Zusammenfassung
Die Bedeutung der Geschichte für die Soziologie muß aus dem jeweiligen Zugang heraus verstanden werden, den sich soziologische Theorien zur Geschichte verschaffen. Man kann auf der einen Seite ein Mißtrauen gegen Ordnungsmodelle der Geschichte hegen und diese in eine Vielfalt soziokultureller Lebensformen zerfallen lassen. Dieses Mißtrauen kann nicht nur aus Quellen wie Kulturrelativismus und Werteskeptizismus schöpfen, die schon lange sprudeln: Ordnungsmodelle ziehen dann stets den Verdacht auf sich, in kulturspezifischen Sichtweisen befangen zu sein, die assimilatorisch über die Geschichte geworfen werden. Die Eigenrationalität des Fremden anderer Kulturen und Epochen würde auf diese Weise domestizierend verkürzt. In der Gewißheit, dem Fremden nicht gerecht werden zu können, müßte die Soziologie dann in schlichten Narrationen verharren. Dieses Mißtrauen kann sich darüber hinaus auch aktueller erkenntnistheoretischer und wissenssoziologischer Überlegungen bedienen, denen zufolge die Beobachtung und Rekonstruktion ›der Gesellschaft‹, ›der Geschichte‹ oder ›des Menschen‹ ohnehin nicht mehr möglich ist.1 Insbesondere die Systemtheorie hat sich damit hervorgetan, die Bezugspunkte in sich geschlossener, ›alteuropäischer‹ Ordnungsmodelle zu deontologisieren und in System-Umwelt-Relationen aufzulösen. Resultate dieser Sichtweise sind zwar nicht schlichte Narrationen, aber erkenntnistheoretisch doch recht bescheiden auftretende, weil immer nur beobachterrelative Beschreibungen. Die Frage nach der Bedeutung ›der Geschichte‹ als beobachtbares Ganzes für die soziologische Theorie ist in diesem Bezugsrahmen weder sinnvoll noch beantwortbar.
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Sutter, T. (1998). Die ›Logik der Entwicklung‹. In: Welz, F., Weisenbacher, U. (eds) Soziologische Theorie und Geschichte. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89013-9_11
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13347-8
Online ISBN: 978-3-322-89013-9
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