Zusammenfassung
Der Leitgedanke dieses Kapitels liegt in der Beachtung des ethnischen Faktors in der nationalen Wirklichkeit. Ökonomisches bestimmt zwar heute sehr weitgehend die politische Wirklichkeit, aber selbst für den homo oeconomicus gehört der Faktor Mensch zu den Produktivkräften. Jenseits der ökonomischen und sozialen Oberfläche kann der Mensch durch eine spezifische Herkunft gekennzeichnet werden, die es wahrzunehmen und anzuerkennen gilt. Der Gruppe, der er neben der Familie und über sie hinaus am natürlichsten verbunden ist, ist die ethnische Gruppe oder sind gegebenenfalls ethnische Gruppen. In diese Gruppe(n) wird er hineingeboren, ihr ist er als Individuum verhaftet, unabhängig späterer Möglichkeiten, seine ethnische Identität für seine Nachfahren aufzugeben. Was verstehen wir zunächst unter ethnischer Gruppe bzw. unter einem Volk?
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Anmerkungen
J. V. Bromlej: Ethnos und Ethnographie, Moskau 1973, Berlin (Ost) 1977, S. 117f. Die Übersetzung geht auf eine Besprechung in der Ostberliner Zeitschrift „Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte“ 18/1975/204—208 (B. Weissei) zurück, in der die Übersetzung angeregt wurde (eine ähnliche Anregung funktionierte stattdessen nicht: ebd. 21/1978/201). Es heißt dort (1975), daß „bei uns von einer bemerkenswerten Abstinenz“ in dieser „diffizilen Problematik“ gesprochen werden müsse, weil die Volkskundler „die ethnische Problematik im Grunde als nicht existent erachten.“ Ähnliches gelte für die „Volkskunde der BRD“, die in dieser Sache durch „Ratlosigkeit und liquidatorische Tendenz“ kennzeichenbar sei. Wir werden auf dieses sehr empfehlenswerte Werk zurückkommen können. Anscheinend hat die sowjetische Strategie vom „Aufblühen der Völker“, bevor sie im Sowjetvolk verschmolzen werden sollen, die Chance geboten, sich auch im Sozialismus der Ethnien anzunehmen und sie wissenschaftlich-terminologisch zu erfassen. Oben angesprochenes Werk zu übersetzen (Sovremennye etničeskie processy vSSR) wäre daher in der Tat eine Bereicherung für die ethnologische und ethnische Forschung, weil neben Bromlej ein weiterer bekannter Politologe (V. J. Kozlov) daran mitarbeitet. (Gegenwärtige ethnische Prozesse in der UdSSR).
H. Aubin: 1929, S. 3–26, hier S. 20–26. Zur deutschen Stammesbildung gibt es eine große Literatur. Es kommt uns hier aber nur auf einige wenige kennzeichnende Punkte unter der ethnischen Fragestellung an. Weiter wurde herangezogen die Arbeit des Völkersoziologen Max Hildebert Boehm: Das eigenständige Volk (11932), 21965, Darmstadt, S. 108ff
G. K. Hugelmann: Staat, Nation und Nationalstaat, S. 205; W. E. Mühlmann: Homo creator. Abhandlungen zur Soziologie, Anthropologie und Ethnologie, Wiesbaden 1962, S. 305; H. Zilleßen 1970, 354; P. Kirn 1943, 114f; H. Eggers: Deutsche Sprachgeschichte, Bd. 1, Reinbek 1974
Bromlej, 97. Für den Vielvölkerstaat dürften diese Sätze ebenfalls aufschlußreich sein.
Mühlmann, a.a.O., S. 309f.
ebd.
Mühlmann, a.a.O., S. 390 u. 320f., 312f.; Bromlej, a.a.O., S. 146; T. Shibutani/K. M. Kwan: Ethnic stratification. A comparative approach, New York/London 1965, S. 117–120, S. 505–507
D. H. Horowitz: Ethnic identity, in: N. Glazer/D. P. Moynihan (Eds.): Ethnicity: Theory and experience, Cambridge, Mass. 1975, S. 113f. Glatzer/Moynihans Band ist eines der wichtigsten Bücher zum Ethnizitätsphänomen, das wir u. noch behandeln.
Nach Shibutani/Kwan, a.a.O., S. 120; E. R. Park: Race and Cultures, Glancoe, Illinois 1950
Mühlmann, a.a.O., S. 323
Bromlej, a.a.O., S. 107–108, positiv fomuliert lauyet die Bedeutung der Endogamie: „Durch die Bewahrung der ethnischen Einheitlichkeit der Familien innerhalb des Ethnos gewährleistet die Endogamie die Kontinuität der dem Ethnos eigenen kulturellen Spezifik von Generation zu Generation. Die Endogamie wirkt dabei gleichzeitig als Faktor der kulturellen Abgrenzung der Ethnien untereinander … Sie übt gleichfalls einen integrierenden Einfluß auf die das Ethnos bildenden Komponenten aus. Die Eheschließung von Generation zu Generation innerhalb einer heiratsmäßig geschlossenen Menschengemeinschaft zieht unausweichlich eine sich verstärkende Vereinheitlichung in den unterschiedlichsten Kultursphären nach sich.„ S. 111
M. Kilson: Blacks and neo-ethnicity in american political life, in: Glazer/Moynihan, a.a.O., S. 236; C. H. Enloe 1973, passim; H. R. Isaacs: Idols of tribe: Group identity and political change. New York 1975
H. Mast: Some theoretical considerations in international race relations, in: W. Bell/W. E. Freeman (Eds.): Ethnicity and nation-building: Comparative, international and historical perspectives, Beverly Hills/London 1974, S. 64; W. J. Foltz: Ethnicity, status, and conflict, in: Bell/Freeman 105; A. D. Smith: Ethnic revival, London u. a. 1981, S. 156; G. H. Almond/J. A. Coleman/L. W.Pye in der Einleitung von C. H. Enloes Buch, a.a.O., S. VIII und Enloe, S. 65; D. Bell: Ethnicity and social change, in: Glazer/Moynihan, a.a.O., S. 171
Enloe, a.a.O., S. 39ff.; N. B. Schwartz: Assimilation and acculturation: Aspects of ethnicity in a Guatemalian Town, in: Ethnology 10/1971/291–310
E. Francis: Ethnos und Demos. Soziologische Beiträge zu Volkstheorien, Berlin 1965, S. 20; W. E. Mühlmann: Rassen, Ethnien, Kulturen. Moderne Ethnologie (= Soziologische Texte Bd. 24), Berlin 1964, S. 323f. u. 338f. u. ders.: Chiliasmus und Nativismus, Berlin 1961; K. Symmons-Symonolewicz, Modern nationalism: Towards a consensus in theory. New York 1968, S. 37f.
Novak nach Stein/Hill, a.a.O., S. 217; vgl. auch J. Higham (Ed.): Ethnic leadership in America. Baltimore 1978
Smith, a.a.O., S. 98; D. A. Rostow: A world of nations, Washington 41969, S. 284–287
Vgl. dazu den Reader von Ch. L. Hunt/L. W. Walker: Ethnic dynamics: Patterns of ingroup relations in various societies, Homewood Ill. 1974, passim
T. Parsons: Change of ethnicity, in: Glazer/Moynihan, a.a.O., S. 58
A. Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltungskämpfe unserer Zeit, München (11930), 1938, S. 87, 105, 697
A. Hitler: Mein Kampf, München 111932, S. 439 u. 451
Das läßt sich schon an den spärlichen Rezensionen und Rezeptionen ablesen. Vgl. zur amerikanischen Ethniticy-Forschung, die selbstverständlich nicht einfach mit ethnographischer Forschung gleichgesetzt werden kann, die mehrere hundert amerikanische Titel umfassende Bibliographie v. G. Carter-Bentley (Ed.): Ethnicity and nationality. A bibliographic guide, Seattle 1981; K. Symmons-Symonolewicz: Ethnicity and nationalism: Recent literature and its theoretical implications, in: CRSN 6/1979/98–102; E. K. Francis: The ethnic factor in nation-building, in: Social Forces 46/1968/338–346; Th. Veiter: Volk, ethnic group, and region, in: CRSN IX/2-1982/161-181; J. V. Bromlej, a.a.O. u. ders.: Das ethnographische Studium der Völker. Zu einigen aktuellen Problemen der sowjetischen Ethnographie, in: Jb. f. Volkskunde und Kulturgeschichte, Berlin (Ost) 18/1975/84-96
Anderer Meinung ist Zilleßen, der „den vorwiegend zweckhaften Charakter“ von Großfamilie, Sippe, Stamm, Stammesverband, Volk betont. Sie seien sogar „bewußte, d. h. gewollte soziale Typen“, Volk, Nation, Vaterland, Gütersloh 21970, S. 14
„Die besseren Völker besiegten die schlechteren. Durch den Besitz eines oder des anderen Vortheils überwand der bessere Mitkämpfer den geringeren …„ W. Bagehot: Der Ursprung der Nationen. Betrachtungen über den Einfluß der natürlichen Zuchtwahl und der Vererbung auf die Bildung politischer Gemeinwesen, Leipzig, Berlin 1874, S. 93
Die ethnischen Gemeinschaften seien natürliche, soziale Gruppen meint Patricia Mayo: The roots of identity: Three national movements in contemporary European politics, London 1974, passim
Bei J. Seipel heißt es von den Stämmen: „Nachdem sie sich gebildet hatten, vollzieht sich ihre Erhaltung und Verbreitung allerdings auf dem naturhaften Weg der Fortpflanzung“, Nation und Staat, Wien 1916, S. 27. An anderer Stelle heißt es dann zur Nation: „Gemeinsame Abstammung ist für die Bildung eines Kulturverbandes, der sich von allen anderen so abhebt, daß dagegen alle Kulturunterschiede in seinem Innern weit zurücktreten — das verstehen wir unter Nation — sicher eine günstige Voraussetzung, weil ja die geistigen Wechselbeziehungen naturgemäß um so engere sein werden, je näher sich jene, die sie pflegen, schon von Natur aus stehen. Die eigentliche Wurzel hat die Nation aber nicht in der Stammes-, sondern in der Lebensgemeinschaft;“ S. 78. Weiter ähnlich auch R. Hepp: “… die Gemeinsamkeit der Abstammung kann für die kulturelle Gemeinsamkeit nicht bedeutungslos sein“, Reproduktion und Identität — kulturbiologische Anmerkungen zur „Identitätskrise“ der Deutschen, in: H. Grosser (Hg.): Das Volk ohne Staat, Bad Neustadt a. d. S. 1981, S. 82
M. H. Boehm: Das eigenständige Volk, Darmstadt 1965, S. 150f. An anderer Stelle spricht Boehm vom „Vorgang der Volksverwirklichung aus einer an sich bloß dispositiven Volkszugehörigkeit“, S. 136–137
Das Organismus-Modell hat Frederik Hertz schlagend kritisiert, 1945, 30
„Jedes Volk ist Naturtatsache. Kein Volk ist nur Naturtatsache“, vgl. auch die Definition von R. Laun: „Man kann das Volk im natürlichen Sinne etwa bezeichnen als eine aus Abstammungsgemeinschaft, Geschlechtsverbindung und allmählicher Assimilation entstandene und durch die Gleichheit der Sprache zu geistiger Einheit verschmolzene sittliche Gemeinschaft des persönlichen Bekenntnisses.“: Nationalgefühl und Nationalismus, in: Ostdeutsche Wissenschaft Bd. 1, 1954, S. 98 u. 102–103. Wenn es allerdings heißt: „Da die Naturgegebenheit Volk in der Geschichte immer schon da war …„, so können wir: dieser Mythologisierung nicht zustimmen. Auch die Naturgemeinschaft ist einmal entstanden, „begründet“ worden Bei Immanuel Kant findet sich, nach Grimm, folgende Definition: „Diejenige Menge — oder auch der Theil derselben, welche sich durch gemeinschaftliche Abstammung für vereinigt zu einem bürgerlichen Ganzen erkennt, heißt Nation“ (Deutsches Wörterbuch Bd. 7, 1889).
Anmerkungen
E. K. Francis: Ethnos und Demos, Berlin 1965, S. 87, ders.: Volk, in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, Freiburg 81963, Sp. 281–290; erstmals den hier gemeinten Zusammenhang angesprochen hat Kurt Grunwald: Das Recht der nationalen Minderheiten und der Völkerbund, M.-Gladbach 1926, auf S. 21 in FN 1 heißt es in der sehr empfehlenswerten Schrift: „Auch die antiken Sprachen kannten diese Unterschiede. So sprach der Grieche von ethnos und demos, der Römer von natio und populus, wobei der erste Begriff das abstammungsmäßige, der zweite das staatliche Moment hervorheben sollte.“
J. Talmon: Ursprünge der totalitären Demokratie, Opladen 1961, S. 64
vgl. Kap. „Nation und Praktische Philosophie“, gemeint ist etwa Marsilius von Padua
H. O. Ziegler: Die moderne Nation, Tübingen 1931, S. 97. Im folgenden berufen wir uns auf sein unüberholt wichtiges Werk.
„Limited sovereignty, in short is in the case of parlamentary as of every other sovereign contradiction in terms.“ Albert Venn Dicey, zit. n. H. Quaritsch: Staat und Souveränität, Bd. 1, Frankfurt 1970, S. 441. Damit ist die rechtliche (omnipotente) Parlamentssouveränität gemeint. Das Unterhaus vermag — potentiell — Gesetzgeber und Verfassungsgeber zu sein (Quaritsch, S. 475)
Dies ist nicht selbstverständlich: „Dann setzte sich die absolute Volkssouveräntität durch, im Jakobinertum, im Konvent und endlich in der Mihtärdiktatur Napoleons, die durch Plebiszite legitimiert wurde, deren Ausgang durch die Herrschaft über den Militär- und Verwaltungsapparat und das Prestige des siegreichen Feldherrn garantiert war. Auf die Problematik dieser Art von Absolutismus ist in diesem Zusammenhang nicht einzugehen.„ O. Brunner: Vom Gottesgnadentum zum monarchischen Prinzip, in ders.: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen 31968, S. 180
D. Murswiek: Die verfassungsgebende Gewalt nach dem GG für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1978, S. 217
F. A. Fr. v. d. Heydte: Volkssouveränität, in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft 8. Bd., 1963, Sp. 354
„Alles kommt darauf an, wie der Wille gebildet wird.“ Immer ist zu fragen, „wer über die Mittel verfügt, um den Willen des Volkes zu bilden.“ (Carl Schmitt: die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin 31969, S. 36f). 1978 schreibt Carl Schmitt: „Jeder Berufsrevolutionär hat gelernt, sie [die Beziehung von pouvoir constiuant zum pouvoir legislatif] zu handhaben: man beseitigt die bestehende legale Regierung, ruft eine „provisorische Regierung“ aus und beruft eine konstituierende Nationalversammlung ein. Auf diese Weise ist die Große Französische Revolution zu einem Arsenal verfassungsjuristischer Präzedenzfälle geworden. Durch viele große und kleine, europäische und nichteuropäische Revolutionen ist im Laufe von zwei Jahrhunderten eine legitimierende Übung in der Legalisierung von Staatsstreich und Revolution entstanden. Selbst für das revolutionäre Zwischenstadium der Diktatur hat das französische Modell sich bewährt. Auf die Frage, wie man sich eine Diktatur des Proletariats zu denken habe, konnte Friedrich Engels antworten: wie 1793. Lenin und Trotzki haben das im November 1917 mit größtem Erfolg praktiziert. Engels hielt sich allerdings auch den Weg über die 51prozentige Mehrheit im Parlament offen. Dieser Weg ist heute in vielen neuen Verfassungen durch die Superlegalität von Verfassungsnormen erschwert, doch ist das noch keine prinzipielle Beseitigung des formalen Modells geschriebener Verfassungen, solange nicht volle Unantastbarkeit statuiert wird.“ Die legale Weltrevolution. Politischer Mehrwert als Prämie auf juristische Legalität und Superlegatität, in: Der Staat 3–1978, S. 338. Bei Hegel heißt es: „Außerdem ist es eine gefährliliche und falsche Voraussetzung, daß das Volk allein Vernunft und Einsicht habe und das Rechte wisse; denn jede Faktion des Volkes kann sich als Volk aufwerfen …“ G.W.F. Hegel: Einleitung zur Vorlesung über die Philosophie der Geschichte, Stuttgart 1975, S. 91
H. Rogge: Die antinomische Spannung zwischen Volk und Staat in der nationalen Bewegung, in: FS f. M. H. Boehm (= Ostdeutsche Wissenschaft Bd. 8, 1968), S. 372, Kritisch zu Frankreichs vorrevolutionärer Assimilationspolitik G. Haller: Partikularismus und Nationalstaat, Stuttgart 1926, S. 16
E. Lemberg: Neue Forschungen zur Ethnopolitik und zum Nationalitätenrecht, in: Deutsche Studien 8/1970/28-34, hier S. 33; vgl. dazu die historischen Studien, hrsg. v. B. Martin/E. Schulin: Die Juden als Minderheit in der Geschichte, München 1981
H. O. Ziegler, a.a.O., S. 225 „Und schließlich bleibt auch die Frage offen, inwieweit die Einheitlichkeit eines Willens, seine dauernde Richtung, sein über den Augenblick hinausgehender Inhalt durch den einmaligen Akt der Selbstauslegung in der Wahl erfaßt werden können. In diesem Sinne scheint also in der Formel der Willensnation eine innere Unbestimmtheit oder Grenzenlosigkeit zu liegen, die zu einer Einschränkung des Geltungsanspruches des so gefaßten Prinzips führen müßten.“
W. Heidelmeyer (Hrsg.): Die Menschenrechte. Erklärungen, Verfassungsartikel, internationale Abkommen, Paderborn 21977, S. 64
Die juristische Verlegenheit mit dem Volks- und Nationsbegriff, die mit den in dieser Arbeit verwendeten Begriffen überwunden werden könnte, womit nicht mehr Nationen von Nicht-Nationen diskriminiert werden müßten, äußert sich noch (z. B.) in der Staatslehre Ermacoras: „Trotz allem ist das Volk kein Wesenselement des Staates. Der Hinweis auf das Volk begründet weder im allgemeinen noch für den Einzelfall eine differentia specifica des Staates gegenüber anderen Gesellschaftsordnungen. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß die Begriffe des Volkes und der Nation, mögen die Begriffe auch unrichtig angewandt werden, wie ein erratischer Block wirken.“ Ermacora vermag diesen Widerspruch auch auf S. 58–67, wo er diverse historische Volks- und Nationsbegriffe kompiliert, nicht zu lösen. S. 57 in: Allgemeine Staatslehre, 1. Band
Hayes schreibt: „Aber der Nationalismus, wie er definiert wurde, trat sicherlich zuerst im Gefolge von Lehren der Volkssouveränität auf; allgemein und kraftvoll ist er durch die politische Demokratie unterstützt worden; und die meisten Länder, die nationalistisch geworden sind, haben wenigstens nach politischer Demokratie gestrebt. In einigen Fällen ist der Nationalismus der Demokratie vorangegangen, aber man kann, glaube ich, kaum bezweifeln, daß eine enge Beziehung zwischen diesen Erscheinungen besteht“, Nationalismus, Leipzig S. 44; B. Willms: Die deutsche Nation, Köln 1982, S. 83ff. u. S. 114ff.
G. Ritter: Das deutsche Problem, München 21966, S. 39–40. Ähnliche Traditionen der Selbstverwaltung charakterisieren England: sie sind aber im englischen System zu sehen, während sie in Deutschland eher gegen das deutsche System (Reich) für sich (als partikulare Provinzen) standen.
Sontheimer stattdessen vermeinte, Nationalismus und Demokratie in Deutschland nicht versöhnen zu können: Nation und Nationalismus in der Bundesrepublik, in: H. Steffen (Hrsg.): Die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Analysen II, Göttingen 1971, S. 149; Nation und Demokratie in unserer Zeit, Mainz 1969
„Die Idee der Repräsentation beruht darauf, daß ein als politische Einheit existierendes Volk gegenüber dem natürlichen (!) Dasein einer irgendwie zusammenlebenden Menschengruppe eine höhere und gesteigerte, intensivere Art Sein hat.“ C. Schmitt: Verfassungslehre, Berlin 1970, S. 210
vgl. zu den vielfältigen antidemokratischen Nationalismen z. B. den Konter-Nationalismus, wie er bei Christian Graf v. Krockow dargestellt wird.
H. Mommsen: Arbeiterbewegung und nationale Frage, Göttingen 1979, S. 129; Ziegler, a.a.O., S. 96f. u. ders.: Zur Souveränität der Nation, in: A. Weber, FS 1930, S. 247–262, hier S. 249; R. C. Johannsen: Human rights in the 1980s: Revolutionary growth of unanticipated erosion?, in: WP 35/2-1983 (Jan.)/286ff.; S. Mampel: Bemerkungen zum Bericht der DDR an das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen, in: Recht in Ost und West, 1978, S. 150–157; A. Mertes: Wie offen ist die deutsche Frage?, in: PK 9/4-1982/3; O. Luchterhandt: UN-Menschenrechtskonventionen, Sowjetrecht — Sowjetwirklichkeit. Ein kritischer Vergleich, Baden-Baden 1980; K. O. Bracher: Menschenrechte und politische Verfassung. Ein Grundproblem der politischen Ideengeschichte, in: ZfPol 26 (N.F.)/2-1979/109-124; G. Oestreich: Die Idee der Menschenrechte, Berlin 1963; G. Kleinheyer: Grundrechte. Menschen- und Bürgerrechte, Volksrechte, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 1047–1082
Art. 2, zit. n. Heidelmeyer, a.a.O., S. 54. In der französischen Verfassung von 1793 hieß es: „Die Souveränität steht dem Volke (Nation) zu. Sie ist einzig und unteilbar, unabdingbar und unveräußerlich“, ebd., S. 63
Der Art. 28 hat dafür nur das Thema, daß jeder Mensch „Anspruch (habe) auf Erholung und Freizeit“ und, u. a., „bezahlten Urlaub“, ebd., S, 230
ebd.,S. 252 u. 259
Daß die Selbstbestimmung Vorrang hat, meint A. Hu-Chou-Joung: Das Selbstbestimmungsrecht als eine Vorbedingung des völligen Genusses aller Menschenrechte, Zürich Diss. 1972. Umgekehrter Ansicht ist Kurt Rabl (s. u.). Bei O. Kimminich (1948, 41) heißt es, die Entwicklung des Selbstbestimmungsrechts sei ein wichtiger Bestandteil der allgemeinen Entwicklung der Menschenrechte.
Bulletin Nr. 68/S. 630 v. 24.06.1983, Bonn. Der Bundeskanzler zitierte — und bekräftigte damit — einen Satz des Bundespräsidenten, der angesichts verfassungspatriotischer und binationalisierter Meinungsspektren festzuhalten ist: „Die Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland und die Deutschen in der DDR sehen nicht die Bundesrepublik und die DDR, sondern Deutschland als ihr Vaterland an“; ebd.
Chr. Pan: Südtirol als volkliches Problem. Grundriß einer Südtiroler Ethnosoziologie, Wien 1971, S. 98 u. ders.: Grundelemente einer Theorie der Ethnosoziologie, in: Th. Veiter (Hrsg.): System eines internationalen Volksgruppenrechts, Bd. III, 2 S. 281ff
Während seiner zweiten Polenreise, die Welt, Nr. 140 v. 20.06.1983, S. 6 (eigene Hervorhebung — T. M.)
Man hätte zwischen — herrschaftsbezogen — wirklichen Vertretungsbefugnissen und bloß angemaßten Vertretungsansprüchen begrifflich und praktisch besser unterscheiden müssen, so Rabl, a.a.O., S. 497
ebd., S. 493; vgl. dazu H. H. Klein: Multinationaler Staat und Selbstbestimmungsrecht. Eine völkerrechtspolitische Betrachtung, in: „Afrika und die Deutschen.“ Jahrbuch der Deutschen Afrika-Stiftung 1981, Pfullingen 1981, S. 59–74, hier S. 64f
„Solange das Selbstbestimmungsrecht nicht auch in Mittel- und Osteuropa seine wirklichen Frieden stiftende Kraft für diese Nationen und Völkerschaften entfalten und durchsetzen kann, wird man nicht vom Anbruch einer echten Friedensordnung in Europa sprechen können.“ Zieger (II) 1984, 14
KSZE. Beiträge und Dokumente aus dem Europa-Archiv, hrsg. v. H. Volle u. W. Wagner, Bonn 1976, S. 237ff (eigene Hervorhebung — T. M.); vgl. auch Volle/Wagner (Hrsg.): Das Belgrader KSZE-Folgetreffen, Bonn 1978
Andererseits gilt angesichts des Jus-cogens-Charakters der Selbstbestimmung: „Verträge, die das Selbstbestimmungsrecht verletzen, wären daher gemäß Art. 53 der Vertragsrechtskonvention von vornherein nichtig. Alte Verträge hätten gemäß Art. 64 der Vertragsrechtskonvention ihre Gültigkeit in dem Augenblick verloren, in dem das Selbstbestimmungsrecht zum jus cogens geworden ist …“ (Kimminich (I) 1984, 46; vgl. ebd. K. Doehring, S. 64) Weiter können die UNO-Staaten Sowjetunion, Polen und DDR — theoretisch — nicht das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes behindern, da die „völkerrechtliche Fortexistenz des Deutschen Reiches“ deren Souveränitätsbarriere durchstößt (Klein 1983, 645; Fiedler 1983, 377) Damit verbunden werden kann der Hinweis, daß das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht immer untrennbar zugleich das Recht der Nation auf ihre staatliche Existenzform, welcher staatlichen Gestalt auch immer, einschließt (Seifert 1983, 138). Im übrigen ist auch in der sowjetischen Völkerrechtslehre die Rede davon, daß Nationen Völkerrechtssubjekte sein können (Meissner 1984 (Fiedler) 53). Der Sowjetunion kann es vielleicht eines Tages gelegen kommen, die deutsche Nation in diesem Sinne nicht länger zu diskriminieren, sondern zu respektieren.
Vgl. auch Rabl: Dokumente „zur Frage der Feststellung des Selbstbestimmungswillens einer Bevölkerung nach UNO-Recht“, S. 584ff.; vgl. auch FS für H. R. Klecatsky hrsg. v. L. Adamovich/P. Pernthaler: Auf dem Weg zu Menschenwürde und Gerechtigkeit, Wien 1980, 2 Bde.; Th. Veiter: Die Träger des Selbstbestimmungsrechts nach westlicher Auffassung, in ders.: System des internationalen Volksgruppenrechts III, 2 Wien 1970, S. 132ff
F. Ermacora: Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht, München 1978, S. 47
Vom Jus cogens und davon, daß das Selbstbestimmungsrecht „international anerkannt“ sei und „weltweite Unterstützung“ findet, sprach bereits 1955 Günter Decker, a.a.O., S. 336f. u. passim. H. Gros-Espiell schreibt übrigens, daß das Jus cogens auf der Anerkennung der Existenz des Naturrechts fuße.
H. Gros-Espiell 1982, 54–58. Gros-Espiell betont, daß der Begriff des „Volkes“ noch nicht geklärt sei.
VN 2-1982, S. 73. Resolution 36/10 v. 28.10.1981, dort heißt es weiter, daß Interventionen das Selbstbestimmungsrecht „und andere Menschenrechte“ verletze. (eigene Hervorhebung — T.M.)
Wenn z. B. bestimmte Gebiete der Sowjetunion für Ausländer gesperrt sind, so ist dies sicher keine Rassendiskriminierung.
Im internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 07.03.1966 heißt es so in Art. 1, Abs. 2 u. 3: „2. Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung auf Unterscheidungen, Ausschließungen, Beschränkungen oder Bevorzugungen, die ein Vertragsstaat zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen vornimmt. 3. Dieses Übereinkommen ist so nicht auszulegen, als berühre es die Rechtsvorschiften der Vertragsstaaten über Staatsangehörigkeit oder Einbürgerung, sofern diese Vorschriften nicht Angehörige eines bestimmten Staates diskriminieren.“ Zit. n. Heidelmeyer, a.a.O., S. 216. Bereits 1952 (5. Dezember) hatte die UNO einen Entschluß für Mitgliedstaaten gefaßt, die eine ethnisch uneinheitliche Bevölkerung hatten: „… in einer mehrrassigen Gesellschaft werden Harmonie, Respekt für Menschenrechte, Grundfreiheiten sowie die friedliche Entwicklung einer in sich einheitlichen Gesellschaft am besten gesichert, wenn Gesetzgebung und Rechtspraxis darauf gerichtet sind, die Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz ohne Rücksicht auf Rasse, Glaubensbekenntnis oder Hautfarbe zu gewährleisten und wenn allen rassischen Gruppen die Teilnahme am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben auf dem Fuß der Gleichberechtigung offensteht“; zit. n. Rabl, a.a.O., S. 423 (Anm. 1622)
Feldkircher-Leitsätze zum Selbstbestimmungsrecht der Völker v. 20.09.1966, LS 4, in: Veiter 1970, a.a.O., S.271ff
„Nation und Volk werden oft als gleichbedeutende Begriffe behandelt, doch ist das Wort ‚Nation‘ prägnanter und weniger mißverständlich. Es bezeichnet nämlich das Volk als politisch-aktionsfähige Einheit mit dem Bewußtsein seiner politischen Besonderheit und dem Willen zur politischen Existenz, während das nicht als Nation existierende Volk nur eine irgendwie ethnisch oder kulturell zusammengehörige, aber nicht notwendig politisch existierende Verbindung von Menschen ist.“ (C. Schmitt: Verfassungslehre 51970, 79)
ebd., LS 14, S. 276; U. E. überspringt Th. Veiter den politischen Schritt vom Ethnos zur Nation oder Nationalität; vgl. dazu neuerdings Veiter: Volk, Volksgruppe, Region, in: „Regionalismus in Europa“. Bericht über die 2. wiss. Tg., Dühnen, April 1981, München 1983 (= Bay. LZ f pol. Bildungsarbeit), Bd. III, S. 23 (vgl. auch CRSN 9/2-1982/161-181)
Zit. n. R. Saage: Herrschaft, Toleranz, Widerstand. Studien zur Politischen Theorie der niederländischen und der englischen Revolution, Frankfurt 1981, S. 47. Saage zitiert dort aus der Zeit: “Wenn man einwenden sollte, die Könige seien von einem Volk eingesetzt worden, das vielleicht vor 500 Jahren lebte, nicht von dem, das heute existiert, so sage ich: wenn die Könige auch sterben, das Volk — wie jede Ganzheit — stirbt niemals. Wie nämlich die Strömung den Fluß immer fließen läßt, so macht der Wechsel von Geburt und Tod ein Volk unsterblich.“ Saage schreibt weiter: „Selbst 1649 rechtfertigte ein anderer Autor, John Canne, die Abschaffung der Monarchie mit Argumentationsfiguren, die bruchlos der traditionellen Politiktheorie verpflichtet blieben. Für diesen Autor ergibt sich die Souveränität des Volkes aus dem Umstand, daß es zwar in seinen Individuen sterblich, aber unvergänglich in seiner Spezies sei, während der König als König sterben kann und muß.“ S. 141. Vgl. auch K. Wolzendorf: Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes, Aalen 21968, S. 93, 272, 372, 378f, 389; vgl. auch E. Reibstein: Volkssouveränität und Freiheitsrechte, hrsg. v. C. Schott, Bd. 1, Freiburg/München 1972
F. Hertz 1927, a.a.O., S. 18f u. E. Fraenkel: Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart 61974, S. 119
H. Lenk: Erweiterte Verantwortung. Natur und künftige Generationen als ethische Gegenstände, in: René Marcic zum Gedächtnis, Berlin 1983, S. 833–846, hier S. 845
Vgl. dazu die Einleitung zur 2. Aufl. des Buches, in der sich Boehm gegen den Nationalsozialismus erneut wendet und die 1971 im Nachlaß von Heinz Kloss edierte Broschüre von M H. Boehm: Das eigenständige Volk in der Krise der Gegenwart, Wien 1971
A. Dempf: Sacrum imperium (11929), Darmstadt 1973, S. 46f. u. 49f. Dempf gebraucht auch ebd. den Ausdruck der „Volkspersönlichkeit“, in dem die „Strukturverhältnisse der größten Verbandseinheit vitaler Ordnung“ zum Ausdruck kommt.
In der Darstellung des Schweizer Sprachenrechts von Cyrill Hegnauer (Das Sprachenrecht der Schweiz, Zürich 1947) wird die Bewahrung der überlieferten sprachlichen Zusammensetzung als eine Existenzfrage der Eidgenossenschaft überhaupt bezeichnet, die letztlich bedeutsamer sei als die einzelnen Freiheitsrechte: so Th. Schieder: Idee und Gestalt des übernationalen Staates, in: HZ 184/1957/336–366, hier S. 345 u. 347
Eine ähnhche Position nimmt Bluntschli 1862 ein: „Jede Nation hat einen natürlichen Anspruch darauf, in ihrer Eigenthümlichkeit geschützt zu werden.“ (Deutsches Staats-Wörterbuch, hrsg. v. J. C. Bluntschli u. K. Brater, Bd. 7, S. 156). Ähnlich weiter R. Laun: Nationalgefühl und Nationalismus, in: Ostdeutsche Wissenschaft I/1954/98
„In ihren Versuchen der Französisierung von Straßennamen, in ihren Plänen der Zwangsumsiedlung deutschsprachiger Elsässer und in der zunächst in Frankreich selbst betriebenen Ausbreitung der französischen Sprache verrät sich, daß es nicht eigentlich das „frankreichische“ Volk, sondern daß es eben die Franzosen unter den Untertanen Ludwigs XVI. waren, die sich als Träger des historischen Geschehens fühlten oder doch zumindest alsbald den Umsturz der bestehenden Ordnung benutzten, um als Volk im „Volk“ die Früchte des Sieges zu ernten. In diesem Sinn hat sich die Verwandlung des demokratischen in ein ethnokratisches Prinzip bereits in der Französischen Revolution selbst angebahnt.“ Boehm, a.a.O., S. 34
Palackys Schreiben ist abgedruckt in der von H. u. S. Lehmann zusammengestellten Sammlung zu den „Nationalitätsproblemen in Österreich“, Göttingen, S. 10f
Emil Sabota: Die Schweiz und die tschechoslowakische Republik, Prag 1927. Th. Schieder, der dieses Werk zitiert, ergänzt zum Buch: „Die Schrift ist in dem offiziösen „Orbis“-Verlag erschienen“, Th. Schieder: Die Schweiz als Modell der Nationalitätenpolitik, in: Festgabe für Hans Herzfeld, Berlin 1958, S. 506f
Grundsätze eines Volksgruppenrechts „ Leitsätze für ein internationales Volksgruppenrecht, in: F. Wittmann/St. Graf Bethlen 1979, 167; vgl. zu den Volksrechten auf dieser Ebene der Volksgruppen auch die bedeutende Arbeit von H. Kloss: Grundfrage der Ethnopolitik im 20. Jh., Wien/ Stuttgart 1969, bes. die Kap. D: Die Selbsterhaltungsrechte und E: Abgrenzung der Nationalitäten und Zuwandererrecht
Anmerkungen
A. Mitteis/H. Liebrich: Deutsche Rechtsgeschichte, München 161981, S. 242
E. Zechlin 1979, 68f.; J. Haller 1926, 17; G. Heinemann 1974, 5; Th. Schieder/P. Alter 1974. 41f. (Disk.).
C. Frantz: Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die soziale, staatliche und internationale Organisation unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland kritisch nachgewiesen und konstruktiv dargestellt. Ndr. d. Ausg. v. 1879, Aalen 1962, S. 225ff. Frantz’ deutschpolnische Fö derationspläne sind heute vergleichbar mit einigen Überlegungen, die Paul Wilhelm Wenger in der Bundesrepublik anstellte: Wer gewinnt Deutschland? Kleinpreußische Selbstisolierung oder mitteleuropäische Föderation. Mit 24 Karten zur politischen Lage, Stuttgart-Degerloch 1959. Der preußisch dominierte Bundesstaat des zweiten Reiches ließ einen ausgewogenen Föderalismus nicht zu; das macht sich auch in der national sehr aufgeschlossenen badischen Politik bemerkbar. W. P. Fuchs (Hrsg.): Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik 1871 – 1907 (Veröff. d. Kommission f. gesch. Ld. kde. in Baden-Württemberg) Stuttgart 1968 – 1981 (4 Bde.)
K. O. Fr. V. Aretin: Vom deutschen Reich zum deutschen Bund, Göttingen 1980 (Deutsche Geschichte Bd. 7), S. 95
H(eribert) Kohl: Pluralismuskritik m der Bundesrepublik. Zur Pluralismusdebatte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B. 12/21.03.1970, hier ist von linken und rechten Kritiken die Rede und auch von „nationalistischen Antipluralisten“.
E. Fraenkel: Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart 61974, S. 28. Das pluralistische Kräfteparallelogramm, das man hier meint erkennen zu können, beeinträchtigt u.E. nicht die Richtigkeit von Fraenkels Einsichten.
K. L. Shell: Liberaldemokratische Systeme. Eine politisch-soziologische Analyse, Stuttgart 1981, S. 188ff.
I. Staff: Lehren vom Staat, Baden-Baden 1981, S. 436f.
Etatistisch beantwortet wird die Frage „Wer garantiert das Gemeinwohl?“ von E. Forsthoff: Rechtsstaat im Wandel, München 21976, S. 39ff.
H. Mommsen: „Äußerer Ausdruck der sich bildenden bürgerlichen Gesellschaft ist die Nation. Schon beim Konzil von Konstanz (1414 – 18), dann im England des 17./18. Jhs. und im vorrevolutionären Frankreich verknüpft sich die Repräsentationsidee mit dem Nationalstaatsprinzip und mündet in die Forderung einer Nationalrepräsentation“ (1971, Sp. 630–631).
H. O. Ziegler geht von dieser Pluralität der Nation aus: „Die Nation als Einheit der volonté générale, diese fiktive Einheit, der aber gleichzeitig ein unbeschränkbarer Souveränitätsanspruch zugesprochen wird, und die Nation als die durch die Selbstverwaltung zur realen Einheit zusammengeschlossenen Pluralität der sozialen Kräfte, in der nicht eine einzige Instanz die Gesamtheit aller legitimen politischen Rechte absorbiert, dieser Gegensatz bezeichnet die sehr wesentliche Verschiedenheit der beiden Positionen.“ S. 192
Anmerkungen
Vgl. zum Problem der Widersprüchlichkeit W. Weidenfeld: Die Antinomie zwischen deutscher und europäischer Integration, in ders. 1981, S. 79ff. u. E. Schulz, 215ff.; H. Groepper 1982, 117 ff.; K. Doehring 1982; G. Ziebura 1971, 153–177; G, Ziebura 1966. 151ff.
Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 2 1975, S. 4ff.
Z. Mlynar: Krisen und Krisenbewältigung im Sowjetsystem, Köln 1983
Vgl. dazu die zahlreichen Arbeiten von Werner Link, z. B. den Sammelband: Die USA und Deutschland 1918 – 1975, hrsg. mit M. Knapp, H.-J. Schröder, K. Schwabe, München 1978; W. Gatzke: Germany and the United States, Cambridge/Mass. u. London 1980; C.-Chr. Schweitzer: Weltmacht USA. Kontinuität und Wandel ihrer Außenpolitik, München 1983, bes. S. 22–44
Vgl. für die Bundesrepublik Art. 24 u. 25 GG. Daneben gelten auch andere Souveränitätsdefizite, wie sie z. B. im Deutschlandvertrag von 1955 (Art. 2) zum Ausdruck kommen; vgl. dazu Doehring (vgl. Anm. 94) und zu weiterem O. Kimminich 1970 und H. Rumpf 1913
Für die Bundesrepublik gilt bzgl. der europäischen politischen Union, daß sie nicht befugt wäre, das Verfassungsziel der Wiedervereinigung zugunsten Europas aufzugeben, da dieses Unterfangen dem Verlust eines Rechtstitels bzgl. einer Politik der Verwirklichung der Wiedervereinigung gleichkäme, die das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 31. Juli 1973 ausschloß. Hier zumindest ist für die Bundesrepublik als Kernstaat des fortbestehenden deutschen Nationalstaates ein Souveränitätsverzicht zugunsten Europas im Sinne des Art. 24 GG zu leisten nicht möglich, zumal dieser Verzicht einer Präjudizierung des Volkssouveräns i. S. der anstehenden Entscheidung gem. Art. 146 GG gleichkäme. Vgl. dazu Karl Doehring, Anm. 94 u. D. Murswiek: Die verfassungsgebende Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1978
M. Hättich: Nationalbewußtsein und Staatsbewußtsein, Mainz 1966, S. 10f u. S. 87. Hättich sieht gleich auch das Ordnungsprinzip Nationalstaat erledigt. Vgl. auch E. Schulz, a.a.O., S. 90f; B. Willms 1982, 95–7
J. Habermas: Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden? In ders.: Rekonstruktion des historischen Materialismus, Frankfurt 1976, S. 109. Wie Hättich lehnt Habermas den Nationalstaat als überholt ab.
Ob man sich — besonders in den Wissenschaften — es so leicht machen darf, indem man alle Nationalstaatsprobleme, besonders die deutschen, nach dem zweiten Weltkrieg dadurch beseitigt, daß man die Bundesrepublik Deutschland zu einem sich selbst voll legitimierenden Nationalstaat macht, sei hier nicht weiter erörtert. R. M. Lepsius vertritt jedenfalls die These: „Die politische Ordnung der Bundesrepublik und ihre Leistungsfähigkeit hat auch das alte Problem des deutschen Nationalismus für die Bundesrepublik gelöst“, in: Nachkriegsgesellschaften im historischen Vergleich, München 1980, S. 39. Vgl. dagegen zur deutschen historischen Situation A. Hillgruber: Ewiges Dilemma: Die deutsche Frage. Vom unvollendeten und unvollendbaren deutschen Nationalstaat, in: FAZ 25/30.1.83, Beil., ders.: Die gescheiterte Großmacht. Eine Skizze des Deutschen Reichs 1871 — 1945, Düsseldorf 1980
C. Schmitt: Der Begriff des Politischen, Berlin 31962, S. 10. Vgl. auch die Kritik Helmut Kuhns an diesem Staatsbegriff an vielen Stellen in der Zeitschrift „Philosophische Rundschau“
E.-W. Böckenförde: Der Staat als sittlicher Staat, Berlin 1978, S. 40. Über den Staat im juristischen Sinne heißt es weiter: „Staat … um fundamentale menschliche Lebenszwecke zu verwirklichen und zu sichern: Äußeren Frieden, Sicherheit des Lebens und des Rechts, Freiheit, Ermöglichung von Wohlfahrt und Kultur. Diese Zwecke stellen keine Zutat dar, die auch entfallen könnte, sie machen das geistige Prinzip des Staates aus, begründen seine Vernünftigkeit und seinen Charakter als gemeinsames Wesen.“ S. 18f.
J. Kocka 1981, 19f.; W. D. Narr: Theoriebegriffe und Systemtheorie, Tl. 1, Stuttgart 1972, S. 154 (vier Lösungen für ein politisches System/Nationalstaat); K. W. Deutsch 1972, S. 212ff. u. ders.: Der Nationalismus und seine Alternativen, München 1972, S. 173f.; K. Davis 1979, 486.ff; K. D. Bracher 1974; P. Burian 1971, Sp.7l3ff.;W. Sauer 19S1, S. 401 ff.; S. Haffner: Der Nationalstaat in der Mitte. Ein abgeschlossenes Kapitel deutscher Geschichte, in: FAZ 100/30.4.1983; E. B. Haas: Beyond the Nation-State: Functionalism and international organization, Stanford, Cal. 1964; W. Wegener: „Nationalitätenstaat“, sowie: „Nationalstaatsgedanke“, in: HRG 1981, Sp. 866–871 und 892–896
Burian, a.a.O.; A. Müller: Die Rolle der Nation in der gegenwärtigen Politik, in: EA 9-1969/ 317-324, hier S. 318f.
W. Bell/W. E. Freeman 1974, 12. Die begriffliche Unterscheidung, die wir hier vornehmen würden, ist in diesem Zusammenhang zweitrangig, so auch E. Schulz, wenn er konstatiert: „Aber ein anderer Entwicklungsweg als der über den ‚Nationalstaat‘ zeichnet sich auch in den Entwicklungsländern nicht ab“, 1982, 63 u. 78, 192
H.P. Schwarz 1974, 23 (eigene Hervorhebung — T. M.); ähnhch H. v. d. Groeben 1968, 11 ff.
Auguste Comte, zit. n. St. Hoffmann: Obstinate or obsolete? The fate of the nation-state and the case of Western Europe, in: J. S. Nye, jr.: International regionalism, Boston 1968, S. 178
Anmerkungen
NATION ALS DOMINIERENDE NATüRLICH-POLITISCHE VERGEMEINSCHAFTUNGSFORM HABEN WIR ALS UNIVERSELLEN VERGEMEINSCHAFTUNGSTYP ERKANNT. DIE NATION ALS INDIVIDUATION IST EINE UNVERWECHSELBARE BESONDERHEIT, EINE INDIVIDUELLE GANZHEIT, DIE IM 20. JH. ZUM UNIVERSELLEN, ABER POLYMORPHEN TYP GEWORDEN IST. NUR diese NATION ZU SEHEN UND NICHT IHRE UNIVERSELLE HISTORISCHE VERBREITUNG MUß ALS partikularistisch ABGELEHNT WERDEN. DIE JEWEILIGE „PARTIKULARITäT“ WIRD GERADE DADURCH UNIVERSELL ANERKANNT, DAß SIE ALS INDIVIDUATION VERSTANDEN WIRD. WIE JEDER MENSCH EINMALIG IST, ABER DENNOCH MENSCH IST, D. H. GATTUNGSWESEN, SO IST DAS KOLLEKTIV NATION ZU INTERPRETIEREN.
P. Glotz, über politische Identität, in: Merkur Nr. 431 v. Dez. 1980, S. 1181. Glotz spricht vom Patriotismus als einer Angelegenheit, die alle Bewohner durch ihre Würde, Wichtigkeit und Größe interessiere (J. A. Bergk, 1796).
E.Kosthorst 1981, 138ff.; D. Teppe: Das deutsche Identitätsproblem, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 21 v. 22.05.1976
Kosthorst, ebd. S. 142 und zahlreiche Umfragen. Vgl. auch die umfangreiche Literatur zum Beschluß der Kultusminister von 1978 zur „Deutschen Frage im Unterricht“.
E.H. Erikson: Identität und Lebenszyklus, Stuttgart 1970; ders.: Dimensionen einer neuen Identität, Frankfurt 1975; K. Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte des menschlichen Erkennens, München/Zürich 1973, S. 270ff.; vgl. auch Kosthorst, a.a.O., S. 138; W. Weidenfeld 1981, 37ff. u. 43.
„Es gab nach dem Krieg Deutsche, die sich der nationalen Solidarität entziehen wollten. Aber die Sieger selbst waren es, die diese nationale Sohdarität erzwangen, indem sie alle Deutschen haftbar machten. Eine solche Kollektive Haftbarmachung ist gewissermaßen die Hohlform nationaler Solidarität.“ H. Buchheim 1966, 15 (eigene Hervorhebung — T. M.)
H. Lübbe: Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, in: Identität. Hrsg. v. O. Mar-Quard u. K. Stierle, München 1979 (= Poetik und Hermeneutik 8), S. 281; „Nationale Identität ist durch politischen Entschluß weder zu verordnen noch zu eliminieren.“ W. Weidenfeld: Die Identität der Deutschen — Fragen, Positionen, Perspektiven, in ders. (Hrsg.): Die Identität der Deutschen, Bonn 1983, S. 43. In dem sehr vielseitigen Band wird zwischen nationaler Identität und Nationalbewußtsein nicht ausdrücklich unterschieden. Bei Helge Pross (1982, 14) heißt es: „Nationale Identität ist ein ‚objektives‘ Phänomen, ein Komplex von Gemeinsamkeiten, die existieren, ob sich die Individuen dessen bewußt sind oder nicht, ob sie sie bejahen oder kritisieren, ob sie sie so wünschen oder verändern wollen.“
Marquard, a.a.O., S. 656f. (Lübbe)
Dazu bestätigend: M. Stürmer: Kein Eigentum der Deutschen: Die deutsche Frage, in: Weidenfeld, a.a.O., S. 97: „Hitler und der Nationalsozialismus haben den Nationsbegriff nicht nur, wie oft gemeint, mißbraucht. Die Nation als sittliche Form wurde in ihrem Wesen transzen-diert, aus einem Ziel zum Mittel, aus einem Wert zu einer Funktion, aus einem ethischen Imperativ zu einem haßerfüllten Schlag. Die Nation verschwand hinter der rassenbiologischen, tödlichen Utopie.“
Zum Nationalbewußstein s. u. III.4.C.; W. Hofer formuliert zum Zusammenhang von Natio-nahtät und Nationalbewußtsein (begrifflich etwas problematisch): „Volk im Sinne von Nationalität gründet sich auch auf Natur. Volkstum und Volksgeist sind die entscheidenden Kriterien. Die Nation ist objektiv da. Es gilt nur, sich ihrer bewußt zu werden“ Minssen/Hofer: Zur Frage nach dem Vaterland, Bonn 1965, S. 19
„Das Glück, eine Heimat, eine Gemeinschaft zu haben und mit ihr eine freie Selbstverwirkli-chung, ist kein leerer Wahn. Auch die Nationahtät, wie immer sie sich thematisiert, ist ein Humanum; und die Loyahtät zur Patria ist ein sittlicher Wert. Daß der Nationalgedanke von Celtis bis Herder humanistisch ist, gibt ihm erst Sinn und Ort. Und es verpflichtet ihn auch zur Offenheit auf eine Vielfalt anderer Gruppen, andere Bünde, größere Integration, zur Bereitschaft sich zu wandeln, und d. h. vor allem: zur Toleranz und zur Erkenntnis seiner Grenzen.“ M. Wehrli: Der Nationalgedanke im deutschen und schweizerischen Humanismus, in: B. v. Wiese/R. Heuß (Hrsg.): Nationalismus in Germanistik und Dichtung, Berlin 1967, S. 144
Nur die ideologisch ausgebildete Variante des Nationalismus ist hier gemeint. In der Fachwissenschaft bezeichnet man allgemein Nationales als Nationalismus: dieser ist Hier nicht gemeint.
Deutsch definiert Nationahtiät in der Tradition Max Webers über den Machtfaktor, den wir aber nicht als wesentlich für die Definition ansehen: „Wenn ein bedeutender Teil der Angehörigen eines Volkes nach politischer Macht für seine ethnische oder sprachliche Gruppe strebt, können wir es als Nationalität bezeichnen“, Nation und Welt, in: Winkler, a.a.O., S. 51
Vgl. M. Weber: Nationahtät und Kulturprestige, in ders.: Wirtschaft und Gesehschaft, Tübingen 5 1976, S. 242f., zum Elsaß vgl. auch S. 528f J. K. Bluntschli: Die nationale Staatenbildung und der moderne deutsche Staat, Berlin 1870, S. 11, „… selbst die Elsässer betrachten sich selbst als Franzosen“
Riege/Kulke: Nationahtät: deutsch, Staatsbürgerschaft: DDR, Berlin (Ost) 1980, S. 40
Vgl. Kap. „Ethnizität“; bei Kosing (s. u.) heißt es: „daß die Nationalität die ethnische Charakteristik der Nation ist“, S. 169
Dies läßt sich auch bei A. Kosing belegen. Es heißt da, daß der soziale Typ der Nation, der kapitalistische oder sozialistische, nicht identisch sei „mit der Nationalität der Bevölkerung, Die Eine Nation Bilde, …“, Nation in Geschichte und Gegenwart, Berlin (Ost) 1976, S. 18 (eigene Hervorhebung — T. M.) Von der „soziahstischen Nationalkultur“, oder von der „Nationalität: deutsch“ ist Jederzeit, Je Nach Historisch-Politischer Situation, der Weg zur gesamtdeutschen Nationahtät zu gehen möglich!
D. Riesmann: Die einsame Masse, Eine Untersuchung der Wandlungen des amerikanischen Charakters. Mit einer Einführung in die deutsche Ausgabe von H. Schelsky, Reinbek bei Hamburg 121968; H. Eichberg: Nationale Identität. Entfremdung und nationale Frage in der Industriegesehschaft, München 1978
O. Marquard, a.a.O.
Meier, IN: Marquard, a.a.O.
K.W.Deutsch 1972, 202; E. Francis 1965, 88; Chr. Pan schreibt dazu: „Mag der physische und geistige Wandel innerhalb eines Volkes noch so groß sein, solange die Identifikation der Lebenden mit den dahingegangenen Geschlechtern vorhanden ist, bleibt das Volk erhalten. Im übrigen sind hier die Verhältnisse sehr ähnlich wie beim Menschen.“ 1971, 13
So kann Max Weber schreiben, daß das „Nationalgefühl“ des Deutschen, Engländers, Amerikaners, Spaniers, Franzosen, Russen nicht gleichartig „funktioniert“, Wirtschaft und Gesehschaft, a.a.O., S. 529
1848 kann in der deutschen, konstitutionellen Bewegung das Medium für die nationale Identitätsaktualisierung gesehen werden. 1848 wurde aber auch in der Kultur das entscheidende Medium für die deutsche Identität gesehen. 1871 kam dem (National-)Staat identitätsmediale Funktion zu: Im Widerspruch zum Kulturmedium. Die Klasse kann in ethnisch stratifizierten Gemeinwesen mediale Funktion haben. Dem österreichischen Staat wird heute, wiederum im Widerspruch zum Kulturaspekt, eine nationalidentitäre Position zugeschrieben. Getestet wurde diese Identität historisch noch nicht, wohl aber im Falle des Staates der Deutschen Demokratischen Republuk: 1953 und 1961 sind neben den enormen mihtärischen Grenzbefestigungen wichtige Indizien und historisch gültige Tests, daß dieser etablierte Staat national, von der deutschen Nation her, in Gestalt seiner deutschen Bevölkerung und seines Gebietes bedingt ist — und daß er als Staat Kein Medium Einer Neuen Nationalen IdentitäT Geworden ist. Würde das Elsaß etwa vergleichweise abgesperrt, so müßte man auch dort Zweifel haben an der — allerdings auch schon getesteten — dortigen nationalen Identität.
Teilungen seien dort nicht das Resultat einer einfachen Spaltungsachse: „Religious cleavages in Ireland, for example, also reflect perceived ethnic differences, as they do in India and Pakistan.“ S. 435
Vgl. auch die hochinteressante gegenwärtige Arbeit K. W. Deutschs und seiner Mitarbeiter an einem neuen Weltmodell (Globus), das auf empirischem Material aus 25 Nationen aufbaut: vgl. Anm. zu Kap. „Nation und Pluriversum“. Über den Politologen Deutsch siehe Sonderheft V. März 1983 der „Mitteilungen des Wissenschaftszentrums Berlin“
Daß Nationalbewußtsein „constitutes a bond between the members of a group“, meint F. Hertz 1945, 15, eine im übrigen sehr empfehlenswerte Studie
Diese Unterscheidung übergeht E. Jäckel in einem Diskussionsbeitrag, der des Zitats halber angeführt sei: „Ich wollte gern noch ein Wort von Willy Brandt zitieren, der einmal gesagt hat: ‚Nationales Selbstbewußtsein ist etwas anderes als Überhebhchkeit und Überschätzung des eigenen Wertes gegenüber anderen Völkern‘. Das ist, nebenbei gesagt, das, was wir meistens unter Nationalismus verstehen. Willy Brandt fährt dann fort: ‚Dieses Selbstbewußtsein ruht in einem sicheren Urteil der eigenen Kraft, Leistung und Tugend und der eigenen Begrenztheit. Selbst zu erkennen, was ist, zu wissen, wo wir- stehen und wohin wir wollen: das gehört zu dem Selbstbewußtsein eines mündigen Volkes.‘ Man würde das wahrscheinlich nicht Nationalismus nennen, aber in diesem Sinne könnte man jedenfalls die Sache des Nationalgefühls vielleicht doch bewahren.“ S. 102, in: Mitscherlich/Kalow, A.a.O.; vgl. zum Nationalgefühl R. Laun: Nationalgefühl und Nationalismus, in: Ostdeutsche Wissenschaft I/1954/S. 95f., ders.: Zum Problem der Behandlung der nationalen Frage durch internationale Organisationen, in: FS f. H. Wehberg, hrsg. v. W. Schätzel u. H.-J. Schlochaue, Frankfurt/M 1956, S. 320; K. G. Hugelmann 1955, 249
Die indonesische Identität wird durch die fünf Verfassungsprinzipien definiert: Glaube an Gott, Nationalismus, Humanismus, Demokratie, soziale Gerechtigkeit. Sie sollen ein enges Gemeinschaftsgefühl erzeugen, so Zairin Zain, in: H. Vogt, a.a.O., S. 208
E. R. Huber stellt für das Kulturbewußtsein einen Wandel auf ein Universalkulturbewußtsein fest wie für das nationalbewußte Geschichtsbewußtsein einen Trend zum Universalgeschichtsbewußtsein, in: Nationalstaat und Verfassungsstaat, S. 278f. Zur Bedeutung des sprachlich-kulturellen Faktors für den Nationalismus in Osteuropa: H. Mommsen 1971, Sp. 634; die vielfältigen Möglichkeiten eines deutschen Nationalbewußtseins spricht W. J. Mommsen indirekt an, wenn er schreibt, daß es heute „einen deutschen Kernstaat gibt, die Bundesrepublik, und gleichsam zwei weitere deutsche Staaten ‚deutscher Nation‘, nämhch die DDR und Österreich“, Nationalbewußtsein und Staatsverständnis der Deutschen, in: R. Picht (Hrsg.): Deutschland -Frankreich — Europa, Bilanz einer schwierigen Partnerschaft, München/Zürich 1978, S. 234
Die Existenz eines Nationalcharakters bestreitet H. L. Koppelmann 1956, 51. Dagegen Otto Bauer, S. 56, 73f., 1975; F. Hertz, a.a.O., S. VII u. 40f.; J. Stalin 1976, 31 u. J. V. Bromlej 1977, 77 u. 86 beschreiben den Nationalcharakter
Im Unterschied zum Elsaß orientiert sich die südtirolische Identität an der deutschen Nation, nicht an der staatsösterreichischen etwa! Christoph Pan: Südtirol als volkliches Problem, a.a. O., S. 118f.; J. R. Rudolph, jun.: Ethnoregionalism in contemporary Western Europe: The potential for political accomodation, in: CRSN 8/2-1981/323-341.
Vgl. die fast 100 Titel umfassende annotierte Bibliographie von J. Seroka: Postwar Jugoslave nationalism, in: TH. Spira: Annoted bibliography of works on nationalism: A regional selection, Vol VIII, 1981, S. 77–95, CRSN
J. Roucek: Nationalismus und Partikularismus junger Staaten, in: EA 22/1967/185ff; H. F. Illy 1982, 189ff (hier auch Literaturhinweise): A. A. Lamperstorfer 1981, 75–96. A. Hughes 1981, 122ff
P. H.Mussen/J.J. Conger/J. Kagan: Child development and personality, New York 21963, zit. n. H. E. Schmidt: Nationalismus und einige psychologische Aspekte, in: Politische Studien 21/1970/304-312, hier 305. Vgl. auch die Studie: National character: The study of modal personality and socio-cultural systems v. A. Inkeles u. D. J. Levinson, in: The handbook of social Psychology, Lindzey/Arolson (Eds.), vol. 4, 21969
E.Lemberg 1950, 16ff.; P. R. Hofstätter: Einführung in die Sozialpsychologie, Stuttgart 5l973, S. 118–121
Vgl. Toynbee, nach Mitscherlich/Kunow, S. 93, ähnlich B. C. Shafer: Nationalism, New York 1955 u. W. Sulzbach: Imperialismus und Nationalbewußtsein, 1959
„Die Ethik des Nationalismus wurzelt in der jahrtausendealten kriegerischen Stammesmoral“, in: PVS, a.a.O., S. 155 (Sulzbach)
K. W. Deutsch: Nationenbildung, a.a.O., S. 205, versteht unter extremem Nationalismus eine Haltung, bei der „dringende und wichtige Nachrichten aus der Realität durch unrealistische und unwichtige, aber von der Ideologie bevorzugte Nachrichten verdrängt werden“.
zit. n. R. Laun, a.a.O., S. 115
RT-Rede v. 1881, zit. n. H. Groepper, 1972
vgl. neben H. Mommsen, a.a.O., auch TH. Schieder 1971, 10. Mitscherlich sieht im Nationalismus das gemeinsame Zusammenleben-Wollen, gemeinsame Tradition, gemeinsame Aufga-benstellung, auch „daß wir nicht verloren sein wollen, zu einem Administrationsgebiet ohne Gesicht“, a.a.O., S. 110. Das Thema Nationalismus kann hier nicht behandelt werden. Auf den Zusammenhang mit Nationalbewußtsein wurde bereits hingewiesen.
A. D. Smith (Ethnic revival, London 1982), spricht von „Cyclical Oszillation“, S. 82
G. Schweigier: Nationalbewußtsein in der BRD und der DDR, Düsseldorf 1974. Diese Meinungswissenschaft hat hinzwischen auch Eingang gefunden in das „Wörterbuch zur Politischen Kultur“
J. Kocka 1981, 6; vgl. auch Hans-Joachim Arndt 1978, wo es auf S. 81 in der Anm. 88 heißt: „Über die Rede des Bundespräsidenten Scheel vor dem 31. Deutschen Historikertag in Mannheim berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung in ihrer Ausgabe v. 23.9.1976 folgenden Satz: ‚Die Idee der Nation als höchstes Prinzip souveränen staatlichen Handelns überlebt.‘ — „Die Welt“ vom gleichen Tage zitierte diesen Satz so: ‚In Europa hat sich die Idee der Nation als höchstes Prinzip souveränen staatlichen Handelns überlebt. Diese Erkenntnis ist in unserem Volk vielleicht weiter verbreitet als anderswo.‘ — Wir halten die Version von „Die Welt“ für authentischer; um ein Wort zuviel oder zuwenig schlingert das deutsche Nationalbewußtsein herum.“
Als — bezeichnenderweise umstrittene — „Therapie“ dieser Indifferenz ist der überparteiliche Beschluß der Kultusminister zur „Deutschen Frage im Unterricht“ zu verstehen.
Die hierzu wichtige demoskopische Literatur sei einfachheitshalber nur mit einigen Namen angedeutet: Elisabeth Noelle-Neumann, Erwin Scheuch, Walter Jaide, Rainer Roth, Sylvia und Martin Greiffenhagen, Gerhard Schmidtchen, Helge Pross.
H. Mommsen: Zum Problem des deutschen Nationalbewußtseins in der Gegenwart, in: Der Monat 31/2-1979/75. Mommsen bezeichnet übrigens die „Übertragung“ (!) des Begriffs Identität, den er der Individualpsychologie meint zuordnen zu können, als dilletantisch. Vgl. dagegen W. Weidenfeld: Identität, a.a.O., wo eine große Palette von Identitätsofferten präsentiert und referiert wird.
EGON Bahr, in: R. Appel u. a.: Nationalbewußtsein heute, S. 70. Zum Nationalbewußtsein in der Bundesrepublik der 50er Jahre vgl. J. Gabbe 1976
So J. Habermas: Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden (1974), in ders.: Rekonstruktion des historischen Materialismus, Frankfurt 1976, S. 121 (eigene Hervorhebung — T. M.). Damit wird Habermas’ Formel auf die Nation bezogen, die er nur im Rahmen der Demokratie (wie wir für die Neuzeit ebenso) als die Grundlage einer an vernünftigen Zielen ausgerichteten Identität ansieht, S. 111
Völlig zu Recht bemerkt W. J.Mommsen (1983): „Die eigene Nationalgeschichte als solche enthält nicht schon den Schlüssel zu Problemen der nationalen Identität der Deutschen; sie kann bestenfalls die Wege hin zu einem neuen Verständnis ihrer Rolle in der heutigen Welt weisen“, 1983. Direkter formuliert Tivey (1981, 12): „nationality: that is how we have come to think of ourselves“.
Heinrich Heine karikiert diese hübsch: „Mit welchen kleinseligen Silbenstechen und Auspünk-teln diskutieren sie über die Kennzeichen deutscher Nationalität! Wo fängt der Germane an, wo hört er auf? Darf ein Deutschet Tabak rauchen? Nein, behauptet die Mehrheit. Darf ein Deutscher Handschuhe tragen? …“ usw. zit. n. Chr. Graf v. Krockow 1983, 163
K. W. Deutsch/L. J. Edinger/R. C. Macridis/R. L. Merritt: France, Germany, and the Western Alliance. A Study of elite attitudes on European integration and world politics, New York 1967.
„Wo jemand sich bloß noch von einer einzigen Zugehörigkeit bestimmen läßt, entstehen pathologische Prozesse, Deformationen, etwa des „Nur-Berufs- oder Nur-Familien-Menschen“, Krockow 1983, 167f u. ders.: Nationalismus als deutsches Problem, München 1970
W. J. Mommsen 1983, 182: „Für lange Zeit erschien die normative Zugehörigkeit der bundes-republikanischen Gesellschaft zum westeuropäisch-amerikanischen Modell gesellschaftlicher Ordnung den Deutschen als werthafte Orientierung ausreichend zu sein“.
Anmerkungen
M. Broszat, in: Nachkriegsgesellschaften im historischen Vergleich, München 1981, S. 56; O. Bauer: „Keine Nation nimmt fremde Elemente unverändert auf; jede paßt sie ihrem ganzen Sein an …“ S. 214f.; D. Lerner: Die Modernisierung des Lebensstils: Eine Theorie, in: W. Zapf (Hrsg.): Theorien des sozialen Wandels, Meisenheim 41979, S. 362f.; M. R. Lepsius: Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“, in: R. Koselleck: Studien zum Beginn der modernen Welt, Stuttgart 1977, S. 10–29; vgl. auch Max Webers Protestantismusstudie; zum Modernitätsbegriff vgl. in dem von H. Steffen herausgegebenen Band: Aspekte der Modernität, Göttingen 1965, die Aufsätze von A. Gehlen (Genese der Modernität — Soziologie, S. 31–46) u. H. Anton u. H.-G. Gadamer
D. Riesman: Die einsame Masse, Reinbek 121968, Chr.Lasch: Das Zeitalter des Narzißmus, München 1980 (vgl. Kap. „Kulturelle Frage“)
H. Freyer: Das geschichtliche Selbstbewußtsein des 20. Jahrhunderts, Leipzig 1937, S. 12; vgl. ders.: Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Stuttgart 21956
„Es ist außerdem bekannt, daß die Nationen und nationalen Sprachen sich durch eine außer-ordenthche Stabilität und kolossale Widerstandskraft gegen die Politik der Assimilierung auszeichnen. Die türkischen Assimilatoren, die grausamsten aller Assimilatoren, haben Hunderte von Jahren die Balkannationen gemartert und gepeinigt, sie haben es jedoch nicht zustandegebracht, diese zu vernichten, sondern sahen sich gezwungen zu kapitulieren. Die zaristischrussischen Russifikatoren und die preußisch-deutschen Germanisatoren, die an Grausamkeit wohl kaum den türkischen Assimilatoren nachstanden, haben mehr als 100 Jahre lang die polnische Nation in Stücke gerissen, gepeinigt, genauso wie die persischen und türkischen Assimilatoren die armenische und georgische Nation in Stücke rissen, marterten und auszurotten suchten, und dennoch ist es ihnen nicht gelungen, diese Nationen zu vernichten, sondern — im Gegenteil — sie sahen sich ebenfalls gezwungen zu kapituheren.“ J. Stalin (1929) 1976, 336
F. Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft, Darmstadt 1972 (1. A. 1887), Vgl Dazu Vor Allem W. J. Cahnmann: Tönnies und die Theorie des sozialen Wandels: eine Rekonstruktion, in: ZfSoz 10/1981/7-16. Daneben sind Max Weber, aber auch Emile Durkheim zu nennen.
W. Sombart: Emporkommen, Entfaltung und Auswirkung des Kapitalismus in Deutschland (S. 199–292) u.: Kapitalismus und kapitalistischer Geist in ihrer Bedeutung für Volksgemeinschaft und Volkszersetzung (S. 280–292), in: B. Harms 1929, Bd. 1 (hier S. 284–287)
Zur Zyklik oder Unlinearität von historischem, „sozialen“ Wandel vgl. R. A. Nisbet: Social change and history, Oxford u. a. 1969
„… besteht das zentrale Problem der politischen Modernisierung in der Fähigkeit der Systeme, sich an die verschiedenen Forderungen anzupassen, sie in Politik zu übersetzen und die eigene Kontinuität angesichts der ständig neuen Forderungen und der neuen politischen Organisationen zu gewährleisten“; S. Eisenstadt: Tradition, Wandel und Modernität, Frankfurt 1979 (engl. 1973)
vgl. H.-U. Wehler: Modernisierungstheorien, Göttingen 1975, S. 35ff.;W. Zapf: Modernisie-rungstheorien, in: Prismata. Dank an B. Haussier, hrsg. v. (u. a.) D. Grimm, Pullach 1974, S. 302–317, vgl. D. Lerner: Modernisation, in: International encyclopedia of the social sciences New York 1968 vol. 10, S. 387; M. Schmid: Theorie des sozialen Wandels, Opladen 1982, S. 13–36; K. D. Bracher: Ideologien von der ersten zur dritten Welt, in ders.: Zeit der Ideologien. Eine Geschichte politischen Denkens im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1982, S. 372–396
R. Bendix: Modernisierung in internationaler Perspektive, in: W. Zapf: Theorien, a.a O., S. 506 u. 510
N. Johnson: Die englische Krankheit, Stuttgart 1977
Für England wiederum war das frühkapitalistische Holland („Dutch Society“) vorbildlich, vgl. P. G. M. Dickson: The financial revolution in England. A study in the development of public credit 1688–1756, London 1967; Ch. Wilson: The dutch republic and the civilisation of the 17th century, London 1968; C. R. Boxer: The dutch seaborn empire 1600–1800, Harmonds-worth 1973
S. P. Huntington: Political modernization: America vs. Europe (1966), in: R. Bendix: State and society, Berkeley u. a. 1973, S. 170–200
vgl. die Einleitung von K. Streitfthau zu W. Bagehot: Die englische Verfassung, Neuwied 1971
vgl. B. Faulenbach 1980, S. 214 u. a.; W. Conze 1979, 67ff. (vgl. ebd. auch den Beitrag Wehlers) und schließlich Th. Nipperdey: Interessenverbände und Parteien im Deutschland vor dem ersten Weltkrieg, in: H.-U. Wehler 1981, 369ff.
vgl. R. J. Lamer: Der englische Parlamentarismus in der deutschen politischen Theorie im Zeitalter Bismarcks (1857–1890), Lübeck u. a. 1963. Zu Weber vgl. seine „Gesammelte politische Schriften“, Tübingen 31971, S. 222f; 245f und vor allem S. 306–443
C. Schmitt: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin 1969
Vgl. aber das großartige Unternehmen R. Bendix’ zur vergleichenden Herrschaftsgeschichte: Könige und Volk 1980
H..-CH. Schröder: Die neue englische Geschichte im Lichte einiger Modernisierungstheoreme (1970), in: R. Koselleck (Hrsg.): Studien zum Beginn der modernen Welt, Stuttgart 1977, S. 30ff, hier S. 43f., vgl. die „Kritik“ bei W. Sombart: Händler und Helden, München 1915. Die bürgerlich-kaufmännische Anglophilie wird, an einem Fall demonstriert, bei W. Ruppert deutlich: Bürgerlicher Wandel. Studien zur Herausbildung einer nationalen deutschen Kultur im 18. Jahrhundert, Frankfurt/New York 1981
D. S. Landes: Großbritannien als Vorbild Westeuropas, in ders.: Der entfesselte Prometheus. Technologischer Wandel und industrielle Entwicklung in Westeuropa von 1750 bis zur Gegenwart, Köln 1973, S. 124ff Vgl. auch für die Voraussetzungen dieser Entwicklung P. Wende: Probleme der englischen Revolution, Darmstadt 1980 u. J. Gebhardt: Die Republik eines Humanisten. Anmerkungen zur „Politik“ J. Huntingtons, in J. H.: Politische Schriften, München 1973, S. 8f., vgl. weiter R. Bendix: Die Staatsbürgerschaft der unteren Klassen, in ders. 1981, 113ff.
Bühl 1970, 21 und zu Stalins Theorie des Wandels, dem „Soziahsmus in einem Lande“ und zu dessen Reduktion des Wandels auf technischen Wandel ebd. S. 134; G. Brunner/H. Herlemann: Modernisierungsprobleme in der Sowjetunion, Berlin 1982
H. F.Illy 1982, 177; G. C. M. Mutio/S. W. Rohio (Hrsg.): Readings in African political thought, Nairobi 1975; E. Häckel: Afrikanischer Nationalismus. Macht und Ideologie im Schwarzen Afrika, München 1974; W. Veit: Nationalismus, Marxismus und Tradition in Schwarzafrika, in: aus Politik und Zeitgeschichte, B 16 v. 22.4.1978, S. 17ff.
Die auch kommunikationstheoretisch begründbare zentralistische Urbanisierung hat in der Dritten Welt, aber auch im England des 19. Jhs. (Manchester) verheerende Folgen gezeitigt.
Zapf, a.a.O., S. 499
B. Willms: Politische Koexistenz. Zur Theorie des Ost-West-Konflikts, Paderborn 1982, S. 67f.
R. Stemplowski: Modernisierung — Theorie oder Doktrin?, in: Conze/Schramm/Zernack 1979, 14
Entsprechendes gibt es auch in der marxistischen Doktrin, vgl. dazu z. B. W.Müller: Ein „besonderer deutscher Weg“ zur Volksdemokratie? Determinanten und Besonderheiten kommunistischer Machtergreifung in der SBZ/DDR 1945–1950, in: PVS 23/3-1982/278-303. Vgl. auch den Art. „Nationalkommunismus“, in: P. Chr. Ludz/J. Kuppe (Hrsg.): DDR-Handbuch, Köhl 2979,S. 760
Vgl. dazu die Bedeutung der industriellen Revolution für den Nationalismus Bei Hayes: Nationalismus 1929
vgl. dazu J. Kocka: Sozialgeschichte, Göttingen 1977, S. 105–107
Unter der Überschrift „Einige Schlußfolgerungen für die Entwicklungspolitik“ schreibt K. W. Deutsch (in: Zapf a.a.O., S. 336f.): „Wenn Menschen aus der physischen und intellektuellen Isolation ihrer unmittelbaren Umgebung, aus ihren alten Gewohnheiten und Traditionen, und oft aus ihren altgewohnten Beschäftigungen herausgerissen werden, dann erleben sie einen drastischen Wandel ihrer Bedürfnisse. Sie brauchen dann etwa Vorkehrungen für Unterricht und Beschäftigung, soziale Sicherheit in Krankheit und im Alter, und medizinische Betreuung angesichts der Gesundheitsgefährdung durch die neuen überfüllten Wohnungen und Arbeitsplätze und angesichts des Risikos von Unfällen an den unvertrauten Maschinen. Sie brauchen gegebenenfalls eine Versicherung oder einen Beistand gegenüber möglicher zyklischer oder saisonbedingter Arbeitslosigkeit, gegenüber drückenden Miet- und Zinsforderungen und gegenüber plötzlichen Preisschwankungen der wichtigsten Handelsartikel, die sie kaufen oder verkaufen müssen. Sie selbst haben Ausbildung, ihre Kinder Unterricht nötig. Kurzum, sie bedürfen in einem hohen Maße und in einem weiten Bereich staatlicher Sicherungs- und Wohlfahrtsmaßnahmen … Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß Maharadjas, Sultane, Sheiks und Stammeshäuptlinge mit diesen neuen Problemen fertigwerden … Für die entwurzelten, verarmten und desorientierten Massen, welche durch die soziale Mobilisierung entstanden sind, …“ S. 337 u. 339. Vgl. dazu H. Eichberg: „Entwicklungshilfe“. Verhaltensumformung nach europäischem Modell? Universalismus, Dualismus und Pluralismus im interkulturellen Vergleich, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 93/1973/641-670
R. Stemplowski, a.a.O., S. 16. Etwas anderes (und vollkommen richtig) ist die Feststellung, daß nationale Bewegungen bei gesellschaftlichen Wandlungsvorgängen eine erhebliche Rolle spielen: auslösend, verhindernd, betreibend. Vgl. O. Dann 1978, 209f. Falsch ist indes die These „Nationalismus ist stets Eine Folge Von Wandlungsvorgängen im Zusammenhang der Modernisierung traditionaler Gesellschaften.“ ebd., S. 210
D. u. K. Ciaessens: Kapitalismus als Kultur. Entstehung und Grundlagen der bürgerlichen Kultur, Frankfurt 2979
Vgl. „Animation Rurale“ bei H. F. IllY 1982, 194ff
W. Conze 1979, 60. Berücksichtigt man die Nationen nicht, so mag dies für die Theorie folgenlos sein, nicht aber für die politische Praxis. Im 20. Jh. gibt es neben den gerade überholten traditionalistischen „Alternativen“ eben auch den Marxismus-Leninismus, der — gegen seine internationalistische Theorie — den nationalen Standort anerkennt — und entsprechend verändert.
Selbstverständlich können subnationale (regionale) oder transnationale (europäische z. B.) Träger der Modernisierung gemeint sein.
S. N.Eisenstadt, a.a.O., S. 110
W. Bernhard (Einleitung), in: ders. u. A. Kandier: Bevölkerungsbiologie: Beiträge zur Struktur und Dynamik menschlicher Populationen in anthropologischer Sicht (FS Ilse Schwidetzki), Stuttgart 1974, S. XIX
vgl. R. V. Thadden 1980, 7; v. Thadden vermag folgendermaßen eindringlich den unglaubli-chen Veränderungsprozeß zu illustrieren: „Die tiefgreifenden Wandlungen, die das deutsche Volk in seiner inneren Struktur und Zusammensetzung in den letzten hundert Jahren erfahren hat, lassen sich in einem Vergleich zwischen zwei Gesprächssituationen veranschaulichen. Man stehe sich eine Gesprächsrunde in der Zeit der Bismarckschen Reichseinigung in etwa folgender Besetzung vor: ein Rheinländer, ein Sachse, ein Ostpreuße, ein Balte, ein Böhmendeutscher, ein Österreicher, ein Elsässer und — nicht zuletzt — ein jüdischer Bürger aus Berlin. Und man versuche, diese Gesprächsrunde in die Gegenwart zu transponieren. Der Rheinländer: damals in einer — wenn auch wirtschaftlich wichtigen — Randprovinz Preußens lebend, heute Bürger eines Kernlandes der Bundesrepublik; der Sachse: damals Einwohner eines Landes, dessen starke Arbeiterbewegung wachsende Bedeutung für ganz Deutschland gewann, heute eine prägende Kraft im anderen deutschen Teil-Staat; der Ostpreuße: damals Vorposten Preußen-Deutschlands in Ostmitteleuropa, heute in andere Gebiete West- und Mitteldeutschlands verschlagen; der Balte: damals als Träger deutscher Kultur im russischen Zareneich lebend, heute sozial assimiliert vorwiegend in Westdeutschland; der Böhmenoder Sudetendeutsche: damals ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor in den tschechischen Gebieten der Donaumonarchie, heute in Gegenden lebend, die nur von der Bismarckschen Reichsgründung erfaßt wurden; der Österreicher: damals selbstverständlich Deutscher in Konkurrenz mit Preußen, heute Angehöriger eines eigenen selbständigen Staatsvolkes; der Elsässer: damals Kulturdeutscher mit französischen politischen Überzeugungen, heute auch den deutschen Sprach- und Kulturtraditionen bald völlig entfremdet; der Berliner jüdische Bürger schließlich: damals der deutschen Kultur meist völlig assimiliert und einer ihrer wichtigsten Träger, heute — soweit zu den wenigen Überlebenden des Hitlerschen Infernoszählend-entweder hebräisch sprechender Bürger des Staates Israel oder Angehöriger eines anderen Kulturbereiches in der Welt. Wer sich diese Ungeheuren Wandlungen vergegenwärtigt, wird zu dem Schluß kommen müssen, daß es kein Wunder ist, wenn die Deutschen Schwierigkeiten haben, zu sich selber zu finden.“
K. Sontheimer: Nation und Nationalismus, in: H. Steffen (Hrsg.): Die Gesellschaft in der Bundesrepublik, Analysen II, Göttingen 1971, S. 138 u. 141 (hier wird auch die Position Jaspers referiert), ders.: Ein deutscher Sonderweg?, in: W. Weidenfeld (Hrsg.): Die Identität der Deutschen, Bonn 1983, S. 324f; W. Weidenfeld 1981, S. 30 zu Besson; L. Niethammer 1972, S. 18, 82, 99f.; M. R. Lepsius, in: Nachkriegsgesellschaften im historischen Vergleich, München 1981, S. 37f; ders.: Nation und Nationalismus in Deutschland, in: H.-A. Winkler 1982, 12ff; ders.: Die Teilung Deutschlands und die deutsche Nation, in: R. Albertin/W. Link: Politische Parteien auf dem Weg zur parlamentarischen Demokratie in Deutschland, Düsseldorf 1981, S. 417–449; W.J. Mommsen 1974, 28; ders. 1978, 41, 44; H. Mommsen: Aus eins mach zwei. Die Bi-Nationalisierung West-Deutschlands, in: Die Zeit, Nr. 7 v. 6.2.1981, S. 4 (vgl. die Reaktion v. H.-A. Winkler: Nation — ja, National-Staat — nein, in: Die Zeit. Nr. 8 V. 13.2.1981,S.5)
Man könnte auch von „Nationalem Nihilismus“ sprechen, wie es in manchen sowjetmarxistischen Stellungnahmen heißt, wenn man die Kritik K. D. Erdmanns über „Eine Geschichte der Bundesrepublik — vom übrigen Deutschland abgesehen“ liest (in: HZ 236/1983/97): „Die Bundesrepublik Deutschland, von Theodor Heuss zunächst als ein Provisorium, später als ein Transitorium bezeichnet, hat sich als ein Faktum erwiesen. Aus dieser zutreffenden Beobachtung ziehen K. D. Bracher, Th. Eschenburg, J. C. Fest und E. Jäckel den Schluß, daß es nun an der Zeit sei, endlich die Geschichte dieses Staates, der eigentlich gar kein Staat sein wollte, zu erzählen. Sie wollen dem defizitären Staats- und Geschichtsbewußtsein der Bundesrepublikaner helfen, indem sie die nun ins Werk gesetzte Darstellung nicht länger mit der „Vorstellung von der Einheit der Nation“ belasten wollen. „Weil der Gang der Dinge in West und Ost kaum noch etwas gemein“ habe, so liest man in der Vorbemerkung zum Gesamtwerk, sollen „die Ereignisse in der DDR wie überhaupt jenseits der Grenzen nur noch insoweit in den Bhck“ genommen werden, „wie es zum Verständnis notwendig ist“. Was heißt aber dieses „insoweit wie“? Hat doch dieser Staat „für sich“ die Sinnperspektive seiner Existenz als ein „über sich hinaus“ beschrieben, indem er als Zielbestimmung den Verfassungsauftrag formulierte, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden“.“
In einer etwas anderen Terminologie hat Heinz O. Ziegler 1931 auf diesen entscheidenden Punkt hingewiesen: „Eine Nation ist nur insoweit wirklich, als die Chance besteht, daß diese spezifische Ausrichtung des Verhaltens das „Sich-Orientieren“ der Individuen bestimmt.“ S.64
A. V. Harnack (Einleitung) in: Die deutsche Freiheit, Gotha 1917, S. 13
„Statt eines rund 80 Millionen umfassenden deutschen Großsprachenvolkes würde nur ein Bündel von sprachverwandten Völkern deutschen Ursprungs bestehen, wodurch Mitteleuropa zu einer Art Skandinavisierung verurteilt worden wäre — … dennoch war die durch Luther bewirkte Zerstörung des hieratischen Monopolanspruchs der lateinischen Sprache zunächst im kirchlichen und erst in der Folge auch im weltlichen Raum der Wissenschaft und Literatur doch eine entscheidende Voraussetzung für die ethnische und nationale Differenzierung und Gliederung der abendländischen Völkerwelt, deren Volkselemente dadurch in ihren bislang mißachteten Muttersprachen selber ‚unmittelbar zu Gott‘ wurden.“ M. H. Böhm: Ostdeutsche Wissenschaft I/1954/15
Damit ist der germanische Einfluß auf die deutsche Nation nicht in Frage gestellt, aber als pränationales Phänomen ausgeschlossen. Zu Löwenthals Darstellung bestehen also methodische Differenzen, keine inhaltlichen. Löwenthal stellt die Sache des nationalen Wandels, ohne sie so schon zu nennen, sehr eindrucksvoll in einem nationalgeschichtlichen Rahmen dar, S. 230f., vgl. damit die eindrucksvolle Schilderung von Otto Bauer 1975, S. 165
Anmerkungen
„Es entsprach den österreichischen Erfahrungen, daß diejenigen, die in thesi die reinsten Internationalisten waren, in praxi die schlimmsten Nationalisten wurden.“ H. Mommsen: Sozialistische Arbeiterbewegung und nationale Frage, in: H. A. Winkler 1978, 91
E.R.Huber 1965, S. 277. Die Mißachtung dieses Prinzips führte zur Erosion der National-staatlichkeit in Europa nach zwei Weltkriegen.
Schmitt: Der Begriff des Politischen, Hamburg 31933, 37
In der Ausgabe von 1963, Berlin, S. 54, vgl. ebd., S. 120
L. Strauss: Anmerkungen zu Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen (1932), in ders.: Hobbes’ Politische Philosophie, Neuwied 1965 (= Politica 21), S. 171. Vgl. Kap. „Praktische Philosophie und Nation“
Strauss, a.a.O., S. 178
Vom „bonum cummune generis humani“ spricht noch unter universalistischen Ausgangsbedingungen Francisco Suárez, nach A. Verdross/B. Simma: Universelles Völkerrecht, Berlin 21981, S. 33. Suárez gliedert die politische und moralische Menschheit in Völker und Reiche, die Glieder des Universums seien.
Von einem „Plural der Völker“, der in der Geschichte anzutreffen sei, spricht H. Freyer 21956,S.248
C. Schmitt: Die legale Weltrevolution. Politischer Mehrwert als Prämie auf juristische Legalität und Superlegalität, in: Der Staat, 17/3-1978/327
N. Luhmann: Weltgesellschaft (1971), in ders.: Soziologische Aufklärung 2, Opladen 1975, S. 57, vgl. auch die Rez. v. F. Scholz: Freiheit als Indifferenz. Alteurop. Probleme mit der Systemtheorie Niklas Luhmanns, Frankfurt/M. 1982 durch W.Lipp, in: KZSS 35/2-1983/ 367-370
Luhmann, S. 58
Ebd., vgl. auch folgende Äußerung: „Weltweite Interaktion ist möglich, wenn und so weit Partner unter allen Menschen gewählt werden können, sofern dies nach dem Sinn der Interaktion wünschenswert ist, ohne daß Gesellschaftsgrenzen dies verhindern. Ein Argentinier mag eine Abessinerin heiraten, wenn er sie liebt; ein Seeländer in Neuseeland Kredit aufnehmen, wenn dies wirtschaftlich rational ist, ein Russe technischen Konstruktionen vertrauen, die in Japan erprobt worden sind; ein französischer Schriftsteller in Ägypten homosexuelle Beziehungen suchen; ein Berliner sich auf den Bahamas bräunen, wenn ihm dies ein Gefühl der Erholung vermittelt. Was läßt sich in solchen Hinsichten faktisch als Weltzustand beobachten?“, S.53
J. Habermas: Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden: (1974), in ders.: Zur Rekonstruktion des historischen Materialismus, Frankfurt 1976, S. 92ff.; hier S. 118ff
ebd., S. 121
L. Strauss, a.a.O., S. 176
„Zur Lage der Nation im geteilten Deutschland“, Bonn 1983, S. 38f.
So spricht K.-U. v. Hassel vom Europäischen Parlament als vom „Sprachrohr der Völker und Bürger“, in: Das Parlament 33/23-33; 13.-20.8.1983/S. 1; W. Conze 1964/15 und K. D. Erdmann 1956, 7f. und 13f.
F. Ermarcora: Allgemeine Staatslehre, 2. Bd., Berlin 1970, S. 1196; M. Zuleeg: Von den Grenzen nationaler Souveräntität und der Begrenzung europäischer Macht. Das EG-Paradebeispiel für eine supranationale Organisation, in: Das Parlament, August 1983, a.a.O., S. 6. Kitt der Integration u. der Zusammenarbeit sei das Interesse der Mitgliedstaaten am Fortbestehen der EG, heißt es nüchtern bei Zuleeg.
vgl. G. Ress (Hrsg.): Souveränitätsverständnis in europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden 1980
Dazu W. Wassmund: Grundzüge der Weltpolitik. Daten und Tendenzen von 1945 bis zur Gegenwart, München 1982, S. 143
H.P. Ipsen: Über Supranationalität, in: Fs. f. U. Scheuner zum 70. Geburtstag, hrsg. v. H. Ehmke u. a., Berlin 1973, S. 221–225, hier S. 223f
Ebd., S. 216. In diesem Sinn kann die Montanunion und die europ. Atomgemeinschaft, Euratom,verstanden werden.
H. Hotze: Skandal Europa. 25 Jahre Europäische Gemeinschaft oder: Wie sich eine Idee zu Tode subventioniert, München 1982; F. Rosenstiel: Supranationahtät: Eine Politik des Un-politischen, Köln 1964, S. 165 heißt es: „Über die europäischen Gemeinschaften gibt es zahlreiche Untersuchungen. Sie alle analysieren, zergliedern, vergleichen, messen und dosieren. Auf der letzten Seite lassen sie aber den Leser mit einem Prinzip der ‚Supranationahtät‘ allein …“ Und auf S. 32 ist ebenfalls nicht unrichtig: „Die Beziehung zwischen den Exekutivorganen der Gemeinschaften und den die nationalen Souveränitäten vertretenden Räten oder Kollegien bezeugen auf die Dauer Verhaltensweisen und ‚Gegenverhaltensweisen‘, die diese Organisationen mit einer entgegengesetzten Bestimmung in einer Art von Dialog erstarren lassen, der von Konformismus und Statik geprägt ist.“
K. D. Bracher: Stets existenziell betroffen. Die Teilung — das besondere Problem der Deutschen in der EG, in: Das Parlament Nr. 12 v. 26.3.83, S. 3
Die Welt vom 26.3.77
F.-W. Henning: Das vorindustrielle Deutschland 800 bis 1800, Paderborn 31977, S. 185ff (Vgl. auch die Arbeiten I. Wallersteins, dazu die Kritik bei R. Bendix: Rationalismus und Historismus in den Sozialwissenschaften, in ders. 1982, 24ff.)
C. Schmitt, 1978, a.a.O., vgl. ders.: Der Nomos der Erde, Berlin 1950 und: Die Einheit der Welt, in: Merkur v. Januar 1952
R. Meyers: Weltpolitik in Grundbegriffen, Bd. I: Ein lehr- und ideengeschichtlicher Grundriß, Düsseldorf 1979, S. 216ff; K. Kaiser: Theorie der internationalen Politik, in: K. D.Bracher/ E. Fraenkel (Hrsg.): Internationale Beziehungen, Frankfurt 1969, S. 275; J. S. Nye jr./R. D. Keohane: Transnationale Beziehungen und Weltpolitik, in: H. Haftendorn (Hrsg. u.a.): Theorie der internationalen Politik, Hamburg 1975, S. 83; W. Boeck: Internationale Beziehungen, Freiburg/Würzburg 1981 (5. A.), S. 12
Wassmund, a.a.O., S. 123
K. M. Schellhorn: Der Staat, die wichtigste Aktionseinheit in der internationalen Politik, in: G.-K. Kindermann (Hrsg.): Grundelemente der Weltpolitik, München 1977, S. 101
Bühl, a.a.O., S. 113. Bühl bestreitet nicht, daß die Staaten „und ihre Verbände … die Haupt-akteure der internationalen Politik sind“, ebd., S. 128
Nye, a.a.O., S. 74. „Die transnationalen Beziehungen sind nichts Neues, aber die Zunahme transnationaler Organisationen im 20. Jahrhundert ist spektakulär“, S. 83, ähnlich H. Haftendorn, S.13
In der Bundesrepublik ist dieser Aspekt besonders für den Osthandel zutreffend.
Aus: Wissenschaftszentrum Berlin, Jahresbericht 1981, S. 53
G.-K. Kindermann: Zur Methode und Analyse zwischenstaatlicher Politik, in ders.: Grundelemente, a.a.O., S. 49f und S. 65
Mit der westlichen Illusion vom „Ende der Ideologien“ ist die oberflächliche Beurteilung von Hitlers „Mein Kampf“ vor 1933 vergleichbar.
F. Ryshenko: Friedliche Koexistenz und Klassenkampf, in: Prawda von Ende August 1973, zitiert nach M. S. Voslenskij: Das Prinzip der friedlichen Koexistenz, in: H. Haftendorn, a.a. O., S. 188; vgl. auch B. Willms: Politische Koexistenz. Zur Theorie des Ost-West-Konflikts, Paderborn 1982
H.Mommsen: Sozialistische Arbeiterbewegung, in: H. A. Winkler 1978, 87ff.
Lenin-Werke (LW) — 22, S. 148, und LW — 20, S. 460 und 13
Nach B. Lewytzkyi: Sovetskij narod — Das Sowjetvolk. Nationalitätenpolitik als Instrument des Sowjetimperialismus, Hamburg 1983, S. 27. Darin wird auch auf zwei Diskussionen eingegangen, die (1979 u. 1980) unter der Leitung von J.V.Bromlej (vgl. Kap. „Ethnizität“) und P.N. Fedoseev (Vizepräsident der Ak. d. Wiss. d. UdSSR) standen. Fedoseev „leitete“ auch das „Autorenkollektiv“, das den Band verfaßte: Der Leninismus und die nationale Frage in der Gegenwart, Moskau 1974 (dt.), darin zum „Sowjetvolk“ S. 476ff.
Vgl. dazu auch die weiteren Literaturangaben bei Lewytzkyi und seine eigene, sehr zitaten-reiche Arbeit, S. 166, 31, 67, 83, 88f., 128
Bühl vergleicht, vor der Entwicklung zum „Sowjetvolk“, die amerikanische und sowjetische weltgesellschaftliche Tendenz: „Es mag zwar das Leitbild der Vereinigten Staaten wie der Sowjetunion sein, nach innen eine homogene, nicht durch gravierende Klassendifferenzen gespaltene Gesellschaft und nach außen eine einheitliche, alle nationalen Eigenheiten übergreifende Weltgesehschaft aufzubauen. Beide Kulturen sind im Grunde „materiahstische“ Kulturen: die materielle und industrielle Basis wird zugleich als die Grundlage aller Vergesellschaftung angesehen. Ob diese Entwicklung nun durch Ausdehnung einer liberalen Marktgesellschaft oder durch die von den Kommunisten angestrebte Weltrevolution bewirkt werden soll, ist dabei nicht so entscheidend. Gefährhch ist das Leitbild der Weltgesehschaft, verstanden als unmittelbares Entwicklungsziel, aber auf jeden Fall: Im Extremfall dient es dazu, die Liquidation ganzer Schichten und die Deportation und Denationalisierung von gewachsenen Nationalitäten, die diesem Ziel im Wege stehen, als „notwendiges Opfer“ zu rechtfertigen; im andern Fall werden die auftretenden ungleichen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse als unvermeidliche Folge der zwar anerkannten, aber als Störumg empfundenen nationalen Eigenheiten erklärt. Kennzeichnend für beide Vorstellungen ist es, daß sie nicht etwa in einer tatsächhchen Öffnung zur Weltgesellschaft, sondern in einer selbstgewählten Isolierung entstanden sind. Beide sind bestimmt vom puritanischen oder vom orthodox-messianistischen Rückzug vom heterogenen, von Widersprüchen geschüttelten und „verfaulenden“ alten Europa.“, W. Bühl 1970,162
E. Schulin 1974 (Einleitung), S. 23f Richtung und Sinn der Menschheitsgeschichte zu kennen behaupten, ist etwas anderes, als mit bestimmten Erkenntnisinteressen Universalgeschichte zu betreiben.
G. Barraclough: Vom europäischen Mächtegleichgewicht zum Zeitalter der Weltpolitik (21971), in: Schulin: a.a.O., S. 359. Barraclough zeigt die eurozentrische Schwäche auf, Weltpolitik jenseits von Europa nicht wahrzunehmen, was auch an der Überreaktion auf die Entwicklung des zweiten deutschen Reiches (bes. im 20. Jh.) abzulesen sei.
A. Rüstow: Rede und Antwort, Ludwigshafen 1963, S. 309
C. J. Hayes: Nationalismus, Leipzig 1929 (Übs.), S. 229, wo es heißt: „Ich würde kein Vergnügen daran finden zu sehen, wie jede Äußerung der Zivilisation, an die ich daheim gewöhnt bin, in jeder Stadt in Frankreich, Holland, Rußland, in der Türkei, in Indien, Abessinien und Japan photographisch reproduziert wird. Ich habe keinerlei Vorliebe für eine absolute Uniformität … Wenn die industrielle Revolution überall den Sinn für heimatliche Eigenart vernichtet und die gleiche Art Stein- und Eisenbau in Asien und Afrika wie in Europa und Amerika errichtet, wenn die Gaststätten in der ganzen Welt in gleicher Weise dieselbe Art Mittagessen … auftischen, wenn die Menschen überall in der Welt sich gleich häßlich kleiden, so ist es mehr denn je und gerade heute ein Trost, daß die Nationalität noch immer erfreulicherweise und in gesunden Formen die Aufgabe auf sich nimmt und auch leistet, wenigstens kleinere Unterschiede in der Zivilisation und Kultur zu betonen.“ Am anderen Ende steht die Auflösung der Welt und ihrer Individuationen durch ihre Indivi-dualisierung, vgl. dazu die philos. Kritik bei H. O. Ziegler, a.a.O., S. 154 u. ö.
Vgl. dazu H. Heller: Sozialismus und Nation, Berlin 1931, S. 101; B. Willms: Polit. Koexistenz, a.a.O., S. 45
Anmerkungen
G.Barraclough 1974, 372f.; weiter E. Lemberg 1972, 54; A. Hillgruber 1981;G.Hubatschek 1982, 70f. (u. ebd. v. Lohausen, S. 22f.); D. Calleo: Deutschland und das Gleichgewicht der europäischen Mächte, in: W.F. Harnrieder/H. Rühle: Im Spannungsfeld der Weltpolitik: 30 Jahre deutsche Außenpolitik (1949–1979), Stuttgart 1981, S. 9ff. (sehr zu empfehlen ebd. d. Aufs. V. G. Zeitel und J. R. Schaetzel); H. Mommsen: Zur Beurteilung der altösterreichischen Nationahtätenfrage, in ders.: Arbeiterbewegung und nationale Frage, Göttingen 1979, S. 130
M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 51976, S. 211 u. 815 u. a.
E.R.Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 5, Stuttgart 1975, S. 6ff.; O. Hintze: Imperiahsmus und Weltgeltung, in: Die deutsche Freiheit, Gotha 1917, S. 121
Vgl. dazu Graf v. Krockow 1970, 31, 38f., 68; S. 100 heißt es, es bedürfe „jedes politische System, das den Herausforderungen der Modernität standhalten will und m Konkurrenz zu anderen politischen Systemen steht, eines Minimums der Integration, der Egalisierung, Solidarisierung und Aktivierung seiner Bürger, unter welchem Vorzeichen dies im einzelnen auch immer geschehen mag. Der Prozeß der ‚Demokratisierung‘ im Sinne Tocquevilles — offen gegen die Alternative von Freiheit und Despotie — bleibt irreversibel.“
Eine ähnhche Position bei G. Gaus: Texte zur deutschen Frage, Darmstadt 1981
A. Mertes: Wie relevant ist die deutsche Frage, in: PK 7/2-1980/17-30, hier S. 28f., vgl. auch M. Kriele: Wie wird Entspannung wieder möglich? Recht als Basis des Friedens, in: FAZ 115/19.5.1982, 7–8. Es heißt dort auf S. 8, daß Friedenspolitik nur möglich sei als Akzidenz einer an Menschenrecht und Völkerrecht orientierten substantiellen Politik. Der Versuch, Entspannung unabhängig davon unmittelbar zur Substanz der Politik zu machen und das störende Rechtsbewußtsein zu relativieren, fordere Aggressionen geradezu heraus.
Vgl. dazu jüngst das Papier des sowjetischen Instituts für Ökonomie und Organisation der industriellen Produktion bei der Akademie der Wissenschaft in Nowosibirsk, abgedruckt in: Die Welt, Nr. 191–193 v. 18.-20.8.1983; W. Seiffert: Kann der Ostblock überleben? Der Comecon und die Krise des soziahstischen Wirtschaftssystems, Bergisch-Gladbach 1983, S. 93ff. und 212ff
Zit. n. W. Weidenfeld 1981, 76f. (vgl. oben dargestellten Zusammenhang v. Einheit und Freiheit in 1.4.)
A. Mertes, a.a.O., S. 26
Weidenfeld 1981, 117. Gerade im Bereich der politischen Bildung ist diese Mahnung relevant, wenn man demoskopischen Umfragen Glauben schenken kann.
Vgl. dazu die Schriften von Machiavelli, Rousseau und Tocqueville
W.Seiffert: Die deutsche Nation zwischen Politik und Recht, in: PK 6/5-1979/40f (eigene Hervorhebung — T. M.)
John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20.1.1961, zit. nach H. Vogt 1967, 210
H. Quaritsch, in: Gegenstand und Begriff der Verfassungsgeschichtsschreibung (= Beiheft 6 von Der Staat), Berlin 1983, S. 26. Friedrich Engels konstatiert als Zeitzeuge der bürgerlichen 48er Revolution und der Reichsgründung von 1871, es sei „die deutsche Einheit keine bloß deutsche Frage. Seit dem Dreißigjährigen Kriege war keine einzige gemeindeutsche Angelegenheit mehr entschieden worden ohne die sehr fühlbare Einmischung des Auslandes. — So war Deutschland nicht nur macht- und hülflos, in innerem Hader sich aufreibend, poütisch, militärisch und selbst industriell zur Nichtigkeit verdammt. Sondern, was noch weit schlimmer, Frankreich und Rußland hatten durch wiederholten Brauch ein Recht erworben auf die Zerspütterung Deutschlands, ganz wie österreich und Frankreich ein Recht sich anmaßten, darüber zu wachen, daß Italien zerstückelt blieb. Es war dies angebliche Recht, das der Zar Nikolaus geltend gemacht hatte, indem er, jede eigenmächtige Verfassungsänderung sich gröbüchst verbittend. die Wiederherstellung des Bundestages, dieses Ausdrucks der Ohnmacht Deutschlands, erzwang. Die Einheit Deutschlands mußte also erkämpft werden, nicht nur gegen die Fürsten und sonstigen inneren Feinde, sondern auch gegen das Ausland. Oder aber ’ mit Hülfe des Auslands.“ (nach K. Motschmann 1979, 87 zitiert)
W.W. Schütz 1965,212, Becker 1981, 186; W. Kamiah: Die Frage nach dem Vaterland, S. 34: „1815 wurde unterschieden zwischen dem Imperiahsmus Napoleons, von dem sich Europa befreit hatte, und dem französischen Volk, das man unangetastet heß. Ist es richtig zu sagen, die Sieger von 1945 hätten die Möghchkeit nicht gehabt, Europa vom nationalsozialistischen Terror zu befreien, ohne das deutsche Volk zu zerschneiden und zu zerstümmeln?“
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Mayer, T. (1986). Darstellung des Prinzips Nation: Ordnungsmodell und Wirklichkeitscharakter der Nation. In: Prinzip Nation. Forschungstexte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86133-7_3
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