Zusammenfassung
Der Blick auf die Reformbemühungen der Bundesregierungen um den Aufbau einer politischen Planung offenbart ein Dilemma, das Dilemma nämlich zwischen der theoretisch deutlich belegbaren und praktisch erfahrbaren Notwendigkeit der politischen Planung einerseits und den ebenfalls theoretisch wie praktisch aufweisbaren Schwierigkeiten der Realisierung andererseits. Ein vergleichbares Dilemma zeigt sich auf der verfassungsrechtlichen Ebene, bei der Frage der Regelungsbedürftigkeit der politischen Planung. Für die verfassungspolitische Sicht liegt die Forderung nach ihrer frühzeitigen verfassungsrechtlichen Normierung nahe, um die absehbaren erheblichen Veränderungen im Verfassungsgefüge durch die politische Planung von einem bewußt konzipierten neuen verfassungsrechtlichen Leitbild her mitzusteuern. Die politische Praxis dagegen, die gerade erst die allerersten Schritte für diesen langen Weg in die Tat umsetzt und dabei erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden hat, hält die vorhandenen und derzeit konkret in Aussicht genommenen Instrumente noch nicht reif genug für eine verfassungsrechtliche Regelung. Der notwendigerweise weit ausgreifende Horizont von Planungstheorie und Verfassungspolitik einerseits und die Restriktionen, die die politische Praxis und die praxisberatende Wissenschaft solchen Überlegungen andererseits entgegenstellen — dieser Spannungslage folgt auch die Gliederung der folgenden Ausführungen: Nach einem ersten einleitenden Teil über die Problemstellung und die Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Planungsinstrumentariums wird anschließend das Dilemma der politischen Planung zwischen gesellschaftspolitischer Notwendigkeit (II.) und Realisierungsschwierigkeiten (III.) behandelt und abschließend die verfassungsrechtliche Problematik erörtert (IV.).
Die Ausführungen gehen zurück auf den gleichnamigen Aufsatz des Verfassers in: Der Staat, Bd. 12 (1972), S. 459 ff.
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Anmerkungen
Die Entwicklung in der Bundesrepublik und der Zusammenhang von Planung und Krise sind schon häufig dargestellt worden. Hier wie auch im folgenden kann es nicht um einen auch nur annähernd vollständigen Nachweis der umfangreichen Planungsliteratur gehen. Statt dessen wird häufig auf das die Literatur umfassend verarbeitende Buch von K. Lompe, Gesellschaftspolitik und Planung, 1971, verwiesen (im vorliegenden Zusammenhang s. S. 46–57). Wichtige Literatur findet sich auch in den Sammelbänden von J. Kaiser, Planung I—VI, 1965–1972; V. Ronge-G. Schmieg, Politische Planung in Theorie und Praxis, 1971; B. Schäfers, Soziologische Theorie der Planung, angekündigt bei Enke, Stuttgart; H. Krauch, Systemanalyse in Regierung und Verwaltung, 1972. Ein umfassender Literaturbericht (bis 1969) ist enthalten bei D. Oberndörfer—C. Lutz, Politische Planung, in: Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, Bonn 1969 (unveröffentl.), Bd. 2, S. 315 ff.
Eine eingehende begriffliche Abgrenzung und sachliche Umschreibung von Aufgabenplanung und Finanzplanung innerhalb eines umfassenden Bezugsrahmens gibt jetzt E.-W. Böckenförde, Planung zwischen Regierung und Parlament: Der Staat, Bd. 11 (1972), S. 437 ff.
Eine ausführliche Analyse enthält K. Schmidt-E. Wille, Die mehrjährige Finanzplanung. Wunsch und Wirklichkeit, 1970: Darstellung der ersten 3 Jahre Finanzplanung, S. 48 ff., Zusammenfassung der Mängel, S. 71 ff. Grundsätzliche Kritik bei F. Naschold, Anpassungsplanung oder politische Gestaltungsplanung, in: Parlamentarismus ohne Transparenz, hrsg. v. W. Steffani, 1971, S. 79 ff.Zur Beurteilung der Finanzplanung durch die politische Praxis vgl. R. Jochimsen, Planung im staatlichen Bereich: Bulletin der Bundesregierung Nr. 113 v. 23. 7. 1971, S. 1237 f., 1241 f.; H. Ehmke, Planung im Regierungsbereich. Aufgabe und Widerstände: ebenda Nr. 187 v. 16. 12. 1971, S. 2029, 2034 (dort auch das erwähnte Beispiel).
Die Bestandsaufnahme beruht im wesentlichen auf den Darstellungen von Ehmke, a.a.O. (Anm. 3), und Jochimsen, a.a.O. (Anm. 3), sowie Jochimsen, Zum Aufbau und Ausbau eines integrierten Aufgabenplanungssystems und Koordinationssystems der Bundesregierung: Bulletin der Bundesregierung Nr. 97 v. 16. 7. 1970, S. 949 ff. (auch in Ronge-Schmieg [s. Anm. 1], S. 184 ff.).
Die Einrichtung von Planungsbeauftragten beruhte auf einer Empfehlung der Ende 1968 eingesetzten Projektgruppe für Regierungs-und Verwaltungsreform, deren »Erster Bericht…« (vgl. Anm. 1) wichtige Impulse für die praktischen Reformbemühungen gab.
Vgl. zum internen Arbeitsprogramm Ehmke, a.a.O. (Anm. 3), S. 2032 ff.
Vgl. F. Tenbruck, Art. »Planung«, in: Staatslexikon, Bd. 10, Sp. 886 ff., 890 ff., und ders., Zu einer Theorie der Planung, in: Wissenschaft und Praxis, Festschrift zum 20jährigen Bestehen des Westdeutschen Verlags, 1967, S. 122 ff.Beide Arbeiten sind — teilweise in neuer Fassung — eingegangen in die neueste Veröffentlichung von Tenbruck, vgl. dazu ders., Zur Kritik der planenden Vernunft, 1972, S. 17 ff., 141 ff. Zur sozialhistorischen Kontinuität von Planung, die jedoch eine neue Dimension und eine gewandelte Qualität in der Gegenwart nicht ausschließt, ausführlich E.-W. Böckenförde, Planung zwischen Regierung und Parlament (Anm. 2), S. 429 ff.
Tenbruck, Art. »Planung«, a.a.O., Sp. 892.
Eine plastische Schilderung am Beispiel der Automobilindustrie gibt J. K. Galbraith, Die moderne Industriegesellschaft, 1968, S. 24 ff. — Dazu und zum folgenden Text H. Klages, Planungspolitik, 1971, S. 37 ff., sowie Ronge, Politökonomische Planungsforschung, in: Ronge-Schmieg, a.a.O. (Anm. 1), S. 139 f., und J. Hirsch, Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und politisches System, 1970, S. 48 ff., 55 ff.
Dieser historische Erklärungsversuch und Aufweis von Entwicklungszusammenhängen zwischen privaten und öffentlichen Planungen darf nicht als normative Aussage über die Bestimmung ihres Verhältnisses mißverstanden werden.
Tenbruck, Zu einer Theorie der Planung (Anm. 7), S. 131 ff. Eine gewisse Modifizierung dieser Auffassung deutet sich in Tenbrucks neuester Veröffentlichung, Zur Kritik der planenden Vernunft (Anm. 7), S. 53–55 an, in der die nicht mehr allein durch Anpassung zu lösenden Abstimmungsprobleme zwischen den verschiedenen Planungsträgern herausgestellt wer-den, ohne daß sie aber näher ausgeführt oder die frühere Auffassung ausdrücklich aufgegeben würde.
Zur Auseinandersetzung mit Tenbruck vgl. Ellwein, Politik und Planung, 1968, S. 45 ff.; Klages, a.a.O. (Anm. 9), S. 69 ff.; Lampe, a.a.O. (Anm. 1), S. 110 f.
Zu den frühen Befürwortern einer bewußten Zukunftsorientierung zählen Ellwein, Politik und Planung, passim, insbes. S. 10 ff., 14 f.; Ders., Regierung und Verwaltung, Teil 1, 1970, S. 93 ff., 213 ff., und H. Flohr, Parteiprogramme in der Demokratie, S. 88 ff., 100 ff. Zusammenfassende neuere Begründungen bei Klages, a.a.O. (Anm. 9), S. 9, 52 ff., und Lampe, a.a.O. (Anm. 1), S. 135–164, dort auch Nachweise über die Aufnahme der Forderung nach konzeptioneller Politik in der politischen Praxis, S. 19 ff.; 103, 273 ff.
Zum Zusammenwachsen traditionell getrennt wahrgenommener Aufgaben und zur Nichtisolierbarkeit von Aufgaben voneinander, ausführlich Lompe, a.a.O. (Anm. 1), S. 153 ff., und zur Entwicklung der Sozialpolitik zur Gesellschaftspolitik, S. 119 ff., 135 ff.; außerdem Th. Ellwein, Politik und Planung, 1968, S. 42 ff., und ders., Einführung in die Regierungs-und Verwaltungslehre, 1966, S. 48 ff.
So die Formulierung von Jochimsen, a.a.O. (Anm. 4), S. 954. Die auf die praktischen Reformbemühungen bezogenen Beiträge von Jochimsen und Ehmke (vgl. Anm. 3 und 4) sind Beispiele für die vorwiegend an den Koordinationsbedürfnissen der Entscheidungsprozesse ansetzende Sicht. Vgl. auch zu diesem Aspekt Ellwein, Regierung und Verwaltung (Anmerkung 13), S. 75 ff., 79 f.
Vgl. Ronge (Anm. 1), S. 145 f., im Anschluß an S. Leibfried—M. Quilisch, Planung im Sozialstaat, in: Atomzeitalter 1967, S. 553 f., und Hirsch, a.a.O. (Anm. 9), S. 55 ff., 109 f.
Unter »national goals« werden die langfristigen gesellschaftlichen Werte verstanden, die einerseits aus den »letzten« übergeordneten kulturspezifischen Werten abgeleitet werden und die andererseits noch durch politische Entscheidungen in durch Programme realisierbare operationale Zielvorgaben konkretisiert werden müssen; vgl. dazu B. Rürup, Die Programmfunktion des Bundeshaushaltsplanes, 1971, S. 62 f. 67 ff., und C. Böhret, Entscheidungshilfen für die Regierung, 1970, S. 83–89. — Zur US-»Commission an National Goals« von 1960 und zum »National Goals Research Staff« von 1969 Rürup, a.a.O., S. 71 f., und Klages, a.a.O. (Anm. 9), S. 47.
Planungstheoretisch setzt dies den wichtigen Schritt zu einem erweiterten Planungsbegriff voraus, der nicht nur den optimalen Mitteleinsatz bei vorgegebenen Zwecken faßt, sondern auch Zielfindung als Objekt von Planung anerkennt. Zu den damit zusammenhängenden planungstheoretischen Fragen vor allem R. Vente, Planung wozu?, 1969, S. 93 ff.
Lompe, Gesellschaftspolitik und Planung (Anm. 1), S. 156 ff. und S. 224 ff. (zur Zielsetzung), und Klages, a.a.O. (Anm. 9), S. 9, 52 ff., 99 ff., 105 f. (dort wird aktive umfassende Planung als ein gesellschaftspolitisches Leitprinzip bezeichnet, das in die Mitte zwischen »Liberalismus« und »Sozialismus« treten kann).
Leibfried-Quilisch, a.a.O. (Anm. 16), S. 558; Lompe, a.a.O. (Anm. 1), S. 162, dort auch die Charakterisierung als Politik des geplanten sozialen Wandels, S. 156 ff.
A.a.O. (Anm. 1), S. 161. — Auch Ellwein, Politik und Planung (Anmerkung 12), S. 40 f., spricht der politischen Planung in der Regel Dominanz gegenüber dem Tun privater Planungsträger zu, weil sie über die grundlegenden Ziele entscheiden und damit zugleich den Rahmen für Planungen anderer festsetze bzw. festsetzen könne, wenn die Intensität politischer Führung entsprechend gesteigert wird, a.a.O., S. 55, und die Grundthese von ders., Regierung und Verwaltung (Anm. 13), passim.
So gerade im zentralen Abschnitt »Politische Planung und Pluralismus», a.a.O. (Anm. 1), S. 140 ff., speziell in der Auseinandersetzung mit Tenbruck S. 110, aber auch S. 166 ff. — Umfassende Planung wird sozusagen mit der Unmöglichkeit des Gegenteils begründet.
Leibfried-Quilisch, a.a.O. (Anm. 16), S. 552–554; H. Harnischfeger, Planung in der sozialstaatlichen Demokratie, 1969, S. 30 ff.; Lompe, a.a.O. (Anm. 1), S. 75–89 m. weit. Nachw.
So Leibfried-Quilisch, a.a.O., S. 552.
A.a.O. (Anm. 1), S. 83 f, im Anschluß an K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. 1972, S. B.
H. Ehmke, »Staat» und »Gesellschaft» als verfassungstheoretisches Problem, in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, Festgabe für R. Smend, 1962, S. 25 f., und ders., Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 3 ff.
Lompe, a.a.O., S. 83.
Dazu Naschold, Anpassungsplanung oder politische Gestaltungsplanung, a.a.O. (Anm. 3), S. 85–88, und ders., Probleme der mehrjährigen Finanzplanung, in: Ronge-Schmieg (Anm. 1), S. 182 f. Allgemein zu den Wechselwirkungen zwischen politischer Planung und Konsens/Konfliktsprozessen F. Scharpf, Planung als politischer Prozeß: Die Verwaltung 4 (1971), S. 20 ff.
Grundsätzlich dazu Scharpf, a.a.O., S. 25 ff., S. 29.
Mit Ausnahme von Scharpf, a..O., S. 28 ff., der daraus die Folgerung zieht, daß innovative Politik zu einem erheblichen Teil auf Krisendruck angewiesen und zur Krisenausnutzung in der Lage sein muß. — Bei Lompe bleibt die zustimmende Anführung der Angewiesenheit der politischen Planung auf nichtsteuerbare Prozesse folgenlos, a.a.O., S. 152, FN 42.
Vorausgesetzt ist dabei, daß sich Aufgabenplanung nicht auf das Aufstellen von Prognosen beschränkt, sondern Ziele nennt, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erreicht werden sollen, und die dazu geeigneten Programme umschreibt.
Zum systemtheoretischen Modell gesellschaftlicher Differenzierung, das das politische System als Untersystem der Gesamtgesellschaft neben anderen Untersystemen wie Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Familie versteht, grundlegend N. Luhmann, Grundrechte als Institution, 1965, S. 14 ff., 186 ff.; ders., Gesellschaftliche und politische Bedingungen des Rechtsstaats, in: ders., Politische Planung 1971, S. 53 ff.; ders., Wirtschaft als soziales System, in: ders., Soziologische Aufklärung, 1970, S. 204 ff., insbes. 208 ff., 217 ff., 223 f.
Die Formulierung langfristiger kohärenter Gesamtkonzepte erscheint so eher als Aufgabe von Wissenschaft und von Langzeitprogrammen von Parteien als von staatlichen Instanzen.
Grundrechte als Institution, S. 14 ff., 23, 96 und, zusammenfassend, S. 186 ff., 196 ff.; dazu auch A. Podlech, Grundrechte und Staat: Der Staat 6 (1967), S. 341 ff.
Als prinzipielles Argument bedarf diese Feststellung der Konkretisierung. Der Verweis auf die gesamtgesellschaftliche Differenzierung ist dabei nicht ein theoretisches Kürzel für eine Abbildung des Status quo; dies zeigt schon der Bezug auf die Grundrechte und die aus ihnen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu entnehmenden Gestaltungsspielräume, die Reformen und Veränderungen in erheblichem Umfang ermöglichen. Andererseits macht die funktionale Grundrechtstheorie auf ein bislang ungelöstes Problem aufmerksam, nämlich auf das Verhältnis der Sozialisierungsermächtigung des Art. 15 GG, und der Aufrechterhaltung gesamtgesellschaftlicher Differenzierung: Ermächtigt Art. 15 GG zur Aufhebung der funktionalen Differenzierung oder ergeben sich umgekehrt Grenzen für Art. 15 GG aus dem Gebot der Aufrechterhaltung von sozialer Differenzierung als »Wesensgehalt« der Grundrechte?
Mit anderen Worten: Die Alternative, ob staatliche Planungen in der Regel primäre oder sekundäre Planungen sind, läßt sich pauschal nicht beantworten.
Beide Elemente zusammen — und nicht nur der Aspekt der Funktionenbeschränkung — kennzeichnen das Modell der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft in neueren Darstellungen; vgl. dazu E.-W. Böckenforde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: Rechtsfragen der Gegenwart, Festgabe für Wolfgang Hefermehl, 1972, S. 11–36, und R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 145–152, und insgesamt dazu S. 118 ff. (zur Charakterisierung des Staates als »potente Korrektivfunktion«, S. 143). Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Staat-Gesellschaft-Modell ist hier nicht möglich. Im vorliegenden Zusammenhang liegt seine nicht zu unterschätzende Bedeutung darin, daß es den Gedanken der Differenzierung festhält und in eine juristische Form bringt. Die Schwäche des Modells liegt andererseits — und das hat schon Luhmann, Grundrechte als Institution (Anm. 32), S. 29 ff., festgestellt — in der Undifferenziertheit des Konzepts »Gesellschaft«, in der abstrahierenden Zusammenfassung unterschiedlich strukturierter Untersysteme. Das Ausmaß an Eingriffsverboten des Staates, die gegenüber der individuellen Sphäre der persönlichen Daseinsgestaltung ihren unbezweifelbaren Sinn hat, gerät so leicht zum Maßstab für ganz anders geartete Verhältnisse, etwa zwischen Staat und wirtschaftlichem System.
A.a.O. (Anm. 37), S. 24 f., auch S. 23.
Vgl. die Erwägung a.a.O., S. 29 f., wo ein Abweichen von diesem Prinzip als das Ende der im liberalen Zeitalter begonnenen Trennung von staatlicher Macht und Wirtschaftsmacht verstanden wird; vgl. auch den Verweis auf H. Heller, Staatslehre, 1934, S. 137 f., für den ein »Auseinander-klaffen von politischer und gesellschaftlicher Macht ein Zustand (ist), dem Dauer nicht beschieden ist«, der also die gesellschaftliche Differenzierung nicht als strukturelle Voraussetzung akzeptiert.
J. Bergmann, G. Brandt, K. Körber, E. Mohl, C. O f f e, Herrschaft, Klassenverhältnis und Schichtung, in: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft, hrsg. v. Th. W. Adorno, 1969, S. 80 ff.
Darauf weist zu Recht hin D. Suhr, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit: Der Staat 9 (1970), S. 77 f.; vgl. allgemein dazu R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 131 ff.
Jochimsen, a.a.O. (Anm. 3), S. 1236 f., 1242. Das vollständige Schema derFunktionen staatlichen Handelns umfaßt die Ordnungsfunktion, die Funktionsfunktion und drei weitere Funktionen, die auf die Erreichung von Leistungszielen abstellen, nämlich die Dienstleistungs-, die Redistributions-und die Entwicklungsfunktion.
So die Formulierung von Jochimsen, a.a.O., S. 1237.
Böckenförde, a.a.O. (Anm. 37), S. 26 ff., unter Aufnahme des Begriffs »Komplementärfunktion« von E. Forsthof f, Von der sozialen zur technischen Realisation: Der Staat 9 (1970), S. 151 ff.; ders., Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 43 ff. Vgl. auch Ronge (Anm. 1), S. 146 bis 149.
Zur »Wachstumsvorsorge«, deren Stilisierung zum Verfassungsauftrag eine erstaunlich erfolgreiche Karriere gehabt hat, H. P. Ipsen, Diskussionsbeitrag: VVDStRL Heft 24 (1966), S. 222, und ders., Rechtsfragen der Wirtschaftsplanung, in: J. Kaiser (Hrsg.), Planung II (vgl. oben Anm. 1), S. 87. — Für die künftig wohl wichtigere Aufgabe der Wachstumsdisziplinierung steht die allgemeine Anerkennung dagegen noch aus.
Zur beschränkten Regelungskapazität der mehrjährigen Finanzplanung vgl. Naschold, Anpassungsplanung oder politische Gestaltungsplanung (Anm. 3), S. 95–101, dessen Analyse die im Titel gestellte Frage im Sinne der 1. Alternative beantwortet, a.a.O., S. 99. Vgl. auch LeibfriedQuilisch (Anm. 16), S. 554 ff., zum »Anlehnungsbedürfnis« staatlicher Regulierung.
Ähnlich könnte Strukturpolitik die gesteigerten und überproportionalen sozialen Folgekosten von Investitionen in Ballungsräumen durch Folgekostenbeiträge teilweise zum Bestandteil des Investitionsvorgangs machen.
Es bleibt abzuwarten, ob die derzeitige Diskussion um die »Qualität des Lebens« als richtungsweisendem Wert eine solche Umorientierung bewirkt, vgl. dazu den gleichnamigen Beitrag von Minister Eppler im Bulletin der Bundesregierung Nr. 52 v. 12. 4. 1972, S. 730 ff. Zur »quality of individual life» vgl. die Bellagio Declaration an Planning, in: E. Jantsch (Hrsg.), Perspectives of Planning, OECD-Publication, Paris 1969, S. 7.
Sie fordern Ronge-Schmieg in ihrem Einleitungsaufsatz, in: dies., a.a.O. (Anm. 1), S. 20 ff. Der im Beitrag von Ronge, a.a.O., S. 137 ff., zum Ausdruck kommende Pessimismus hinsichtlich der Durchsetzungschancen von politischer Planung ist jedoch überscharf, da er politische Planung am Konzept eines im einheitlichen Interesse und von einem einheitlichen Subjekt getragenen Prozeß mißt.
Dazu und zum folgenden F. Scharpf, Komplexität als Schranke der politischen Planung, in: Gesellschaftlicher Wandel und politische Innovation, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 4, 1972, S. 168 ff.
Vgl. Scharpf, a.a.O., S. 179.
Scharpf, Planung als politischer Prozeß (Anm. 28), S. 18 f.
Zur Gegenüberstellung von positiver und negativer Koordination vgl. Scharpf (Anm. 50), S. 173 ff., mit Anm. 22; Jochimsen (Anm. 4), S. 950, 952.Zu den Zahlenbeispielen vgl. Scharpf, a.a.O., S. 175 ff. Die Zahl der möglichen Relationen ergibt sich für die positive Koordination aus der Formel n(n— 1) a2, wobei n die Zahl der Entscheidungsbereiche und a die Zahl der zur Disposition stehenden Alternativen meint; dagegen errechnet sich die Vergleichszahl für die negative Koordination aus der Formel (n— 1) a.
Zum Konzept der «bounded rationality« vgl. H. A. Simon, Models of Man., Social and Rational, 1957, S. 196 ff., 200 f., 261 ff., 272 f.; ders., Administrative Behavior, 1961, S. 38–40, 80 f., 240–244, und zusammenfassend zu diesem «offenen« Modell der Entscheidungstheorie W. Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. 1, 1970, S. 64 ff. In der Verwaltungswissenschaft ist dieses Modell in Luhmanns Konzept der »brauchbaren Entscheidung« rezipiert, vgl. ders., Kann die Verwaltung wirtschaftlich handeln?: Verw. Arch. 51 (1960), S. 97 ff., 105 ff.
Ober erste Erfolge und offene Probleme dieses Projekts orientiert der Zwischenbericht von Fach, Friend, Hickling, Scharpf, Schunck, Stringer, Juni 1972 (unveröffentlicht).
Die Regelungsbedürftigkeit der politischen Planung ist im Text vorausgesetzt und wird nicht noch einmal ausführlich begründet. Das gleiche gilt für den heute weitgehend geteilten Grundsatz, daß das Parlament über die bloße Informierung hinaus an Planungen zu beteiligen ist; vgl. zu beidem die umfassende Diskussion und eingehende Begründung bei E.-W. Böckenförde (Anm. 2), S. 443 ff.; außerdem K. Stern, Rationale Infrastrukturpolitik und Regierungs-und Verwaltungsorganisation, in: Grundfragen der Infrastrukturplanung für wachsende Wirtschaften, hrsg. v. R. Jochimsen und U. Simonis, 1971, S. 69 ff.; R. Wahl, Die politische Planung in den Reformüberlegungen der Bundesregierung: DCV 1971, S. 42 ff., sowie als frühe Verfechter einer effektiven Mitwirkung des Parlaments Leib friedQuilisch (Anm. 16), S. 614 ff., und Harnischfeger (Anm. 23), S. 87 ff., die jedoch zu unrecht die Gesetzesform als ausschließliche oder vorherrschende Form der parlamentarischen Mitwirkung bei Planungen ansehen.
Die Enquetekommission für Verfassungsreform wurde durch Beschluß des Bundestags v. B. 10. 1970 (Dt. Bundestag, 6. Wahlperiode, 70. Sitzung, Stenogr. Berichte Bd. 73, S. 3893–96) eingesetzt. Zu ihrem Auftrag vgl. die Ausführungen ihres Mitglieds W. Kewenig, Verfassungsreform — ein Beruf unserer Zeit?: DCV 1971, S. 524 ff.
Vgl. dazu die ausführliche Darstellung im »Zwischenbericht der Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform gemäß Beschluß des Deutschen Bundestags« — BT-Drucks. VI/3829 v. 21. 9. 1972, S. 45 ff.
Dieser Zusammenhang ist bisher vor allem im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Parlamente durch die Bund-Länder-Abstimmungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben diskutiert worden: H. Liesegang-R. Plöger, Schwächung der Parlamente durch den kooperativen Föderalismus?: DCV 1971, S. 232 ff.; H. Liesegang, Die Beteiligung der Parlamente bei der Aufstellung von Plänen durch die Exekutive: Zs. f. Parlamentsfragen 3 (1972), S. 162 ff. Gegen die Annahme einer Schwächung der Parlamente, aber nicht überzeugend: R. Goroncy, Gemeinschaftsaufgaben und Parlamente: ZRP 1972, S. 61 ff.
Es scheint, daß die Enquetekommission den Lernprozeß zu wiederholen hat, den ihr jetziger Kritiker, Jochimsen, durchzumachen hatte, der ursprünglich ebenfalls einen umfassenden (Bundesentwicklungs-)Plan für möglich hielt, vgl. Jochimsen, Für einen Bundesentwicklungsplan, Die neue Gesellschaft, 1969, S. 237 ff.
Vgl. dazu den »Zwischenbericht« der Enquetekommission für Verfassungsreform — BT-Drucks. VI/3829 v. 21. 9. 1972, S. 45 ff., und die Referate von J. A. Frowein und I. v. Mönch auf der Staatsrechtslehrertagung 1972 in Salzburg zum Thema: «Gemeinschaftsaufgaben im Bundesstaat« (dieLeitsätze der Referenten sind enthalten in den Berichten von G. Schwerdtfeger und K. Lange in: DCV 1972, S. 772 ff., und DVB1. 1972, S. 914 ff.; vgl. außerdem den Bericht von R. Grawert in: AöR, Bd. 98 (1973), S. 103 ff.Aus der umfangreichen neueren Literatur: F. Rietdorf, Die Gemeinschaftsaufgaben — ein Schritt zur gemeinsamen Aufgabenplanung von Bund und Ländern?, DUV 1972, S. 513 ff.; U. Scheuner, Kooperation und Konflikt. Das Verhältnis von Bund und Ländern im Wandel: DCV 1972, S. 585; Th. Oppermann, Gemeinsame Bildungs-und Forschungsfinanzierung durch Bund und Länder nach Art. 91 b und Art. 104 a GG: DCV 1972, S. 591 ff.; J. Kölble, Reform der Gemeinschaftsaufgaben: DVB1. 1972, S. 701 ff.
Die Quersdhnittsfunktionen sind getrennt zu organisieren, weil sie mit fast allen Bereichen Interdependenzen haben, vgl. Scharpf (Anm. 50), S. 185 mit Anm. 48.
Zum laufenden Projekt einer Gesamtproblemanalyse vgl. oben I.1 Bleibende Aufgabe einer solchen Problemanalyse ist es, den langfristig relevanten Problemhorizont abzustecken, Sensibilität für wichtige Entwicklungen und für neue Aufgaben auszubilden und von daher die laufenden Planungen in ihren Grundannahmen zu korrigieren.
In der sozialwissenschaftlichen Planungstheorie, in der die Flexibilität und der iterative Charakter von Planung sowie die Notwendigkeit zur jeder-zeitigen Rückkoppelung zu Recht betont wird, ist häufig eine Tendenz enthalten, überhaupt jede Fixierung in formulierten Plänen als unvereinbar mit der Eigenart der Planung als Prozeß zurückzuweisen. Dabei wird übersehen, daß aus den Gesichtspunkten der Zurechnung, Verantwortung und Kontrolle Abstriche am optimalen Planungsprozeß und gewisse Festlegungen erforderlich sind.
Zur »Planbindung« als die der Flexibilität und dem Strategiecharakter der Planung angemessene Form der Normativität grundsätzlich Böckenförde (Anm. 2), S. 449, 454.
Vgl. dazu ausführlich Böckenförde, a.a.O., S. 447 ff., 453 f.
Gemeint sind Ziel-und Programmalternativen, nicht prognostische Alternativen über den wahrscheinlichen Verlauf von faktischen Handlungsabläufen; dazu in einem anderen Zusammenhang Schmidt-Wille (Anm. 3), S. 87 ff. — Zwischen prognostischen Alternativen sollte nicht das Parlament, sondern die Regierung entscheiden.
Einen ersten Versuch, durch Gesetz bestimmte Planungsbereiche in ein besonderes Planungsverfahren zwischen Regierung und Parlament einzubeziehen, unternimmt der Entwurf eines Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Regierungsplanung der CDU-Fraktion im nordrh: westfäl. Landtag, vgl. LT-DrS. 7/1518; zu weitgehend ist es, daß im ersten Anlauf nahezu die gesamte Staatstätigkeit einbezogen werden soll. Zu diesem Entwurf und vergleichbaren Vorschlägen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft und in Berlin, vgl. die Berichte von U. Thaysen und R. Schäfer, in: Z. f. Parlamentsfragen 3 (1972), S. 176 ff., 182 ff.
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Wahl, R. (1973). Notwendigkeit und Grenzen langfristiger Aufgabenplanung. In: Rehbinder, M. (eds) Recht im sozialen Rechtsstaat. Kritik, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88217-2_12
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