Zusammenfassung
In ihrer verblüffenden Drastik ist die im Titel zitierte Kindsmordphantasie für Hölderlins Roman sicherlich singulär. Immerhin jedoch findet sich ein der Geste des An-den-Felsen-Schleuderns analoges Bild, wenn Hyperion in aggressiv-verächtlichem Ton hinsichtlich der »Leidensfreien« anmerkt, niemand würde sich ereifern, »daß der hohle Topf so dumpf klingt, wenn ihn einer an die Wand wirft«. (I,69) Im Empedokles wird dann von Panthea, die doch über jeden Verdacht auf aggressive Impulse erhaben scheint, ein vergleichbar grauenhaftes Tötungsphantasma geäußert. Nachdem ihr Heiler, vom Bann gezeichnet, die Stadt verlassen hat, argwöhnt sie: »Erhascht der feigen Jäger einer dich,/ Zerschlägt am Felsen dir dein sterbend Haupt« — eine Phantasie, die derjenigen, daß er »erschlagen auf dem Wege liege«1 hinzugefügt wird und sie ohne Not noch überbietet.
»Ich sehe ein Kleinkind irgendwo […] und ich habe nur einen Gedanken, dieses Kind an den Fesseln zu packen und es durch die Luft mit dem Kopf mit aller mir möglichen Wucht immer wieder über die Tischkante zu schlagen.[…] aus dem Weltraum [dringen] Teilchen von hoher Energie, die ich in Kaskaden auf mich herunterkommen sehe, […] ein in mich und vereinigen sich in mir mit den Atomen meines Körpers zu einem kosmischen Tanz von Energie.«Rainald Goetz,Der Attentäter
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Weilnböck, H. (1998). »wie an den Füßen ein Kind, ergriffen und an die Felsen geschleudert« Die Gewaltthematik in Hölderlins Hyperion in beziehungsanalytischer Perspektive. In: Bay, H. (eds) Hyperion — terra incognita. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87304-0_6
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