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In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod

Operativität bei Alexander Kluge

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Part of the book series: LESEN ((LES,volume 4))

Zusammenfassung

Schon die Art, wie Alexander Kluge und Edgar Reitz den Titel ihres gemeinsamen Films präsentieren, zeigt an, worum es ihnen geht. Begriffliche Hypotaxen vermeidend — in Absage an überlieferte Bedeutungsdramaturgien — reihen sie Wahrnehmung an Wahrnehmung, Fundstück an Fundstück. Auch der Titel ist eine zufällig gefundene Einzelheit, die erste in einer langen Kette, nicht die Zusammenfassung des Filmthemas, kein übergeordneter Begriff, nach dem die folgenden Bilder und Sätze sich interpretieren ließen. So nähert sich die Kamera in ihrer ersten Einstellung langsam einer Zimmertür, auf die mit der Hand geschrieben steht: In Gefahr und größter Noth bringt der Mittelweg den Tod. Die Filmemacher haben den Spruch in einem der besetzten Frankfurter Häuser Ecke Schumannstraße/Bockenheimer Landstraße aufgenommen; der Zimmerbewohner wollte den Spruch sehr wahrscheinlich politisch verstanden wissen, im Sinn der radikalen Linken als Kritik an Sozialdemokratie und Sowjetmarxismus, während der eigentliche Verfasser, der schlesische Lyriker Friedrich von Logau, im Aphorismus die religiöse Unbedingtheit des barocken Mystikers formuliert hat; man könnte sich schließlich den Spruch auch als Haussegen eines preußischen Offiziers vorstellen. Das soll heißen: die Dinge der Welt sind nicht so eindeutig wie sie erscheinen, sie wechseln semantisch je nach Position und Interesse dessen, der sie gebraucht. Der Begriff der Radikalität schillert irritierend.

„Wenn wir eine Rebellion des Willens gegen die Wahrnehmung realer Verhältnisse bemerken, die die sinnliche und intellektuelle Arbeit und eigentlich auch den Gegenstand, mit dem man sich auseinander setzen muß, wegfegt, also einen neuen Idealismus und Subjektivis mus, dann halten wir es für parteilich, genau dagegen anzugehen. Es ist dann nötig, große Massen von unerträglicher oder lachhafter Rea lität in Filmen zusammenzufassen, an denen sich die Fähigkeit eines geduldigen komplexen Wahrnehmens abarbeiten kann.“ Alexander Kluge (1)

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Anmerkungen

  1. Rudolf zur Lippe: Objektiver Faktor Subjektivität, in: Kursbuch 35/1974, S. 1 ff.

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  3. Dieter Richter: Geschichte und Dialektik in der materialistischen Literaturtheorie, in: alternative 82/1972, S. 2 ff.

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  4. Vertov, zit. nach: Filmkritik, Heft 214/1974, S. 449.

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Roul Hübner Erhard Schütz

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© 1976 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Buselmeier, M. (1976). In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. In: Hübner, R., Schütz, E. (eds) Literatur als Praxis?. LESEN, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85870-2_7

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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  • Online ISBN: 978-3-322-85870-2

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