Zusammenfassung
Die Steuerhoheit, das Recht eines Staates, Steuern zu erheben und beliebig auszugestalten, ist ein zentrales Merkmal staatlicher Souveränität. Die Steuerpolitik stellt die für die Aufgabenerledigung eines Gemeinwesens notwendigen finanziellen Ressourcen bereit. Gleichzeitig bildet sie ein wichtiges Instrument makroökonomischer Steuerung, insbesondere in der Finanz- und Wirtschaftspolitik, aber auch in der Sozial-, Gesundheits- und neuerdings der Umweltpolitik. „Taxation policy is thus characterized by a complex interaction between revenue raising functions an the one hand, and other economic and social policy functions an the other“ (Heidenheimer u.a. 1990: 183). Im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten ist die Europäische Gemeinschaft (EG) nicht berechtigt, eigene Steuern zu erheben; sie besitzt also keine eigene Steuerhoheit. Ihre steuerpolitischen Kompetenzen ergeben sich aus ihrem Charakter als Wirtschaftsgemeinschaft. Gemäß Art. 2 EWG-Vertrag (EWGV) besteht die Aufgabe der Gemeinschaft in der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes, zu dessen Kernelementen die Wettbewerbsneutralität staatlicher Aktivitäten zählt. Unterschiedliche steuerrechtliche Regelungen der Mitgliedstaaten dürfen im innergemeinschaftlichen Handel nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Aus diesem Grund besteht die Aufgabe der EG im Bereich der Steuerpolitik in der Angleichung des Steuerrechts der Mitgliedstaaten. Die europäische Steuerpolitik verfolgt demnach rein wettbewerbspolitische Ziele. Das Kapitel ‚Steuerliche Vorschriften‘ im EWGV bezieht sich ausschließlich auf indirekte Steuern, also die Verbrauchssteuern sowie die Mehrwertsteuer. Die Art. 95–98 EWGV sehen ein steuerliches Diskriminierungsverbot vor. Steuerrechtliche Benachteiligungen grenzüberschreitender Warenbewegungen sollen verhindert und die Wettbewerbsneutralität des inländischen Steuersystems sichergestellt werden (Oppermann 1991: 393–394). Neben dem Diskriminierungsverbot gilt für indirekte Steuern ein Harmonisierungsgebot (Art. 99 EWGV), „soweit die Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes (...) notwendig ist.“ Als Rechtsgrundlage für den Bereich direkter Steuern dient Art. 100 EWGV.
Dieser Beitrag basiert auf Arbeitsergebnissen einer derzeit an der Universität Tübingen entstehenden politikwissenschaftlichen Dissertation über Entscheidungsprozesse der europäischen Steuerpolitik. Für wertvolle Hinweise und Kritik danke ich Thomas Göttel, Ingrid Haas und Annette Rehfeld.
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Mette, S. (1992). Steuerpolitik zwischen nationaler Souveränität und europäischer Harmonisierung. In: Kreile, M. (eds) Die Integration Europas. Politische Vierteljahresschrift Sonderheft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88720-7_11
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