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»Vaganten« — interdiskursiv

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Part of the book series: Historische Diskursanalyse der Literatur ((HDL))

Zusammenfassung

Die Politiken der Disziplinierung, die sich um den Komplex des Nomadischen in den 20er und 30er Jahren entwickeln, reichen bekanntlich von verschärfter polizeilicher Erfassung über Sterilisationsmaßnahmen bis hin zu Einweisung und Ermordung in Konzentrationslagern.1 Nicht zuletzt erscheint der Völkermord an Sinti und Roma mit dieser verschärften Abwehr des Nomadischen verbunden.2 Während der systematische Genozid gerade das Ereignis »NS«, dessen Besonderheit und insofern die Diskontinuität markiert, ergeben sich bezüglich der Systematik jedoch Kontinuitäten. Zutreffend betont Rainer Hehemann bereits, daß die seit Beginn des Jahrhunderts einsetzende polizeiliche Erfassung und die in den 20er Jahren durch Daktyloskopierung und Lichtbilder angereicherten »Akten« eine Grundlage für Forschung und Vernichtungspolitik des NS geworden ist.3 Akten und Ausweise mit Fingerabdruck und Bild unterstreichen ihrerseits Besonderheiten des historischen Ereignisses in Opposition zu der longue durée des »Zigeunerstereotyps«. Innerhalb der neuen Formierung der Wanderungsbewegungen verändern sich auch dessen Konturen und Funkionsweisen. Denn die Techniken der disziplinierenden Identifizierung gehen einher mit der diskursiven und vor allem symbolischen Konstituierung des »Vaganten«. Grundlegend für die neue Wissensproduktion wird dabei die weitere Ausdifferenzierung des »Wanderns« und seiner Symbolik.

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Literatur

  1. Bereits zu Beginn der 80er Jahre hat Detlev Peukert auf die Funktion des »Vaganten« innerhalb der Konstituierung des »Asozialen« und »Gemeinschaftsfremden« hingewiesen (vgl. D.P.: Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus. Köln 1982). Wolfgang Ayaß hat in seinen umfangreichen Studien mittlerweile die Maßnahmen gegen »Wanderer und Nichtseßhafte« genauestens rekonstruiert und Peukerts Vermutung insofern bestätigt; vgl. W.A.: Wanderer- und Nichtseßhafte — ›Gemeinschaftsfremde‹ im Dritten Reich. In: Soziale Arbeit und Faschismus. Volkspflege und Pädagogik im Nationalsozialismus. Hg. v. Hans-Uwe Otto, Heinz Sünker. Bielefeld 1986, S. 361–387; W.A.: Die Verfolgung von Bettlern und Landstreichern im Nationalsozialismus. In: Wohnsitz nirgendwo. Hg. vom Künstlerhaus Bethanien. Berlin 1982, S. 405–413; W.A.: »Asoziale« im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995.

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  2. Vgl. dazu die mittlerweile zahlreichen Studien, z.B.: Joachim S. Hohmann: Handbuch zur Tsiganologie. Frankfurt/M. 1966

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  3. Rainer Hehemann: Die ›Bekämpfung des Zigeunerunwesens‹ im Wilheminischen Deutschland und in der Weimarer Republik, 1871–1933. Frankfurt/M. 1987

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  4. Joachim S. Hohmann: Geschichte der Zigeunerverfolgung in Deutschland. Überarb. Neuausg. Frankfurt, New York 1988; Die gesellschaftliche Konstruktion des Zigeuners. Zur Genese eines Vorurteils. Hg. v. Jacqueline Giere. Frankfurt/M., New York 1996; Zigeuner. Geschichte und Struktur einer rassistischen Konstruktion. Hg. v. Wulf D. Hund. Duisburg 1996

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  5. Leo Lucassen: Zigeuner. Die Geschichte eines polizeilichen Ordnungsbegriffs in Deutschland 1700–1945. Köln 1996.

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  6. Vgl. Hehemann, S. 273–294.

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  7. Maria Meuser: Vagabunden und Arbeitsscheue. Der Zigeunerbegriff der Polizei als soziale Katgorie. In: Hund (Hg.): Zigeuner, S. 207–128, hier (und alle folgenden Zitate), S. 122f.

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  8. Art. 109, Abs. 3, Satz 1 der Reichsverfassung.

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  9. Zit. n. Meuser, S. 123.

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  10. Der nichtseßhafte Mensch. Ein Beitrag zur Neugestaltung der Raum- und Menschenordnung im Großdeutschen Reich. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern hg. v. Bayerischen Landesverband für Wanderdienst, München. Körperschaft des öffentlichen Rechts. München 1938, hier S. 9.

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  11. Zu den verschiedenen Verfolgungsmaßnahmen vgl. genauer Ayaß: »Asoziale«, S. 19–56.

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  12. Vgl. dazu Aly/Heim: Vordenker.

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  13. Robert Ritter: Zigeuner und Landfahrer. In: Der nichtseßhafte Mensch, S. 71–88, hier S. 79.

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  14. Ein Menschenschlag. Erbärztliche und erbgeschichtliche Untersuchungen an — durch 10 Geschlechterfolgen erforschten — Nachkommen von »Vagabunden, Jaunern und Räubern«. Von Dr. phil., Dr. med. habil. R.[obert] Ritter. Oberarzt a. d. Universitätsklinik. Leipzig 1937.

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  15. Ritter : Zigeuner, S. 87. Daß »Vagabunden« tatsächlich Opfer von Zwangssterilisationen wurden, belegt dann auch ein anderer Beitrag des Bandes. Erwähnt wird ein »Wanderer«, der sich darüber beschwert »zu Unrecht« wegen »Schizophrenie« sterilisiert worden zu sein. Der Verfasser bestätigt jedoch die Diagnose und die Angemessenheit der Maßnahme. Friedrich Ehrlicher: Jugendschicksal als Grund sozialer Entwurzelung. In: Der nichtseßhafte Mensche, S. 243–274, hier S. 269.

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  16. Ritter: Menschenschlag, S. 19.

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  17. Ritter: Zigeuner, S. 84 u. 86 sowie Ritter: Menschenschlag, S. 108.

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  18. Ritter: Menschenschlag, S. 108; Ritter: Zigeuenr, S. 83.

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  19. Ritter: Zigeuner, S. 79; Die »nichtseßhaften Wanderzigeuner« oder, wie es auch heißt, die »echten Zigeuner« sind für Ritter nicht nur zahlenmäßig weniger, sondern vor allem einfacher zu erkennen und zu erfassen. Das auf die genannte Weise gelöste Identifizierungsproblem scheint dabei der anvisierten -nach Ritter ›einfachen‹ Umsiedlungs-›Lösung‹ und ihrer schließlich bekannten Transformation zur mörderischen Endlösung zuzuarbeiten. Zur »sinnvollen« Regelung der »Zigeunerfrage« vgl. Ritter: Zigeuner, S. 78.

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  20. Ritter: Menschenschlag, S. 51 u. S. 76.

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  21. Ritter. Zigeuner, S. 71.

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  22. Zit. n. Ayaß: »Asoziale«, S. 54f.

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  23. Alarich Seidler: Aufgaben und Einrichtungen des Bayer. Landesverbandes für Wanderdienst. (LVW). In: Der nichtseßhafte Mensch, S. 441–466, hier S. 444f.

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  24. Ayaß: »Asoziale«, S. 53.

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  25. Wilhelm Polligkeit: Haltung der Volksgemeinschaft gegenüber dem nichtseßhaften Menschen. In: Der nichtseßhafte Mensch, S. 17–48, hier S. 35.

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  26. Hilde Eiserhardt: Die brachliegende Arbeitskraft des Wanderers: Schwierigkeiten und Möglichkeiten ihrer Verwertung. In: Der Nichtseßhafte Mensch, S. 315–370, hier S. 334.

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  27. Friedrich Ehrlicher: Jugendschicksal, S. 246.

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  28. Polligkeit: Haltung, S. 35.

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  29. Franz Exner: Die mittellosen Wanderer vor den Strafgerichten. In: Der nichtseßhafte Mensch, S. 89–95, hier S. 95.

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  30. Ayaß: »Asozialität«, S. 202ff.

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  31. Ebd., S. 102 und 185.

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  32. Hermann Baumgärtner: Die Straffälligkeit der mittellosen Wanderer. Kriminalstatistische Unterschung der in Bayern von 1935–1937 erfaßten Wanderer. In: Der nichtseßhafte Mensch, S. 97–212, hier S. 98.

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  33. Werner Villinger: Welche Merkmale lassen am jugendlichen Rechtsbrecher den künftigen Gewohnheitsverbrecher vorausahnen. In: Der nichtseßhafte Mensch, S. 213–230, hier S. 214.

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  34. Mit diesen Merkmalen bezieht sich Villinger und — wie sich zeigen wird — auch die anderen einschlägigen Beiträge auf die berühmte Charaktertypologie Kurt Schneiders (Die psychopathischen Persönlichkeiten. 1. Aufl. Wien 1923.). Zu deren Bedeutung bis weit in die Zeit der Bundesrepublik hinein vgl. Link: Normalismus, S. 85ff.

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  35. Friedrich Stumpfl: Geistige Störungen als Ursache der Entwurzelung von Wanderern. In: Der nichtseß-hafte Mensch, S. 275–308, hier S. 299.

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  36. Ebd. Stumpfl zit. die Auflage von 1934.

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  37. Friedrich Ehrlicher: Jugendschicksal als Grund sozialer Entwurzelung. In: Der nichtseßhafte Mensch, S. 243–274, hier S. 244.

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  38. Zu den genre-konstitutiven Regeln der Autobiographie vgl. Ursula Link-Heer: »A la recherche du temps perdu« und die Form der Autobiographie. Zum Verhältnis fiktionaler und pragmatischer Erzähltexte. Amsterdam 1988.

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  39. Ayaß: »Asoziale«, S. 56f.

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  40. Ayaß: »Asoziale«, S. 35ff. Das hat nicht nur mit den personellen Kontinuitäten zu tun, für die Wilhelm Polligkeit exemplarisch ist, der mit zwei Beiträgen in dem Sammelband vertreten ist und ab Mitte der 30er Jahre als Mitarbeiter Seidlers fungiert. Polligkeit, Mitherausgeber der »Sozialen Praxis« und Vorsitzender des »Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge«, gilt in den 20er und 30er Jahren als wichtigster Fürsorgefunktionär.

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  41. Karl Wilmanns: Das Vagabundentum in Deutschland. In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. Bd. 168 (1940), H. 1, S. 65–111, hier S. 111.

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  42. Karl Wilmanns: Zur Psychopathologie des Landstreichers. Eine klinische Studie. Leipzig 1906. Als ein sozialpolitisches bzw. -reformerisches Beispiel für diese verstärkte Auseinandersetzung kann Hans Ostwald gelten. Ostwald, selbst jahrelang gewandert, gilt nicht nur als besonderer »Kenner«, sondern auch als Freund der ›Vagabundem. Seine Veröffentlichungen beziehen sich jedoch auch auf eine notwendige Differenzierung bzw. auf Maßnahmen, um die »tüchtigen Menschen vor Verkommen« in der »Landstreicherei« zu schützen. Interessanterweise ist er mit seiner Feststellung der »Arzt« sei »wichtiger« als »der Theologe« ein Beispiel für die hygienisch-medizinische Umorientierung der Sozialpolitik und die Durchsetzung des biopolitischen Diskurses (vgl. Hans Ostwald: Die Bekämpfung der Landstreicherei. Darstellung und Kritik der Wege, die zur Beseitigung der Wanderbettelei führen. Stuttgart 1903, S. 266 u. 270). Ostwald, der sozusagen vom »Vagabunden« zum sozialpolitisch orientierten Autor wurde, lieferte mit den von ihm gesammelten und veröffentlichen »Liedern aus dem Rinnstein« und seinem ›autobiographischem Roman (»Vagabunden«, EA 1900) zugleich eine wichtige Grundlage für die unterschiedlichsten Studien der zwanziger und dreißiger Jahre.

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  43. Einen Überblick gibt Mayers Dissertation von 1934, dazu s.u.

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  44. Vgl. etwa Wilhelm Stekel: Impulshandlungen (Wandertrieb, Dipsomanie, Kleptomanie, Pyromanie und verwandte Zustände). Berlin, Wien 1922, S. 20.

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  45. Wilmanns, Vagabundentum, S. 96ff.

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  46. Ludwig Mayer: Der Wandertrieb. Eine Studie aufgrund vorhandener Literatur, eigener Studien und Untersuchungen. Würzburg 1934.

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  47. Hanna Meuter: Die Heimlosigkeit. Ihre Einwirkung auf Verhalten und Gruppenbildung der Menschen. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. L. v. Wiese in Köln. Jena 1925.

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  48. Meuter: Heimlosigkeit, S. 82, 108, 118.

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  49. Ferdinand Tönnies: Soziologische Skizzen. In: F.T.: Soziologische Studien und Kritiken. 2. Sammlung. Jena 1926, S. 1–62, hier S. 10.

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  50. Meuter: Heimlosigkeit, S. 31.

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  51. Zur Sexualisierung und Hysterisierung vgl. Michel Foucault: »Sexualität und Wahrheit. Bd. 1. Der Wille zum Wissen. Frankfurt/M. 1978, S. 175f. Zu daran anschließenden Studien zum Hysteriekomplex vgl. u.a. Ursula Link-Heer: »männliche hysterie«. In: »nicht mehr als zwei geschlechter?« kultuRRevo-lution 9 (juni 1985), S. 39–47; Marianne Schuller: hysterie — eine strafbare krankheit? In: ebd., S. 34–39; Schuller verweist vor allem auf die Aspekte der Täuschung und Sprunghaftigkeit, die sich insofern mit der Symbolik des Nomadischen verbinden können.

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  52. Michel Foucault: Das Subjekt und die Macht. In: Hubert L. Dreyfus, Paul Rabinow: Michel Foucault. Jenseits von Hermeneutik und Strukturalismus. Mit einem Nachwort von Michel Foucault. Aus dem Amerik. übers, v. Claus Rath u. Ulrich Raulff. Frankfurt 1987 (EA: Michel Foucault. Beyond Structuralism, 1982), S. 241–261, hier, S. 246.

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  53. Auch Foucault unterscheidet an dieser Stelle durchaus ähnlich wie Althusser den »zweifachen Sinn« des frz. Wortes »Sujet« (›Subjekt‹ und ›Objekt‹ bzw. ›Gegenstand‹: »vermittels Kontrolle und Abhängigkeit jemandem unterworfen sein und durch Bewußtsein und Selbsterkenntnis seiner eigenen Identität verhaftet sein« (ebd., S. 246f.). Vgl. zur historischen Emergenz dieser Konzeption des ›Menschen als erkenntnistheoretische Doublette‹ in der Moderne M.F.: Die Ordnung der Dinge. Übers, v. Ulrich Köppen. Frankfurt/M. 1971 (EA: Les mots et les choses. Paris 1966), S. 367–412.

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  54. Vgl. u.a. Hermand: Seelenvagabund; Friedemann Spicker: Deutsche Wander-, Vagabunden- und Vagantenlyrik in den Jahren 1910–1933. Wege zum Heil — Straßen zur Flucht. Berlin, New York 1976

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  55. Georg Bollenbeck: Armer Lump und Kunde Kraftmeier. Der Vagabund in der Literatur der 20er Jahre. Heidelberg 1978.

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  56. Während Bollenbeck die Bestimmung der Klassenlage fordert, begründet die Opposition endogen/exogen die für Spicker zentrale Unterscheidung zwischen Vagant und Vagabund, die gleichzeitig mit einer Bewertung ihrer literarischen Bedeutung verbunden ist.

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  57. In der Reihenfolge der Zitate: Bollenbeck: Vagabund, S. 39; Spicker: Vagantenlyrik S. 7 u. S. 191.

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  58. Zur Literatur und Kunst in der Zs. »Straubinger« sowie in der »Bruderschaft« und im »Kunden« vgl. Bollenbeck, Vagabund sowie Rainer Noltenius: Die Künstlergruppe der »Bruderschaft der Vagabunden« (1928–33). In: Armutszeugnisse. Die Darstellung der Armut in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Hg. v. Andrea Zumpancic (Ausstellung v. Fritz-Hüser-Institut u. Museum am Ostwall). Berlin, Dortmund 1995, S.123–138.

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  59. Vgl. die Grundthese bei Hermand: Seelenvagabund sowie Spicker: Vagantenlyrik, S. 289; Bollenbeck: Vagabund, S. 85.

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  60. Hermann Hesse: Peter Camenzind. In: H.H., Gesammelte Dichtungen. 1. Bd. Frankfurt/M. 1952, S. 217–372, hier S. 331. Unter diesem Aspekt situiert sich auch der autobiographische Roman des »Vagabunden« Ostwalds deutlich in Opposition zum Nomadischen. Seine Wanderungen erhalten zumindest in der Autobiographie das »Ziel«, »das Leben der Unsteten […] mitzuerleben« und zu »schreiben«. Schließlich findet er auch zurück in die »Heimat« der Familie und zum Vater. Nach der Eheschließung »wandert[e] er nur noch im Traum«.

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  61. Vgl. Hans Ostwald: Vagabunden. Ein autobiographischer Roman. Hg. u. eingel. v. Klaus Bergmann. Frankfurt/M., New York 1980 (EA 1900), S. 40 u. 229.

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  62. Waldemar Bonseis: Aus den Notizen eines Vagabunden. 3. Bd., Narren und Helden. In: W.B. Gesamtwerk, Bd. 4. Hg. v. Rose-Marie Bonseis. Stuttgart 1992, S. 267–439, hier S. 386.

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  63. Vgl. Link-Heer: Autobiographie.

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  64. Bonseis: Menschenwege, Notizen 1. Bd. In: Gesamtwerk, 4. Bd., S. 5–149, hier S. 119.

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  65. Hier zeigen sich bereits die besonderen intertextuellen Bezüge zu Novalis. In dem 17. Abschnitt des »Blütenstaubs« heißt es u.a.: »Die Tiefen unsers Geistes kennen wir nicht — nach innen geht der geheimnisvolle Weg« (zit. n. Novalis Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Hg. v. Paul Kluckhohn u. Richard Samuel. 2. Bd., Stuttgart 1960, S. 419). Der Text »Heinrich v. Ofterdingen«, der diese Symbolik des Weges nach Innen komplex ausformuliert und narrativiert, erscheint in vielen Sequenzen des Bonselschen Romans geradezu zitiert. Das gilt insbesondere für die Liebe zur sterbenen Kindfrau, die zu einem religiösen Erweckungserlebnis wird (s.u.).

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  66. Bonseis: Eros und die Evangelien, Notizen, 2. Bd. In: Gesamtwerk, Bd. 4, S. 151–266, hier S. 239.

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  67. Stekel: Impulshandlungen, S. 19.

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  68. Bonseis: Menschenwege, S. 116.

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  69. Bonseis: Eros und Evangelien, S. 163.

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  70. Bonseis: Menschenwege, S. 14.

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  71. Z.B. Bonseis: Menschenwege, S. 97.

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  72. Bonseis: Narren und Helden, S. 392.

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  73. Ebd., S. 338.

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  74. Bonseis: Menschenwege, S. 8.

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  75. Diese Stelle des Bonselschen Romans dient übrigens u.a. der soziologischen Studie Meuters zur Beschreibung der Lektüregewohnheiten des Vagabunden. Aus der Nennung der adligen Figuren schließt sie auf ein besonderes Interesse seitens der Heimlosen, die entsprechenden »Lebenskreise« kennenzulernen (vgl. Meuter: Heimlosigkeit, S. 109).

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  76. Eine ähnliche, eindeutig negative Symbolik findet sich dann auch vor allem bezogen auf die Stadt, wenn es zu Beginn des 3. Bandes heißt: »Da sah ich auch schon in weiter Ferne den grau-weißlichen Erdschorf der Vorstädte, wie große Flecke eines bröckelnden Aussatzes brach es aus dem Boden heraus, von Dunst überraucht« (Bonseis: Narren und Helden, S. 269).

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  77. Bonseis: Eros und die Evangelien, S. 198.

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  78. Bollenbeck: Vagabunden, S. 85. Dennoch, und das läßt sich durch die Bezüge auf die symbolische Konstituierung der Wanderungsbewegungen und des Vaganten zeigen, ergeben sich auch gleichzeitig Anschlüsse an die Positionen des NS. Erst mit einer notwendigen Differenzierung ließen sich insofern auch die Einschätzungen Jost Hermands, der von »präfaschistischen« Zügen des Seelenvagabunden spricht, begründen.

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  79. In der Reihenfolge der Zitate: Eros und die Evangelien, S. 161, 251; Narren und Helden, S. 316.

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  80. Zu der Zeitschrift, die von 1927–1929 und 1931 unter dem Titel »Der Vagabund« erschien, vgl. Nolte-nius: Bruderschaft.

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  81. Zit. nach Bollenbeck: Vagabund, S. 85.

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  82. Spicker spricht in diesem Zusammenhang von »deutscher Wanderideologie« und nennt zahlreiche Beispiele.

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  83. Thomas Mann: Betrachtungen eines Unpolitischen. Berlin 1919, S. 375–379.

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  84. Zit. n. Justus H. Ulbricht: Der Mythos vom Heldentod. Entstehung und Wirkung von Walter Flex’ »Der Wanderer zwischen beiden Welten«. In: Jahrbuch der deutschen Jugendbewegung 16 (1986–87), S. 111–156, hier S. 140.

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  85. Buske: Volk und Jugend, S. 23.

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  86. Hehemann: Bekämpfung, S. 240 u. 270f.

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  87. Vgl. dazu den Wortlaut des Bayerischen Gesetzes vom 16.7.1926, zit. b. Baumgärtner: Straffälligkeit, S. 133 (Fn.).

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  88. Knud Ahlhorn: Wurzeln der deutschen Jugendbewegung. »Wanderer« und »Freischar« 1905–1913. In: Deutsche Jugend. 30 Jahre Geschichte einer Bewegung. Hg. v. Will Vesper. Berlin 1934, S. 23–40, hier S.35.

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  89. Vgl. Elisabeth Domansky, Ulrich Heinemann: Jugend als Generationserfahrung: Das Beispiel der Weimarer Republik. In: SoWi 13, H. 2 (1984), S. 14–21, hier S. 18; die Autorinnen betonen ausschließlich die Opposition zu Individualisierungskonzepten.

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  90. Kurt R. Mattusch: Auf dem Wege zum großen Bund 1921–1926, In: Vesper (Hg.), Deutsche Jugend, S. 103–120, hier S. 104.

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  91. Arnold Littmann: Die Bündische Jugend von 1925–1933. In: Vesper (Hg.), Deutsche Jugend, S. 121 – 187, hier S. 142.

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  92. Georg Müller: Rings um den Hohen Meißner. In: Vesper (Hg.), Deutsche Jugend, S. 41–62, hier S. 60.

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  93. Walter Laqueur: Die deutsche Jugendbewegung. Eine historische Studie. Studienausg. Köln 1978.

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  94. In der Reihenfolge der Zitate: Alfred Thon: Geburt und Jugend des Wandervogels. In: Vesper (Hg.), Deutsche Jugend, S. 9–22, hier S. 19; Müller: Rings um den Hohen Meißner, S. 45.

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  95. Zu der enormen Auflagenhöhe des Flexschen Wanderers zwischen 1916 und 1940, die nach dem 2. Weltkrieg dann die Millionengrenze überschritt vgl. Gerhard Kurz: Graue Romantik. In: Hermenautik/ Hermeneutik. Literarische und geisteswissenschaftliche Beiträge zu Ehren von Peter Horst Neumann. Hg. v. Holger Heibig. Würzburg 1996, S. 133–152, hier S. 134.

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  96. Vgl. dazu Ulbricht: Wanderer und Kurz: Romantik.

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  97. Walter Flex: Der Wander zwischen beiden Welten. Ein Kriegserlebnis. 10. Aufl. München 1918 (EA 1917), S. 13.

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  98. Diesen Aspekt betont Sautermeister, der den »Helden« zurecht als »wandelnde Zitatmontage« kennzeichnet. Seine Kritik — mangelnde ›Ursprünglichkeit‹ bzw. nur »Widerschein eines Scheins« — hat jedoch mit der ideologiekritischen motivgeschichtlichen Perspektive der Lektüre zu tun, die den Flexschen Wandervogel als Endpunkt einer historischen Reihe literarischer »Jugendgestaltungen« ansiedelt und zu erkennen meint, wie durch die »poetische Sakralisierung« und »Heroisierung« des Lebens aus möglicher Autonomie eine »Verstrickung ins Uralte« und »narzistische Selbstvergötterung« wird. Entsprechend der motivgeschichtlichen Orientierung, die sich vor allem diachronisch auf die Traditionslinien des Motivs und seiner Variationen konzentriert, geht bezüglich des Flexschen »Wanderers« der historisch-spezifische Einsatz, der sich eben auch über die synchronen Bezüge zur symbolischen Konstellation der Wanderungsbewegungen herstellt, verloren. Sie kann hier nur ›Verschleiß‹ und sozusagen weitere Entfremdung feststellen. Vgl. Gert Sautermeister: Vom »Werther« zum »Wanderer zwischen beiden Welten«. Über die metaphysische Obdachlosigkeit bürgerlicher Jugend. In: »Mit uns zieht die neue Zeit«. Der Mythos der Jugend. Hg. v. Thomas Koebner, Rolf-Peter Janz, Frank Trommler. Frankfurt/M. 1985, S. 438–478, hier S. 439, 444, 462, 464, 472.

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  99. Durchaus ähnlich Elemente finden sich bei Bonseis im Tod der ›Verkünderin‹ der »Evangelien« oder im Falle der Figur »Scholanders«, der im Tod sein wirkliches Ich ›erlebt‹ (Menschenwege, S. 147).

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  100. Flex: Wanderer, S. 15.

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  101. Kurz beschreibt, wie diese Formel tatsächlich applizierend rezipiert wurde, als »Losungen« in »nicht wenigen Wohnungen des Bürgertums« ebenso wie für den Wandervogel. Vgl. Kurz: Romantik, S. 135 u. 139.

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  102. Zweimal — zuerst gesprochen durch Wurche, dann aus der Perspektive des Erzählers beim Begräbnis Wurches — heißt es im Text: »Der Stahl, den Mutters Mund geküßt/ Liegt still und blank zur Seite./ Stromüber gleißt, waldüber grüßt,/Feldüber lockt die Weite! -« (Flex: Wanderer, S. 44 u. 86). Es tröstet und beruhigt die Mutter, daß ihr Sohn den »Sturmangriff« ›erleben‹ durfte (53).

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  103. Flex: Wanderer S. 2; im gesamten Text wiederholen sich nicht nur die symbolischen und semantischen Elemente des Liedes, sondern auch die Häufung der Alliteration und das dadurch u.a. produzierte ›rauschen‹; als Beispiel für viele sei neben dem »Schauen und Schreiten« und »straffem Körper« genannt: »Dann lag der weite See, von sonnigem Morgendunst überschäumt, vor uns. Pirole schmetterten, Schwalben schosen mit den Schwingen durchs Wasser, Taucher verschwanden vor uns, wie wir am Ufer entlangschlenderten« (22). Der Zwang der Alliteration ermöglicht selbst das tendentiell nomadische »Schlendern«.

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  104. Das gleiche gilt übrigens für Texte, die selbst den Begriff des »Vaganten« übernehmen, wie etwa Werner Zimmermanns »Weltvagant« von 1920. Auch dessen Figur »Vagant« ist letztlich durch die antinomadische Symbolik konstituiert und läßt sich als eine weitere Variation zwischen Seelenvagabund und Wandervogel verorten. In der autobiographischen Erzählung erhält die Wanderung gleich anfangs ihre Signifikation. Angestrebt ist »weitere[n] Herausarbeitung meiner Persönlichkeit« und die »weitere Erkenntnis der Wahrheit«. Solche Wahrheiten sind in dem lebensreformerisch orientierten Text die »Gesundheit« — der Vegetarismus — und eine trivialisierte Psychoanalyse, aber auch die »Heimat«. Schließlich betont das Nachwort zur 7. Aufl. mit dem Hinweis auf die gelungene familiäre Territorialisierung des Autors — entsprechend seiner reformerischen Konzepte in gemäßigter Kleinschrift -, daß schließlich auch der »pfad des ungestümsten Wanderers zuletzt aus der lockenden weite der weit zur abgründigen tiefe der innenweit führen« würde. Vgl. Werner Zimmermann: Weltvagant. Erlebnisse und Gedanken. 7. Aufl. Lauf b. Nürnberg, Bern 1927 (EA 1920), S. 7 u. Nachwort.

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  105. Walter Benjamin: Die Jugend schwieg. In: Gesammelte Schriften. Bd. II, 1. Hg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt/M. 1980, S. 60–67.

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  106. Hans Blüher: Secessio Judaica. Philosophische Grundlegung der historischen Situation des Judentums und der antisemitischen Bewegung. Berlin 1922. Blüher fordert die absolute Segregation und prognostiziert so zynisch wie unzutreffend: »Das Weltprogrom kommt zweifellos. Deutschland wird das einzige Land sein, das vor dem Morde zurückschreckt. […] Es ist unedel, den entwaffneten Feind zu quälen. Der Deutsche ist kein Franzose« (57). An anderer Stelle betont Blüher die Unmöglichkeit der »Mischung«: »Judentum und Deutschtum befinden sich in einem durchaus scheinbaren Mischungsverhältnis; so wie Wasser und Öl, in starke Bewegung versetzt, sich scheinbar mischen, kommen sie aber zur Ruhe, so setzt sich das schwere Wasser ab gegen das Öl. Es geht also nicht. Das Abfall-Produkt dieses vergeblichen historischen Prozesses ist der jüdische Literat«

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  107. (vgl. Hans Blüher: Der Geist der Weltrevolution (1920). In: H.B., Philosophie auf Posten. Gesammelte Schriften 1916–1921. Heidelberg 1928, S. 149–167, hier S. 162).

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  108. Hermann Burte: Wiltfeber der ewige Deutsche. Die Geschichte eines Heimatsuchers. 8.–11. Aufl. Leipzig 1918 (EA 1912), S. 208.

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Gerhard, U. (1998). »Vaganten« — interdiskursiv. In: Nomadische Bewegungen und die Symbolik der Krise. Historische Diskursanalyse der Literatur. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85122-2_8

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