Die Einkommensteuergesetzgebung als Instrument zur Verwirklichung des Sozialstaatsmodells

Zusammenfassung

Der moderne Staat ist „Steuerstaat“, seitdem vor allem der Liberalismus des 19. Jahr- hunderts die letzten nennenswerten Bastionen merkantilistischer Eigenfinanzierung beseitigt hatte. Aber auch der liberale Grundsatz einer Begrenzung der Staatstatigkeit und damit der Staatsausgaben mit minimaler Besteuerung gehört längst der Vergangenheit an. Vor allem der 1. Weltkrieg und seine Folgen zwangen zur Mobilisierung und Ausschöpfung der mannigfachsten Steuerarten und zur Suche nach möglichst ergiebigen Steuerquellen. Von der steuerpolitischen Zielsetzung einer Finanzierung der Kriegsfolgelasten führt ein kaum datierbarer Wandel zum Grundsatz der Sozialgestaltung durch die Steuergesetzgebung. Der Besteuerung von Einkommen und Vermogen kommt dabei naturgemaß eine besondere Bedeutung zu. Für die Frage nach der Rolle von wirtschaftlicher Freiheit und privatem Eigentum im Sozialstaatsmodell des Bundesgesetzgebers ist deshalb auch die Einkommensteuergesetzgebung ein Gebiet, an dem nicht vorübergegangen werden kann. Ernst Forsthoff sieht, nach Ansicht des Verfassers zu Unrecht, sogar in der Funktion des modernen Rechtsstaates als Steuerstaat die wichtigste, wenn nicht einzige Möglichkeit zur Verwirklichung des Sozialstaates. Unabhängig von der Zustimmung oder der Ablehnung der Sozialstaatstheorie Forsthoffs ist für die hier interessierende Problematik sein Hinweis auf die verfassungsrechtlichen Implikationen von grundlegender Bedeutung. Die Funktion des modernen Rechtsstaates, so sagt Forsthoff, beruht auf einer spezifischen Voraussetzung, der scharfen Abgrenzung der Steuerhoheit von dem in den Grundrechten gewährleisteten Schutz des Eigentums.