Zusammenfassung
Das Bild der modernen Gesellschaft ist gekennzeichnet durch Bewegungen und Gegenbewegungen. Der Verstaatlichung hat sich die Entstaatlichung zugesellt, der Bürokratisierung die Ent-bürokratisierung, der Verrechtlichung die Entrechtlichung, der Kommerzialisierung die Entmonetarisierung und der Professionalisierung die Entprofessionalisierung. Es ist schwer, von vorwärts oder rückwärts gewandten Bewegungen bzw. Gegenbewegungen zu sprechen, das ist eine Frage der Blickrichtung, der Perspektive, des Gefühls. Stolz haben die westeuropäischen Wohlfahrtsstaaten auf dem Gipfel des wohlfahrtsstaatlichen Fortschritts posiert und das “immer mehr”, die Zuwächse an Personal, Geld, Infrastruktur, Betten, Prothesen, falschen Zähnen, Krankenbehandlungen als Zuwächse an Sozialität ausgelegt. Mitleidig haben Länder wie die Bundesrepublik Deutschland, mit einer Sozialleistungsquote von über dreißig Prozent, auf die anderen zurückgeblickt und neidisch haben diese anderen versucht, die Techniken der Vorhut zu kopieren.
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Anmerkungen
Zu diesem Punkt vgl. schon H. Achinger: Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik. Hamburg 1958; ausführlicher B. Badura/P. Gross: Sozialpolitische Perspektiven. München 1976
So ist die Ansicht zweier amerikanisierter österreichischer Soziologen. Vgl. B. Berger/P. Berger: In Verteidigung der bürgerlichen Familie. Frankfurt am Main 1984, S. 36
Grundsätzlich dazu M. North: The Secular Priests — Psychotherapists in Conterompary Society. London: George Allen & Unwin. 1976
Die Positionen sind im wesentlichen schon abgesteckt worden in den Sammelbänden von H.-U. Otto/K. Utermann (Hg.): Sozialarbeit als Beruf. Auf dem Wege zur Professionalisierung. München 1971;
Th. Luckmann/W. Sprondel (Hg.): Berufssoziologie. Köln 1972;
als neuere Arbeiten vgl. etwa K. H. Hörning/ Th. Knicker: Soziologie als Beruf. Eine Einführung. Hamburg 1981;
U. Beck/M. Brater/H. Daheim: Soziologie der Arbeit und der Berufe: Grundlagen, Probleme, Forschungsergebnisse. Rein-bek 1980;
zur aktuellen Debatte vgl. H. Hartmann/M. Hartmann: Vom Elend der Experten: Zwischen Akademisierung und Depro-fessionalisierung. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Jg. 34 (1982), S. 193–223
Selbstverständlich fällt einem hier der Titel von W. Schmidbauer: Die hilflosen Helfer. Über die seelische Problematik der helfenden Berufe (Hamburg 1977), ein. Die schärfsten Angriffe finden sich in I. Illich u.a.: Entmündigung durch Experten. Zur Kritik der Dienstleistungsberufe. Reinbek 1979, darin u.a. der Aufsatz von John McKnight.
Als letzte “Aufarbeitung” in der Unmenge von Literatur: W.H. Asam/M. Heck (Hg.): Soziale Selbsthilfegruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Aktuelle Forschungsergebnisse und Situationsdiagnosen. München 1983
Etwa H. Baier: Im Dienst des Leviathan — Ivan Illich herrschaftssoziologisch weitergedacht. In: R. Flöhl (Hg.): Maßlose Medizin. Berlin 1979, S. 7–33;
besonders gnadenlos W. Pohrt: Endstation, über die Wiedergeburt der Nation. Berlin 1982
F. Pavelka: Das Deprofessionalisierungsspiel: Ein Spiel für Profis. In: psychosozial 2 (1979), S. 19–25
I. Illich u.a. 1979 (vgl. Anm. 5)
In diesem Sinne etwa P. Gross: Zur Dynamik von Bedürfnissen und Bedarfsausgleichssystemen in postindustriellen Gesellschaften. In: Sociologia Internationalis 1/2 (1981), S. 67–83;
oder R.G. Heinze/Th. Olk: Selbsthilfe, Eigenarbeit, Schattenwirtschaft. In: F. Benseier u.a. (Hg.): Zukunft der Arbeit. Hamburg 1982, S. 13–31
T. Parsons: The Professions and Social Structure. In: Essays in Sociological Theory. Glencoe Ill.:The Free Press 1958
Zu dieser notorischen Unterbelichtung vgl. P. Gross: Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft. Opladen 1983, S. 50–79
H. A. Hesse: Berufe im Wandel. Ein Beitrag zur Soziologie des Berufs, der Berufspolitik und des Berufsrechts, Stuttgart 1972 (2. überarb. Aufl.), S. 53
Zu diesen Unterscheidungen und den damit verbundenen Problemen P. Gross/B. Badura: Sozialpolitik und soziale Dienste: Entwurf einer Theorie personenbezogener Dienstleistungen. In: Chr. v. Ferber/F.-X. Kaufmann (Hg.): Soziologie und Sozialpolitik. Sonderheft 19 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (1977), S. 381–386
Ph. Herder-Dorneich/W. Kötz: Zur Dienstleistungsökonomik. Systemanalyse und Systempolitik der Krankenhauspflegedienste. Berlin 1972
T. Parsons: Einige theoretische Betrachtungen zum Bereich der Medizinsoziologie. In: Ders.; Sozialstruktur und Persönlichkeit. Frankfurt am Main 1968, S. 408–449
Ebenda, S. 426
V. R. Fuchs: The Service Economy. New York: Columbia University Press 1968
A. Gartner/R. Riessman: Der aktive Konsument in der Dienstleistungsgesellschaft. Zur politischen Ökonomie des tertiären Sektors. Frankfurt am Main 1978
J. Fourastiê: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts. Köln 1969 (2. Aufl.); D. Bell: Die nachindustrielle Gesellschaft. Frankfurt/New York 1975
D. Bell: Ebenda, S. 375
London: Constable 1970
Vgl. auch A. Völker: Allokation von Dienstleistungen. Ein Beitrag zur begrifflichen Klärung und theoretischen Fundierung. Frankfurt/New York 1984’
R. Aron: Die industrielle Gesellschaft. Frankfurt am Main/Hamburg 1964, S. 121
In diesem Sinne etwa R. L. Heilbrunner: Der Nicdergang des Kapitalismus. Frankfurt/New York 1977, S. 70 ff.
Zu diesem Thema auch P. Gross: Transformationen des Helfens unter den Bedingungen moderner Sozialstaatlichkeit. In: Brennpunkte sozialer Arbeit 1 (1984), S.31 – 46
Zur Bedeutung dieser Fragen vgl. R. Lockot/H. P. Rosenmeier (Hg.): Ärztliches Handeln und Intimität. Eine medizinisch-psychologische Perspektive. Stuttgart 1983;
als Parallellektüre notwendig ist: J. Schlemmer (Hg.): Der Verlust der Intimität. München 1976
H. Hartmann: Arbeit, Beruf, Profession. In: Th. Luckmann/ W. Sprondel (Hg.): Berufssoziologie. S. 36–53
Ebenda, S. 40 f.
Vgl. K. ütermann: Zum Problem der Professionalisierung in der Industriegesellschaft. In: H.-U. Otto/K. Utermann (Hg.): Sozialarbeit als Beruf. Auf dem Weg zur Professionalisierung? (S. 13–31, S. 17)
W. Leibrand: Der göttliche Stab des Äskulap. Vom geistigen Wesen des Arztes. Salzburg 1939 (3. erw. Aufl.), S. 14
B. Shaw: Der, Arzt am Scheideweg. Vorrede. In: Ders.: Komödien des Glaubens. Dramatische Werke Bd. 5. Berlin 1919, S. 193–299, S. 2287
E. Freidson: Der Ärztestand. Berufs- und wissenschaftssoziologische Durchleuchtung einer Profession. Stuttgart 1979, S. 11 ff.
W. Leibrand 1939 a.a.O. (vgl. Anm. 30), S. 19
Vgl. die hervorragenden Analysen von H. Bollinger/J. Hohl: Auf dem Weg von der Profession zum Beruf: In: Soziale Welt 4 (1981), S. 440–465
F. J. Schulte: Die technisch-wissenschaftliche Diagnostik, ihre Organisation und der Mensch. In: R. Kurzrock (Hg.): Medizin: Ethos und soziale Verantwortung. Berlin 1978, S. 47–55, S. 47.
Zu den Folgen der schubweisen Entwicklung diagnostischer und therapeutischer Techniken vgl. W. Krämer: Bedarf versus verfügbare Ressourcen: Probleme des Bedarfsdeckungsprinzips im Gesundheitswesen. In: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hg.): Symposium Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung. Bonn 1982
N. Luhmann: Anspruchsinflation im Krankheitssystem. Eine Stellungnahme aus gesellschaftstheoretischer Sicht. In: Ph. Herder-Dorneich/A. Schuller (Hg.): Die Anspruchsspirale. Schicksal oder Systemdefekt? Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1983, S. 28–50
Näheres erfährt man im Panoptikum von H. Halter (Hg.): Vorsicht Arzt! Krise der modernen Medizin. Hamburg 1981, S. 159 f.
Zu den verdummenden Hiobsbotschaften in den Medien über immer neue Gefährdungen und immer neue Zahlen vgl. auch P. Gross: Das Überangebot an professionellen Dienstleistungen aus sozialökonomischer Sicht. In: Ph. Herder-Dorneich/A. Schuller: Die Ärzteschwemme. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1984
Zu dieser zweifelhaften Diagnose P. Gross: Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft. Opladen 1983, S. 110–124
H. Adam: Ambulante ärztliche Leistungen und Ärztedichte. Berlin 1983, S. 135 f.
Zu den verkannten Erfolgen vgl. H. Schaefer: Der Wettlauf mit dem Tod — Die Zivilisationskrankheiten relativieren die Erfolge der Medizin. In: R. Flöhl (Hg.): Maßlose Medizin? Berlin/Heidelberg/New York 1979, S. 115–143
Optimistisch etwa B. Badura (Hg.): Soziale Unterstützung und chronische Krankheit. Zum Stand sozialepidemiologischer Forschung. Frankfurt am Main 1981; eher pessimistisch: H. Mohler: ünbelegte Theorien über Herz-, Kreislauf-Krankheiten. In: Neue Zürcher Zeitung Nr. 16 (1983), S. 21 (Fernausgabe)
In diesem Sinne H.-U. Otto: Zum Verhältnis von systematisiertem Wissen und praktischem Handeln in der Sozialarbeit. In: Ders./K. Utermann (Hg.): Sozialarbeit als Beruf. Auf dem Wege zur Professionalisierung? München 1971, S. 87–99; H. und M. Hartmann bezeichnen in ihrem obengenannten Aufsatz (vgl. Anm. 4) den wissenschaftlichen Relativismus als den Hauptgegner des Expertentums, a.a.O., S. 210 ff.; vgl. auch H.Tuggener: Social Work. Weinheim/Berlin/Basel 1971
Vgl., den eindringlichen Erfahrungsbericht von M. Winter u.a.: Venusfliegenfalle. Sozialarbeit — Geometrisierung der Nächstenliebe. Frankfurt am Main 1979
H.-U. Otto, a.a.O. (vgl. Anm. 42), S. 90; ders.: Alltagsweltliche Handlungsmuster von Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und sozialwissenschaftlicher Theorie. In: Neue Praxis 8 (1978)
M. Winter u.a., a.a.O. (vgl. Anm. 43), Klappentext
Klassisch dazu H.L. Wilenski: Jeder Beruf eine Profession? In: Th. Luckmann/W. Sprondel (Hg.): Berufssoziologie. Köln 1972, S. 198–219
P. Gross: Die Bedeutung der Selbsthilfegruppen im modernen Wohlfahrtsstaat. In: Soziale Welt 1 (1982), S. 26–49;
B. Badura/Chr. v. Ferber (Hg.): Selbsthilfe und Selbstorganisation im Gesundheitswesen. München/Wien 1981;
Ph. Herder-Dorneich/A. Schuller (Hg.): Spontaneität oder Ordnung. Laien-medizin gegen professionelle Systeme. Stuttgart/Berlin/Köln/ Mainz 1982
I. Illich: Entmündigende Expertenherrschaft. In: I. Illich u.a.: Entmündigung durch Experten. Zur Kritik der Dienstleistungsberufe. Reinbek 1979, S. 7–37, S. 34
Typisch etwa M. Ferguson: Die sanfte Verschwörung. Basel 1982
Immer noch treffend und gültig dazu H. Peters: Die miß-lungene Professionalisierung der Sozialarbeit. In: H.-U. Otto/K. Utermann (Hg.): Sozialarbeit als Beruf. Auf dem Wege zur Professionalisierung? München 1971, S. 99–125
H.-U. Otto, a.a.O. (vgl. Anm. 42), S. 89
P. Japp/Th. O1k: Identitätswandel und soziale Dienste. Thesen zur Reorganisation behördlicher Sozialarbeit. In: Soziale Welt 2 (1981), S. 143–168, S. 162;
Th. Olk/H.-U. Otto: Wertewandel und Sozialarbeit — Entwicklungsperspektiven kommunaler Sozialarbeitspolitik. In: Neue Praxis 2 (1981), S. 99–146, S. 130; auch die gedanken- und materialreiche Anleitung zur sozialen Arbeit von W. R. Wendt (Ökologie und soziale Arbeit. Stuttgart 1982) kann als Anleitung zur täglichen Lebenspraxis gelesen werden.
Ebenda, S. 164
§§ 60, 61
P. Gross: Selbsthilfegruppen im Gesundheitswesen. In: Medizin, Mensch, Gesellschaft 3 (1981), S. 158–164; ders.: Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft. Opladen 1983, S. 138–150.
Vgl. auch die etwas mildere Position von A. Bellebaum: Hilflose Helfer — Zur Soziologie helfender Berufe. In: Caritas 1/2 (1980), S. 84–98
Das ist ein anderes Thema. Vgl. dazu W. R. Wendt: Alternative zum Arbeitsleben — und was trägt die Sozialarbeit dazu bei? Blätter für Wohlfahrtspflege 2 (1983), S. 27–30;
H.-P. Bahrdt: Arbeit als Inhalt des Lebens (“denn es fähret schnell dahin”). In: J. Matthes (Hg.): Krise der Arbeitsgesellschaft. Verhandlungen des 21. Deutschen Soziologentages in Bamberg 1982. Frankfurt am Main/New York 1983, S. 120–141;
U. Beck: Perspektiven einer kulturellen Evolution der Arbeit. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1 (1984), S. 52–62;
A. Gorz: Wege ins Paradies. Berlin 1983;
J. Huber: Die zwei Gesichter der Arbeit. Frankfurt am Main 1984
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Gross, P. (1985). Vergebliche Liebesmüh. Professionalisierung, Entprofessionalisierung und die Grenzen der Erwerbsgesellschaft. In: Bellebaum, A., Becher, H.J., Greven, M.T. (eds) Helfen und Helfende Berufe als soziale Kontrolle. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, vol 68. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88680-4_12
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