Zusammenfassung
Nachdem die Frage nach der konzeptuellen Struktur der in der generativen Linguistik geläufigen Begriffsexplikationen beantwortet wurde, kann jetzt das Problem, wie die Struktur grammatischer TO-Tatsachenerklärungen1 unter konzeptuellem Aspekt gekennzeichnet werden soll, ins Auge gefaßt werden. Da im Abschnitt 0.1 bereits angenommen wurde, daß wissenschaftliche TO-Erklärungen im allgemeinen und grammatische TO-Tatsachenerklärungen im besonderen dadurch ausgezeichnet sind, daß ins TO-Explanans durch TO-Explikation ein neuer Begriff eingefühlt wird, folgt, daß die Struktureigenschaf-ten von TO-Explikationen die Struktureigenschaften von TO-Tatsachenerklärungen auf eine relevante Weise bestimmen. In Einklang mit (A) im Abschnitt 0.3 besteht somit das Grundproblem dieses Kapitels darin, welche Konsequenzen sich aus den im vorangehenden Kapitel diskutierten konzeptuellen Eigenschaften von TO-Explikationen für die konzeptuellen Struktureigenschaften von grammatischen TO-Tatsachenerklärungen ergeben. Es wird sich zeigen, daß grammatische TO-Tatsachenerklärungen — infolge der Beschaffenheit der TO-Begriffsexplikate, die in sie Eingang finden — über Eigenschaften verfügen, die den herkömmlichen Auffassungen stark widersprechen. Da die zur Zeit vorliegenden Ansätze zur Wissenschaftstheorie der generativen Linguistik durch die Auseinandersetzung zwischen der Analytischen Wissenschaftstheorie und der Hermeneutik gekennzeichnet sind, ist es angebracht, die beiden Ansichten in Form von zwei Standardthesen getrennt zusammenzufassen.
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Literatur
Vgl. auch etwa Lang (1987), Bierwisch (1981, 1987).
Es sei noch bemerkt, daß diese Schlußfolgerung nicht nur auf deduktiv-nomologische und intentiona-listische Erklärungen zutrifft, sondern auch die neueren pragmatischen Erklärungsmodelle einschließt, auf die wir hier allerdings nicht eingehen können; s. dazu vor allem Stegmüller (1983), Achinstein (1983), Kertész (1988).
Wobei unter Deduktion logisch gültiges Schließen zu verstehen ist. Zahlreiche Anhaltspunkte zu einer differenzierten Charakterisierung dessen, was unter “Deduktivität”, “Schließen”, “logisches Schließen”, “natürlich-sprachliches Schließen” usw. zu verstehen sei, sowie der Rolle dieser Erscheinungen bei wissenschaftlichen Erklärungen sind in Klein (1987) und Kertész (1990a) zu finden. Da unser Anliegen lediglich eine heuristische Charakterisierung von grammatischen TO-Tatsachenerklärungen ist, und nicht ihre präzise, theoretisch anspruchsvolle Darstellung, wollen wir auf solche Differenzierungsmöglichkeiten unserer Behauptungen nicht eingehen.
Es ist nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, daß dieses Ergebnis die tatsächlichen ojektwissenschaft-lichen Intentionen der TO-modular verfahrenden Objektwissenschaftler mit den Mitteln einer auf (WMH) beruhenden einzelwissenschaftlich verfahrenden Wissenschaftstheorie erfaßt: Bei der Aufstellung erklärender Theorien ist es ganz allgemein ein Erkenntnisgewinn, wenn es gelingt, die Gesetzmäßigkeiten verschiedener Domänen D 1 , D 2 ,…, D n zu erklären, sie also auf die für D geltenden Gesetze zurückzuführen…. Die Domänen D1, D2, usw. sind gegenüber den Gesetzen von D nur durch die für D 1 jeweils speziellen Randbedingungen ausgezeichnet Andererseits erlaubt dieser Zusammenhang nicht einen generellen Reduktionismus… Obwohl ohne Zweifel ein Fundierungszu-sammenhang…. besteht, ist die Reduktion des jeweils spezielleren auf den fundierenden Bereich nicht erlaubt, weil die spezifischen Randbedingungen eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, die bei einer Reduktion vernachlässigt würden…. Ohne dieses verzweigte methodologische Problem hier ernstlich zu erörtern, wül ich festhalten, daß die Frage, wieweit verschiedene Gebiete auf eine Theorie zurückzuführen sind und wieweit sie durch spezielle Theorien zu erklären sind, nicht durch ein Dogma, sondern jeweils durch die empirischen Gegebenheiten zu entscheiden ist Bierwisch (1981: 21–22)
Vgl. auch Hesse (1988a).
Eine detaillierte Analyse des Zusammenhangs der hier erwähnten Probleme befindet sich allerdings in Kertész (1990d).
Nebenbei sei bemerkt, daß, obwohl es beträchtliche Gegensätze zwischen Chomsky und Quine gibt, Chomsky die Plausibilität der Annahme, wonach linguistische Theorien bzw. Grammatiken in derselben Weise empirisch unterdeterminiert sind wie naturwissenschaftliche Theorien im allgemeinen, explizit anerkennt (Chomsky 1976: 178 – 204). Die Beiträge zur Debatte finden sich in Davidson — Hintikka (Hrsg.) (1969), Davidson — Harman (Hrsg.) (1972), Chomsky (1976, 1980). Eine Auswertung dieser Diskussion, die allerdings mit einer scharfen Kritik der generativen Linguistik verbunden ist, gibt Winston (1978).
S. Janssen (1982: 145 ff.) zur Diskusssion des Zusammanhangs zwischen Restriktivität und Bewertung in den früheren Arbeiten zur generativen Linguistik.
Vgl. z.B. Fanselow — Felix (1987: 128. ff.), Hornstein — Lightfoot (1981), Chomsky (1981a), Hyams (1986), Roeper — Williams (Hrsg.) (1988).
Auf einen historischen Überblick über die Entfaltung des Netzwerk-Modells soll hier nicht eingegangen werden. Es soll genügen, soviel zu erwähnen, daß dieses Modell vor einigen Jahrzehnten — in Anlehnung an Duhem — in Quine (1953) aufgegriffen und propagiert wurde. Die Grundideen des Modells wurden dann für verschiedene Zwecke ergänzt bzw. modifiziert. Erwähnt werden soll dabei vor allem Hesse (1974), wo das Modell auf das Bestätigungsproblem bezogen wurde, Rescher (1979), wo es als die Grundlage einer kohärentistischen Epistemologie fungiert und Bloor (1982), wo es zur Lösung einiger Grundfragen der Wissenssoziologie dient. Einige wichtige Beiträge zur Diskussion über die von Quine aufgeworfene Problematik finden sich z.B. in Davidson-Hintikka (Hrsg.) (1969) und Harding (Hrsg.)(1976). Mit NichtTrivialität ist hier die Tatsache gemeint, daß die Konsequenz, wonach sich die Systematisierung der generativen Theorie in der Form des Netzwerk-Modells darstellen läßt, nicht ausschließlich aus dem in 2.5 (iii) erwähnten Postulat unseres Untersuchungsrahmens folgt, sondern sich aus der im Abschnitt 3.3 nachgewiesenen semantischen Unterdeterminiertheit generativer Begriffsbildung sowie den dadurch implizierten Eigenschaften generativer Tatsachenerklärungen ergibt.
Diese Schlußfolgerung wurde in Kertész (1990d) mit Fallstudien untermauert; vgl. auch die Fallstudie über die Doppelkopfkritik im Anhang (Abschnitt 7.3).
Vgl. etwa die sehr subtilen Analysen in Janssen (1982).
Diskussionen zu den TO-Bewertungskriterien finden sich u.a. in Bense (1978), Velde (1974), Janssen (1982), Botha (1981), Wunderlich (1981) usw.
Daß “unabhängige Evidenz” und “Restriktivität” als TO-Bewertungskriterien fungieren, wurde in Janssen (1982) nachgewiesen.
Vgl z.B. Chomskys Behauptung: In a sense, then, I think that those linguists who have insisted that a multiplicity of criteria must be brought to bear in each particular aspect of linguistic analysis, are correct, although in another (and more interesting) sense, there is only one criterion, over-all simplicity of the grammar, which may, in particular instances, give rise to a variety of special considerations. Zit nach Janssen (1982: 69)
Vgl z. B. Fodors sehr skeptische Bemerkungen über die Möglichkeit, die für wissenschaftliche Erkenntnis spezifischen psychologischen Prinzipien zu ermitteln in Fodor (1983).
Vor allem bei den pragmatischen Erklärungsmodellen. Vgl. Stegmüller (1983).
Diese Formulierung des Prinzips der Relevanz ist parallel zu der in Sperber — Wilson (1986) angegebenen Definition, die sich allerdings auf die ostensiv-inferenzielle Kommunikation bezieht.
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© 1991 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden
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Kertész, A. (1991). Der konzeptuelle Aspekt II: Erklärung. In: Die Modularität der Wissenschaft. Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88967-6_6
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