Zusammenfassung
Die Ewigkeit und die Zeit nennen wir verschieden voneinander und weisen jene der ewigen Wesenheit zu, die Zeit aber dem Reich dos Werdens, unserem Weltall: damit glauben wir von der Stelle aus, gleichsam mit dem schlagartigen Zupacken des geistigen Blickes, eines deutlichen Eindrucks dieser beiden Begriffe boi uns in der Seele versichert zu sein; gebrauchen wir doch Wort und Ausdruck bei jeder Gelegenheit. Aber wenn wir es unternehmen, sie genauer ins Auge zu fassen, gleichsam in ihre Nähe vorzudringen, dann kommt unser Denken doch wieder in Schwierigkeiten; wir nehmen die Lehren der Alten über sie vor, der eine diese, der andere eine andere, fassen aber leicht auch dieselben auf verschiedene Weise auf; und hierbei beruhigen wir uns, wir halten es für ausreichend, wenn wir auf Befragen die Lehren jener aufzuführen wissen, geben uns zufrieden und lassen die weitere Prüfung darüber ruhen. Nun muß man gewiß dafürhalten, daß von den alten, hochseligen Denkern der eine und andere das Wahre gefunden hat; welche es aber von ihnen sind, die ihr am nächsten gekommen sind, und wie auch wir darin Einsicht gewinnen sollen, das verlangt nähere Erwägung. Und zwar wäre zunächst bei der Ewigkeit zu untersuchen, wie sie diejenigen auffassen, die sie von der Zeit sondern; denn wenn erst dasjenige erkannt ist, was als das Urbild dasteht, wird wohl auch deutlich werden, was es mit dem Abbild, wofür man ja die Zeit ausgibt, auf sich hat. Aber auch wenn man sich die Zeit, noch bevor man die Ewigkeit erschaut hat, in ihrem Wesen vergegenwärtigt, kann man von da aus, indem man vermöge der Erinnerung in die obere Welt hinaufschreitet, dasjenige erschauen, von dem ja die Zeit ein Ebenbild ist, wenn anders die Zeit denn überhaupt der Ewigkeit gleichartig ist.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages abgedruckt aus: Plotins Schriften. Übersetzt von Richard Harder. Neubearbeitung mit griechischem Lesetext und Anmerkungen fortgeführt von Rudolf Beutler und Willy Theiler. Band IV. Felix Meiner Verlag, Hamburg 1967. — Dort Schrift 45, S. 307–323 und 337–341.
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© 1988 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig
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Plotin (1988). Ewigkeit und Zeit. In: Aichelburg, P.C. (eds) Zeit im Wandel der Zeit. Facetten der Physik, vol 23. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89451-9_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89451-9_3
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-528-08918-4
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