerichtshof vom 3.5.1978, 26)
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Kischkel, R. (1992). Sprachbeschreibungen in der Politik und im Strafrecht: Drei empirische Untersuchungen. In: Sprachwissen und Sprachtheorien. Sprachwissen und Sprachtheorien. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90017-3_4
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