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Raumentwicklung, Wirtschaftsbewegung und die Wirkungen der Krise in Frankreich

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Zusammenfassung

Frankreich war noch Mitte des 19. Jahrhunderts die zweitgrößte Industriemacht Europas. Schon damals war seine bis in die Gegenwart fort-erhaltene wirtschaftsräumliche Grundstruktur entstanden: Paris als Zentrum politischer und ökonomischer Herrschaft und überragende Ballung der weiterverarbeitenden Industrie; ein von Schwer-, Textil- und einigen spezielleren Industrien bestimmter Gürtel von der Kanalküste über Lothringen und das Elsaß bis zum Raum Lyon-St. Etionne-Le Creusot; die agrarische und kleingewerbliche Provinz Zentral-, Süd- und Westfrankreichs. Nach 1871 fiel das Land ökonomisch beträchtlich zurück und machte im Schutz von Zollmauern eine stark auf die Kolonien bezogene eher langsame Wirtschaftsentwicklung durch. Erst die Öffnung zu EWG und Weltmarkt und der damit verbundene Verlust des geschützten Binnen-und Kolonialmarktes seit 1958 — von der Gaullistischen Staatsbürokratie gegen den Widerstand des bis dahin vorherrschenden mittelständischen Unternehmertums und zum Nutzen und zur Vorherrschaft von Großkonzernen der Wachstumsindustrien und der Finanzwelt durchgesetzt — brachte dem Land rasche wirtschaftsstrukturelle Veränderungen. Von den 60er bis Mitte der 70er Jahre erreichte die französische Wirtschaft nach Japan die höchsten Wachstumsraten der westlichen Welt — aber es wurde auch wie kein anderes großes kapitalistisches Land von ausländischen Waren und Kapitalen durchdrungen und behielt erhebliche Strukturschwächen bei. Das hängt mit drei Besonderheiten zusammen:

  1. 1.

    Mehr als in vergleichbaren kapitalistischen Ländern stehen sich eine Welt moderner Großkonzerne und kleinbetrieblicher Wirtschaft gegenüber:

    • In der Landwirtschaft reicht die Palette von einer Minderheit moderner Betriebe mit relativ hohem Einkommen und Produktionsleistungen, vor allem im Pariser Becken, bis zur Masse der eher ärmlichen Kleinbauernhöfe mit Subsistenzwirtschaft im Süden und Westen. Der Anteil der Bauernschaft an der Bevölkerung ist trotz rapiden Abbaus seit den 60er Jahren erheblich größer als in allen vergleichbaren europäischen Industrieländern.

    • Der sogenannte Dienstleistungssektor war an Beschäftigten schon immer größer als der sekundäre Sektor. Er hat diesen heute auch leistungsmäßig überflügelt und wächst ständig weiter. Noch heute herrschen hier die eher archaischen Gewerbeformen vor: Kleinbetriebe des Handels, des Handwerks und der persönlichen Dienstleistungen, in denen noch wie vor 50 Jahren gewirtschaftet wird, beherrschen noch das Feld, obwohl immer mehr von ihnen aussterben. Daneben wachsen die modernen sogenannten betrieblichen Dienstleistungen, die staatlichen Institutionen, die hochkonzentrierte Bank- und Versicherungswirtschaft und der großbetriebliche Einzelhandel rasch an.

    • Die Industrie ist geprägt vom Gegensatz zwischen modernisierten und vielfältig verflochtenen Konzernen vor allem im Produktionsgüter- und Transportmittelsektor und einem rückständigen Bereich kleinbetrieblicher Zuliefer-, Bau- und Konsumgüterindustrien.

  1. 2.

    Stärker als bei vergleichbaren Ländern beruht seine Weltmarktposition zunächst auf Produkten schwacher Wirtschaftsbereiche: Nahrungsmittel, Textilien und Lederwaren. Von wachsender Bedeutung, aber nicht tragend, ist der Export von Waren vereinzelter dynamischer “Wettbewerbs-Pole”: vor allem Fahrzeugbau, Spezial-Chemie, Glasindustrie, Rüstungswirtschaft. Zugleich ist die französische Wirtschaft vom Import wichtiger, im Inland nicht produzierter Produktionsgüter abhängig. Frankreich hat also ein lückenhaftes Industrienetz; in wichtigen Bereichen sind keine zusammenhängenden Produktionsketten vom Vorprodukt bis zur Fertigware entstanden.

  2. 3.

    Das hängt vor allem mit der spezifischen Form von Wirtschaftskon-zentration und -modernisierung zusammen: Sie beschränkte sich fast ausschließlich auf den Bereich der Produktions- und Transportmittelindustrie und Teile der Zwischengüterindustrie — zurück blieben vor allem fast die gesamte Konsumgüterindustrie und die enorme Zahl von Klein- und Mittelindustrien. Die Regierung förderte dies systematisch in der Hoffnung auf eine Erneuerung und Komplettierung der nationalen Industriestruktur durch der ausländischen Konkurrenz vergleichbare Großkonzerne. Tatsächlich fanden sich große Unternehmensgruppen zusammen, aber sie sind überwiegend Finanz-Konglomerate: Es entstanden kaum integrierte Produktionskomplexe: Profitable Produktionsteile dieser Konzerne werden modernisiert und konzentriert, weniger profitable Bereiche stillgelegt.

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Jürgen Friedrichs Hartmut Häußermann Walter Siebel

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© 1986 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Neef, R. (1986). Raumentwicklung, Wirtschaftsbewegung und die Wirkungen der Krise in Frankreich. In: Friedrichs, J., Häußermann, H., Siebel, W. (eds) Süd-Nord-Gefälle in der Bundesrepublik?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87757-4_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-87757-4_8

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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