Zusammenfassung
Die von Vladimir Skalicka formulierte Theorie der Sprachtypen gehört zu den wichtigen Leistungen der Prager linguistischen Schule. Als ein Schüler von Vilém Mathesius knüpfte Skalička schon in den dreissiger Jahren an dessen Konzeption der Charakteristik der Sprachen an (V. Mathesius, On Linguistic Characterology, Actes du 1er Congrès internat, des linguistes à la Haye, Leiden 1930, 56–63), kombinierte diese Methode mit einer systematischen Ausnützung der Ergebnisse der klassischen Typologie — Humboldt, Finck bis Sapir — und formulierte den Begriff des Sprachtyps als eines Extrems, das in den wirklichen Sprachen nur zu einem gewissen Grad realisiert werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt hat er die grammatischen Strukturen von vier Sprachen (Ungarisch, Finnisch, Tschechisch und Türkisch: 1935) miteinander konfrontiert, wobei er eine einheitliche Methode benutzte, zu deren Bestreben es auch gehörte, die hauptsächlichen Begriffe der Theorie eindeutig zu definieren.
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Anmerkungen
Diese Annahme wird im Aufsatz Über den gegenwärtigen Stand der Typologie korrigiert: in den in der Anm. 1 angeführten Arbeiten haben wir versucht, die typologische Sprachentwicklung mit der Entwicklung der Gesellschaft zu verknüpfen mittels einer Hypothese, die auch Skaličkas Parallele zwischen der Entwicklung des Sprachtyps und der Literatur in einem bestimmten Aspekt erklären könnte; vgl. darüber noch unten.
Vgl. schon die Definition des Begriffes Typ in der 1935 publizierten Studie über die ungarische Grammatik.
Vgl. P. Sgall On the Notion “Type of Language”, Travaux linguistiques des Prague 4, 1971, 75–87.
H. Steinthal Die Classification der Sprachen, Berlin 1850; ders. Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des menschlichen Sprachbaues, Berlin 1860; F. Misteli Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprachbaues, Berlin 1893 (Neubearb. des Werkes von Steinthal.
S. einerseits sein Buch Der deutsche Sprachbau als Ausdruck deutscher Weltanschauung, Marburg 1899, in dem er — ähnlich vie F. Schlegel und H. Steinthal in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — psychologisch wesentliche Gattungen dort sah, wo Wilhelm von Humboldt nur graduelle Unterschiede gefunden hatte; andererseits sieht Finck in seinen späteren Arbeiten schon das eigentliche Objekt der Typologie in einer nüchternen Analyse relevanter Erscheinungen, s. seine Aufgabe und Gliederung der Sprachwissenschaft, 1905, bes. S. 44f, 52f; vor allem aber sein Buch Die Haupttypen des Sprachbaus, Leipzig 1910.
E. Sapir Language, New York 1921; es muss allerdings in diesem Zusammenhang auch G. v. d. Gabelentz erwähnt werden (vgl. Anm. 1); ein energischer Gegner der voreingenommenen älteren Typologie war auch N. G. Tschernyschewskij, s. seine gesammelten Schriften Polnoje sob-ranije sočinenij N. G. Černyševskogo X/2, Moskau 1906, 21–81.
R. Jakobson Remarques sur l’évolution phonologique du russe, Travaux du cercle linguistique de Prague 2, 1929; ders. Typological Studies and Their Contribution to Historical Comparative Linguistics, Proceedings of the Eight Internat. Congress of Linguistics, Oslo 1958, 17–35.
V. Mathesius O potencialnosti jevů jazykových, Věstník Král, české spolecnosti nauk, Prag 1911; übersetzt als On the Potentiality of the Phenomena of Language in J. Vachek, A Prague School Reader in Linguistics, Bloomington 1964, 1–32.
Heute könnte man hier von komparativen (nicht gerade quantitativen) Begriffen sprechen, im Sinne von R. Carnap, Logical Foundations of Probability, Chicago 1950.
E. Coseriu Sincronia, diacronía y tipologia, Actas del XI Congr. Internat, de linguística y filología románicas 1, Teil 2, Madrid.
J. H. Greenberg Some Universals of Grammar with Particular Reference to the Order of Meaningful Elements, in J. H. Greenberg (Hrsg.), Universals of Language, Cambridge, Mass., 1963, 58–90.
Einen solchen Versuch findet man bei P. Sgall Soustava pádových koncovek v češtině (Das System der Kasusendungen im Tschechischen), AUC Slavica Pragensia 2, 1960, 65–84.
S. bes. P. Hartmann Zur Typologie des Indogermanischen, Heidelberg 1956
I. I. Revzin Metod modelirovanija i tipologija slavjanskich jazykov, Moskau 1967;
B. A. Uspenskij, Opyt transformacionnogo issledovanija sintaksičeskoj tipologii, in Issledovanija po strukturnoj tipologii, Moskau 1963; ders. Strukturnaja tipologija jazykov, Moskau 1965.
Vgl. C. G. Hempel und P. Oppenheim Der Typusbegriff im Lichte der neueren Logik, Leiden 1936, wo die Grundfragen einer graduellen Klassifikation analysiert werden, in der ein Element nicht als zu einer Klasse gehörig, sondern als mehr oder weniger einem Endpunkt einer Skala (einem Extrem) nahe charakterisiert wird. — Zum Standpunkt, demzufolge das eigentliche Objekt der Typologie gerade das Verhältnis zwischen der Tiefen- und Oberflächenstruktur ist, trägt jetzt auch P. Ramat bei, vgl. seine Studie La linguistica tipologica, die er als Einleitung zu seiner typologischen Anthologie gleichen Titels vorbereitet hat (Bologna, 1976).
Diesen Anspruch formuliert auch z. B. H. Birnbaum Typology, Genealogy, and Linguistic Universals, Linguistics 144, 1975. 9; bedeutsamer ist jedoch seine Stellung zur Beziehung zwischen der Typologie und den linguistischen Universalien (i.e., 23f), die die Typologie als unentbehrlich für die Identifikation von Universalien hält. Wir möchten nur hinzufügen, dass die Chomsky-Schule ebenso wie die Typologie wohl mit Recht nicht einzelne Spracherscheinungen als mehr oder weniger universal zu charakterisieren bemüht ist, sondern vor allem nach (universalen, oder für einzelne Typen charakteristischen) Gesetzmässigkeiten (Bedingungen, Eigenschaften, Regeln) der Sprachstruktur suchen oder, mit anderen Worten, nach einem Beschreibungsapparat, der alles für die Charakterisierung einer natürlichen Sprache Notwendige enthält.
Vgl. P. Sgall Die Sprachtypen in der klassischen und der neueren Typologie, Linguistics 144, 1975, 119–123. Skaličkas ursprüngliche Formulierung (1935, 58) sagt nur, dass, wenn a dem b günstig ist, ist “g e -wöhnlich auch b dem a” günstig.
Dass die Entsprechung der phonetischen und der semantischen Strukturen das hautpsächliche Objekt der Sprachbeschreibung ist, darin sind Vertreter der verschiedensten linguistischen Richtungen einig, z. B. L. Hjelmslev Omkring sprogteoriens grundlaeggelse, Kopenhagen 1966 (Prolegomena to a Theory of Language, Bloomington 1953), 39–43, Par. 12 und 13;
N. Chomsky Language and Mind, New York 1968, 15;
J. J. Katz Recent Issues in Semantic Theory, Foundations of Language 3, 1967, 125;
G. Lakoff On Derivational Constraints, Papers from the Fifth Regional Meeting, Chicago Ling. Soc., 1969, 117;
S. M. Lamb The Sememic Approach to Semantics, American Anthropologist 66, No. 3, Part 2, 57–78; eine ausführlichere Begründung unserer Annahmen über die Form eines Sprachbeschreibungssystems — d. i. der seman-tischen Repräsentation und der transduktiven Komponenten, d. h. Operationen, die die semantischen Strukturen auf die anderen Ebenen, bis zur Phonetik, übertragen — wird in den folgenden Arbeiten gegeben: P. Sgall, L. Nebeský, A. Goralčíková und E. Hajičová A Functional Approach to Syntax, New York 1969;
P. Sgall und E. Hajičová A Functional Generative Description, Révue roumaine de linguistique 15, 1971, 9–37;
W. Klein und A. v. Stechow (Hrsg.) Functional Generative Grammar in Prague, Kronberg im Taunus, 1974.
So möchten wir darauf aufmerksam machen, dass die feste Wortfolge nicht zu der Grundlage des analytischen Sprachtyps gehört: wenn die syntaktischen Funktionen mit Hilfe von Hilfswörtern (Präpositionen, Konjunktionen) ausgedrückt werden, kann die Wortfolge im Prinzip frei sein: vgl. die spanische Präposition a beim Akkusativ, die eine freie Stellung des Objektes im Satz ermöglicht. Im Englischen, Französischen und anderen Sprachen ist die regelmässige Stellung des Objekts nach dem Verb damit verknüpft, dass das Objekt hier nicht durch ein Hilfswort charakterisiert wird, d. h. eine polysynthetische Erscheinung wird hier mit anderen, die für die Isolierung (Analyse) typisch sind, kombiniert. Ebenso ist die Wortbildung mit Hilfe von Affixen night für die Flexion typisch; wenn sie auch in den flektierenden indogermanischen Sprachen am häufigsten ist, handelt es sich doch auch hier um eine Kombination zweier Typen (Flexion und Agglutination). Eine rein flektierende Wortbildung kann man dort finden, wo die verschiedenen verwandten Wörter voneinander dadurch unterschieden werden, dass jedes von ihnen einer anderen Wortklasse (Genus, Deklinationsoder Konjugationsparadigma) angehört, vgl. tschech. pero — Feder, peři — Gefieder; choť mask. — Ehemann, choť fem. — Ehefrau; trpět -leiden, trápit — quälen; introflexiv z. B. deutsch fallen — fällen, sitzen, — setzen; über entwickelte Ableitungssystème dieser Art vgl. Skaličkas Aufsatz über die Bantusprachen in diesem Band.
G. Lakoff Linguistics and Natural Logic, Synthese 22, 1970, 151–271.
Dass es sich nicht um eine — für die verschiedenen Sprachen der Welt gemeinsame — Repräsentation der logischen Struktur, sondern um spezifische Ebenen der sprachlichen -Bedeutung handelt (mit ihrer durch die Einzelsprache determinierten Strukturiertheit, die mit der Struktur der logischen Sprachen nur verwandt, aber nicht identisch ist), dafür haben wir in den folgenden Aufsätzen Argumente zu bringen versucht: P. Sgall Linguistic Meaning, Cognitive Content and Pragmatics, Prague Bulletin of Mathematical Linguistics 25, im Druck; P. Sgall, E. Haji-čová und O. Procházka On the Role of Linguistic Semantics, Theoretical Linguistics 4, 1977, S. 31–59.
Es ist kein blosser Zufall, dass diese Trichotomie mit der aus der (von Ajdukiewicz begründeten) deduktiven Sprachtypologie bekannten Dreiteilung mehr oder weniger genau übereinstimmt.
Als stabiler erweisen sich solche Kombinationen von Erscheinungen verschiedener Typen, die in Anm. 20 charakterisiert sind.
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© 1979 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig
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Sgall, P. (1979). Die Sprachtypologie V. Skaličkas. In: Hartmann, P. (eds) Typologische Studien. Schriften zur Linguistik, vol 11. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86349-2_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-86349-2_1
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag
Print ISBN: 978-3-528-03710-9
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