Zusammenfassung
Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte hat in Deutschland eine lange Tradition, seit über 100 Jahren wurden zusätzliche Arbeitskräfte aus den industriell weniger entwickelten Gebieten Europas immer dann verpflichtet, wenn die Zahl der einheimischen Arbeitskräfte den Erfordernissen des expandierenden Arbeitsmarktes nicht mehr entsprach. Diese ausländischen Arbeitskräfte wurden vor allem für harte körperliche und wenig qualifizierte Tätigkeiten eingesetzt. 1891 schrieb Kautsky über den Migrationsprozeß aus den ökonomisch wenig entwickelten Gebieten in stärker industrialisierten Regionen:,,Der Zugang der Landarbeiter in die Städte wird nun ein immer stärkerer. Und von immer weiter her ziehen die bedürfnislosen Scharen herbei. Slawen, Schweden und Italiener kommen als Lohndrücker nach Deutschland … Diese fremden Arbeiter sind zum Teil Expropriierte, Kleinbauern und Kleinbürger, welche die kapitalistische Produktionsweise ruiniert, von Haus und Hof verjagt hat und denen sie nicht nur ihr Heim nimmt, sondern auch ihre Heimat.“1 Ihre prinzipielle Bedeutung hat die Arbeitsmigration dabei bis heute behalten, auch wenn sich ihre Funktion nicht auf die der Lohndrückerei reduzieren läßt.“ Der unterschiedliche sozialökonomische Entwicklungsstand der europäischen Länder läßt das gegenwärtige „Gastarbeiter-Problem“ in vieler Hinsicht ähnlich erscheinen wie die „Erwerbsmigration der Polen… “2 Die ausländischen Arbeitskräfte erfüllten damals wie heute „die beiden Grundfunktionen industrieller Reservearmeen: die unter privilegierte Arbeit zu objektiv lohndrückenden Bedingungen zu verrichten und die konjunkturell schwankenden Arbeitskräfteanforderungen auf für das Kapital billige Weise abzudecken.“3
Der Beitrag enstand im Rahmen eines gemeinsam durchgeführten Lehr-Projekts zur Ausweitung berufkicher Qualifikation auf die Intergrationschancen von Ausländern. Doris Gunkel-Henning hat dabei Kap. 1, Udo Mayer Kap. 2–4 verfaßt.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Karl Kautsky, Das Erfurter Programm, zitiert nach: Christoph Kleßmann, Polnische Bergarbeiter im Ruhrgebiet 1870–1945, Göttingen 1978, S. 12.
Christoph Kleßmann, a. a. O., S. 12.
Ruth Becker, Gerhard Dörr, K. H. Tjaden, Fremdarbeiterbeschäftigung im deutschen Kapitalismus, in: Das Argument 68, 13, Jg. Dez. 1971, S. 742.
Vgl. Rückkehrneigung gesunken in: Frankfurter Rundschau vom 26.7.82.
Vgl. ANBA 1956, S. 3.
Vgl. Zöllner, Die wirtschaftliche Bedeutung der Ausländerbeschäftigung in der BRD aus der Sicht des Arbeitsmarktes, in: Beihilfe der Konjunkturpolitik, Heft 13, Berlin 1966, S. 10.
Vgl. ANBA 1956, S. 3.
Vgl. u. a. Verena Mc Rae, Die Gastarbeiter, München 1980, S. 26 ff.
A. Wagner, Wirtschaftswachstum ohne Gastarbeiter? Überlegungen zu einer konfliktfreien Verbindung bevölkerungs- und wirtschaftspolitischer Ziele in: F. X. Kaufmann (Hg.), Bevölkerungsbewegung zwischen Quantität und Qualität, Stuttgart 1975, S. 151.
Vgl. Martin Frey, Ausländer in der BRD, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung das Parlament, B 25/82, 26.6.1982, S. 14 f.
Statistisches Bundesamt, Ausländer 1981, Fachserie 1, Reihe 1.4, März 1982, S. 5.
M. Frey, a. a. O., S. 15.
Statistisches Bundesamt, Ausländer 1981, a. a. O., S. 7.
Vgl. Abdruck des Kühn-Memorandums in: Karl-Heinz Meier-Sohn, Gastarbeiter oder Einwanderer?, Berlin 1980.
Vgl. dazu E. Ewers, P. Lenz, Die Ausländerbeschäftigung unter dem Druck von Wirtschaftskrise und Konsolidierungspolitikin: C. Offe (Hg.), Opfer des Arbeitsmarktes. Zur Theorie der strukturierten Arbeitslosigkeit, Neuwied/Darmstadt 1977, S. 185–225.
Zitiert nach Karlfriedrich Eckstein, Es sind einfach zu viele… Bemerkungen zur Ausländerpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, a. a. O., S. 23.
Verena Mc Rae, Ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik — Einwanderer oder Gäste? in: Gewerkschaftliche Monatshefte 7/82, S. 413 f.
Vgl. S. N. Eisenstadt, Research on the Cultural and Social Adaptation of Immigrants in: International Social Science Bulletin, 1951, S. 258 - 263.
Zur Bedeutung des Berufs für soziale Identitätsbildung vgl. U. Beck, M. Brater, H.-J. Daheim, Soziologie der Arbeit und des Berufs, Reinbek 1980.
Vgl. Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der BRD. Repräsentativuntersuchung 80, Bonn 1981, S. 117.
Angaben nach M. Frey, a. a. O., S. 16.
Einzelheiten bei Däubler, Das Arbeitsrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1981, S. 395; das BSG hat den Erlaß für zulässig erklärt, SGb 1978, S. 474.
Vgl. dazu Kanein/Wollenschläger, Kommentar zum Ausländergesetz, 3. Aufl. 1980, S. 336.
Vgl. ANBA 1979, S. 471.
Bundesgesetzblatt (1981) I, S. 802. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat die Wartezeit auf zwei Jahre festgelegt, 6. Verordnung zur Änderung der AEVO vom 24.9. 81, Bundesgesetzblatt I, S. 1042; zum ganzen vgl. auch Minta, ZAR 1981, S. 27 f.
Zur Kritik in der Rechtsprechung an den Wartezeiterlassen vgl. LSG Darmstadt NJW 1981, S. 543; SG Hamburg, Informationsbrief Ausländerrecht 1980, S. 265 und 319.
Vgl. die Darstellung und Kritik bei Huber, Informationsbrief Ausländerrecht 1982, S. 1 f.
Zur Kontroverse im alten SPD/FDP-Kabinett vgl. FAZ vom 14.7. und 15.7.
Vgl. die Darstellung und Kritik bei Huber, Informationsbrief Ausländerrecht 1983, S. 99.
Das soll nach einem Beschluß des Bundeskabinetts vom 14.7.82 und nach der Regierungserklärung von Kohl durch eine Kapitalisierung und vorzeitigen Rückzahlung der Arbeitnehmeranteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung erfolgen. Die bisherige zweijährige Anwartschaftszeit wurde auf 6 Monate gesenkt. Kritisch dazu Bieback Informationsbrief Ausländerrecht 1982, S. 232. Zur Rückkehrprämie vgl. den Beschluß der Bundesregierung vom 22.6.83 FAZ v. 23. 6. 83.
Vgl. dazu Rittstieg, ZRP 1981, S. 153.
Bisher sind drei Gesetze zur Beschleunigung des Asylverfahrens ergangen: Bundesgesetzblatt (1978) I, S. 1107; Bundesgesetzblatt (1980) I, S. 1437; das letzte trat am 1. August 1982 in Kraft, vgl. dazu die Kritik des Bundes deutscher Verwaltungsrichter, FR vom 31.7.1982; MacLean, FR vom 3. 8. 1982.
Als Erfolg dieser Maßnahmen gingen die Anträge auf Asylgewährung drastisch zurück: 1981 stellten insgesamt knapp 50.000 Ausländer in der BRD einen Asylantrag, 54,2% weniger als im Vorjahr (107.000). Die Zahl der Asylbewerber aus der Türkei ging sogar um 89,1% zurück (von 57.913 auf 6.302); vgl. dazu v. Pollern, ZAR 1982, S. 93 f.
Eine Umfrage im Auftrag der Bundesregierung ergab, daß 49% der Bundesbürger ausländer-feindlich eingestellt sind, mit allerdings starken Abweichungen nach Alter und Ausbildung. Je geringer der Ausbildungsstand, desto stärker verbreitet die Ausländerfeindlichkeit und desto stärker die Neigung, die Ursachen für arbeitsmarktpolitische Schwächen den Auslän-dern anzulasten. Politik, Information aus Bonn, herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 3/1982; ferner Körner/Spies, Zur Fremdenfeindlichkeit in der BRD, Gewerkschaftliche Monatshefte 1982, S. 397.
Vgl. dazu die Dokumentation bei H. Stein, Rassismus heute, AID Nr. 4/1982 (Hrsg. VVN — Bund der Antifaschisten).
In der Verlautbarung der staatlichen Pressestelle Hamburg vom 9.3.82 wird folgender Erfolg vermeldet: Seit dem 4.1.82 sind 502 Asylanträge von der Ausländerbehörde an die Außenstelle in Hamburg weitergeleitet und 475 Entscheidungen getroffen worden, davon 455 negativ (!).
Vgl. FR vom 11.3.1982. In den Leitlinien für die Hamburger Ausländerpolitik von 1976 war dies noch abgelehnt worden, vgl. Bürgerschafts-Drucksache 8/1990, S. 22. In der Grundsatzentscheidung des Hamburger Senats zur Lage der ausländischen Arbeitnehmer in Hamburg vom 19.7.80 (BüDs 9/2431) wird dieser Punkt aber bereits problematisiert.
Staatliche Pressestelle Hamburg vom 16.7.80, Grundsatzposition des Senats für seine künftige Ausländerpolitik; dazu wurde ein (positives) Gutachten erstellt von Rittstieg, Wahlrecht für Ausländer, 1981.
Der Schwerpunkt weiterer Maßnahmen liegt eindeutig auf dem Gebiet der Schülerhilfe: Aus-bau des Förderunterrichts für Schulkinder; Erhöhung der Zahl sog. Vorlaufgruppen für Ausländerkinder, die keine Vorschulklassen besuchen; Schularbeitshilfen in Kintertagesheimen. Daneben werden Freizeitbereiche gefördert, die integrative Arbeit leisten. Vgl. den Maßnahmekatalog vom 16.7.80 i. R. der Senatserklärung (Anm. 37).
Die folgenden Ausführungen basieren auf Zwischenberichten des Vereins zur Förderung der beruflichen Weiterbildung, der den Modellversuch durchführt. Nähere Information über den Verein, Finkenau 42, 2000 Hamburg 76.
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.), Aus- und Fortbildung von ausländischen Arbeit-nehmern, maschinenschriftlicher Zwischenbericht 1981. Weitere Untersuchungen des BiB zum Qualifikationsprofil der Ausländer: Hecker u. a., Bildungs- und Beschäftigungssituation ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland, in: BiB, Berichte zur beruflichen Bildung, Heft 30, Berlin 1980; Neumann u. a., Fallstudie zur Praxis der betrieblichen Ausbildung ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland, in: BiB, Berichte zur beruflichen Bildung, Heft 36, Berlin 1981.
Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der BRD, Re-präsentativuntersuchung 1980, herausgegeben vom Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert- Stiftung, 1982; vgl. ferner Bundesministerium für Forschung und Technologie (Hrsg.), Gast-arbeiter in der BRD, Ergebnisse des Forschungsverbundes Probleme der Ausländerbeschäftigung, 1979.
Vgl. BiB (Anm. 40), S. 7.
Vgl. K. Schober, Zur Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland — gegenwärtige Lage und künftige Perspektive, in: MittAB 1/1981, S. 11 f.; dies., Die,,wachsende Minorität Ausbildungs- und Arbeits-marktprobleme der 2. Generation, GewMH 1982, S. 417.
Vgl. Berufsbildungsbericht 1982. S. 86 f.
Vgl. dazu Stat. Jhb der Freien und Hansestadt Hamburg 1981, Tabelle 359.
Vgl. Bürgerschafts-Drucksache 9/4604 vom 4.5.82.
Vgl. die Stellungnahme des Arbeitsrings der Arbeitergeberverbände der Chemieindustrie, der in den Ausländern ein Reservoir für den Facharbeiternachwuchs sieht, da Mitte der 80er Jahre von einem Rückgang der deutschen Auszubildenden auszugehen sei, vgl. FAZ vom 5.7.82.
Rights and permissions
Copyright information
© 1983 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Gunkel-Henning, D., Mayer, U. (1983). Tendenzen der Ausländerpolitik in der BRD und in Hamburg. In: Hamburg-Studien. Jahrbuch für Sozialökonomie und Gesellschaftstheorie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88625-5_14
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-88625-5_14
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-11658-7
Online ISBN: 978-3-322-88625-5
eBook Packages: Springer Book Archive