Zusammenfassung
Ende der sechziger Jahre wurde in die kriminalsoziologische und kriminologische Diskussion der Bundesrepublik eine neue Forschungsperspektive eingeführt und mit dem Bewußtsein einer kopernikanischen Wende vorgetragen: der labeling approach oder Etike11ierungsansatz . Seine zentrale Perspektive ist: Kriminalität, kriminelles Handeln, ist nicht Eigenschaft einer Person, sondern allein oder im wesentlichen Produkt einer spezifischen Rechtsanwendung durch Instanzen sozialer Kontrolle , speziell der Strafjustiz, die selektiv insbesondere gegen Angehörige der Unterschicht gerichtet ist. Rechtsnormen werden als askriptive Aussagen charakterisiert, die nicht feststellen, was ohne sie schon vorhanden wäre, sondern sie erzeugen Tatsachen und schreiben Verantwortung zu. Etikettierungstheoretiker verbinden vielfach mit ihren Arbeiten den Anspruch, den einzig sinnvollen Zugang zur Analyse der Kriminalität gefunden zu haben und allen anderen Erklärungsmodellen überlegen zu sein. Die bisherige kriminologische Forschung wird als „Legitimationswissenschaft“ für die Instanzen sozialer Kontrolle gekennzeichnet (D. u. H. Peters). Diese neue KriminalSoziologie war in der Folgezeit Gegenstand heftiger Kontroversen. Vertreter der täterorientierten Kriminologie wiesen den Ausschließlichkeitsanspruch der Etikettierungstheorie deutlich zurück und verfolgten die von ihnen favorisierten theoretischen Konzeptionen weiter.
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Boy, P. (1982). Definitionstheoretische Analysen der Strafjustiz. In: Albrecht, G., Brusten, M. (eds) Soziale Probleme und soziale Kontrolle. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, vol 29. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88662-0_14
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