Zusammenfassung
Als sich am 7. Oktober 1949 die Provisorische Volkskammer in Berlin konstituierte, war bereits die Frage entschieden, ob sie ein Parlament oder eine sozialistische Volksvertretung werden sollte.1 Nachdem die KPD seit dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935 unter dem Druck der eigenen politischen Defensive aus bündnistaktischen Gründen von ihrem antiparlamentarischen Kurs der zwanziger Jahre abgewichen war und statt einer deutschen Sowjetrepublik eine deutsche demokratische Republik mit mehr oder weniger parlamentarischen Zügen gefordert hatte, verfugte sie mit dieser Strategie unmittelbar nach 1945 über eine geeignete Konzeption, um zumindest in der sowjetischen Besatzungszone und mit Hilfe der dortigen Besatzungsmacht schrittweise wieder an politischem Einfluss zu gewinnen. Das Ziel einer parlamentarischen Demokratie berücksichtigte zwar die Erwartungen vieler Bürger und auch der anderen damals zugelassenen Parteien, entsprach allerdings nicht den tatsächlichen Interessen der deutschen und sowjetischen Kommunisten. Deshalb begannen die KPD und später die SED sehr schnell, wieder ihre Überlegungen von einem parlamentarischen System zurückzunehmen.2 Im Herbst 1949 konnte sich die SED ihrer Macht in Ostdeutschland sicher genug sein, um mit der Volkskammer kein Parlament, sondern eine Vertretungskörperschaft ‚neuen Typs’ zu formieren, mit der man den geplanten Aufbau des Sozialismus in Angriff nehmen konnte. Ganz im Sinne der von Marx und Lenin geforderten Ersetzung der Parlamente durch revolutionäre Vertretungskörperschaften des Proletariats interpretierte die SED die Volksvertretungen der DDR als staatliche Machtorgane, durch welche die Arbeiterklasse unter Führung der SED und im Bündnis mit den anderen werktätigen Klassen und Schichten die politische Macht ausübt.3
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Schirmer, R. (2002). Die Volkskammer der DDR. Eine Einführung. In: Patzelt, W.J., Schirmer, R. (eds) Die Volkskammer der DDR. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89022-1_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89022-1_2
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