Zusammenfassung
Robert K. Merton gilt im allgemeinen als Vertreter eines theoretischen Programms, das auf umfassende Deduktionen aus einem begrenzten Axiomensatz zugunsten der Erstellung von „Theorien mittlerer Reichweite“ verzichtet1. Diese Position—ursprünglich in Auseinandersetzung mit dem monistischen Theorienprogramm von Talcott Parsons entstanden2—muß indessen nicht Anlaß sein, ihm multiparadigmatische Neigungen zu unterstellen; vielmehr sollte man seinen eigenen—wenngleich wenig klaren—Beteuerungen Glauben schenken dürfen, daß alle unterschiedlichen „Theories of middle range“, die sich einem gemeinsamen Gesichtspunkt fügen3, unter ein verbindliches theoretisches Dach zu stellen sind.
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Literatur
Merton 1967, S. 39ff
Merton 1948, S. 164-168, Merton 1967a, S. 257
Merton 1967a, S. 259. An anderer Stelle (Merton 1967, S. 68) hat Merton diese Hoffnung scheinbar nicht mehr.
Stinchcombe 1975, S. 14-26, ähnlich auch Sztompka 1986, S. 182, Crothers 1987, S. 104 und Blau 1990; vor allem Blau hat immer wieder dafür plädiert, diese „strukturelle Determination“ des Handelns in den theoretischen Vordergrund zu stellen und auf handlungstheoretische Erklärungen zu verzichten, vgl. Blau 1977, Blau 1994. Wir werden sehen, daß dies nicht die Mertonsche Position wiedergibt.
Merton 1976, S. 124
Stinchcombe 1975, S. 12
Barbano 1968, S. 40ff bemerkt den Selektionscharakter sozialer Strukturen mehrfach; er gibt sich aber leider keine Rechenschaft über die dabei anfallenden Mechanismen.
Diese handlungstheoretische Basis, nicht aber den Selektionscharakter struktureller Mechanismen betont auch Sztompka 1986, S. 221ff Die Basierung der Strukturtheorie auf einer Handlungstheorie bedeutet nicht, daß Merton reduktionistische Neigungen verfolgen würde, vgl. Merton 1981, S. ii.
Vgl. die kurzen Anmerkungen bei Crothers 1987, S. 42ff, Meja/Stehr 1995
Vgl. Sztompka 1986, S. 228, Crothers 1987, S. 104
Merton 1976a, S. 155. Stinchcombe 1975, S. 28 vermutet wie wir, daß „there is a general theory of social action in Merton’s work“.
Vgl. Merton 1976a, S. 147. Zur Rekonstruktion dieses Faktorenkatalogs vgl. auch Sztompka 1986, S. 227ff
Sztompka 1986, S. 228
Hier ist zu ergänzen, daß für Merton die subjektiven Interpretationen und Situationsdeutungen der Akteure, die ihre Zielsetzung und deren Erfolgsaussichten mit Vorgaben versieht, eine bedeutsame Rolle spielt; anders wären seine Untersuchungen zur Wissenssoziologie kaum zu verstehen, vgl. Merton 19642h.
Für Merton fällt rationales und zweckgerichtetes Verhalten keinesfalls zusammen, vgl. Merton 1976a, S. 147, 153.
Vgl. zu dieser Deutung auch Sztompka 1986, S. 230
Sztompka 1986, S. 230
Jedenfalls treten bei Merton Motive nicht als unabhängige Variable auf.
Merton 1976a, S. 147ff
Merton 1976a, S. 148
Merton 19642b, S. 131ff, Merton 19642c, S. 161. Wir gehen auf Mertons weitere Arbeiten zum Thema „Devianz“ nicht ein, da sie keine theoretischen Neuerungen bieten, vgl. Merton 1959 und Merton 19642i.
Merton 19642b, S. 132ff
Merton 19642b, S. 133
Merton weiß natürlich, daß Abweichungen nicht in allen Fällen mit der gleichen Unnachsichtigkeit verfolgt werden, vgl. Merton 19642f, S. 317f.
Vgl. Schmid in diesem Band, S. 93ff
Vgl. Merton 19642b, S. 139ff, Merton 1967b, S. 216
Merton 19642b, S. 132ff
Merton 19642c, S. 162f
Merton 19642c, S. 162
Merton 1976a, S. 149ff
Noch jüngst hat er eine „Geschichte“ dieses Konzepts veröffentlicht und dessen Bedeutsamkeit für seine Theoriebildung betont, vgl. Merton 1995.
Merton 1976a, S. 145ff. Mertons Begriffspaar „Funktion-Dysfunktion“ bezeichnet bekanntermaßen desgleichen oftmals Handlungsfolgen.
Sztompka 1986, S. 233f möchte für diesen Zusammenhang den Begriff der „Reflexivität“ reservieren.
So betont Merton 1982 die Zukunflsoffenheit des menschlichen Handelns deutlich; bereits Barbano 1968, S. 76 arbeitet diesen Gesichtspunkt deutlich heraus.
In diesem Sinne wirken Strukturen als „constraint“.
Merton 19642c, S. 162
Stinchcombe 1975, S. 30 und passim; vgl. auch Merton 19642e, S. 243, Fußnote 15, 244, 246, Merton 19642f, S. 331, Fußnote 76. Bisweilen verstehen Ökonomen—wie etwa Gary Becker—die Erklärung solcher Raten und deren Veränderung als ihr eigentliches Geschäft, was den Schluß zuläßt, daß sich Merton einer genuin „ökonomischen Methode“ bedient.
Merton 19642f, S. 338f, 350f
Merton 19642b, S. 131ff
Merton 19642c, S. 162
Merton 19642c, S. 161
Merton 19642b, S. 136
Dies wird deutlich in Merton 19642c, S. 179ff
Merton 19642c, S. 176ff, Merton 19642b, S. 141ff
Merton 19642b,S. 150f
Merton 1976b, S. 217ff
Merton 1976b, S. 217
Merton 1976b, S. 217
Merton 1976b, S. 221
Merton 1976b, S. 221
Merton 1976b, S. 235, 241f
Vgl. Merton 19642e, S. 227ff
Merton 19642e,S. 230
Merton 19642e, S. 234ff
Merton 1967a, S. 255ff
Vgl. auch Merton 19642e, S.233, Merton 19642f, S. 370
Merton 1967a, S. 265f, Merton 19642f, S. 377ff
Genau genommen fuhrt Merton noch zwei weitere Mechanismen an: die strukturellen Bedingungen, unter denen es dem Statusinhaber gelingt, die Rolle des „tertius gaudens“ einzunehmen, und die strukturelle Möglichkeit des teil weisen Abbruchs vorhandener Referenzbeziehungen, vgl. Merton 1967a, S. 265, 266, Merton 19642f, S. 376f, 379.
Merton 19642f,S. 370
Merton 19642f, S. 370f
Deutlich wird dies auch in Merton 19642f, S. 306; vgl. auch Merton/Lazarsfeld 19642, S. 20, wo es um die Erklärung von „diverse patterns of friendship“ innerhalb unterschiedlicher Populationen geht.
Stinchcombe 1975, S. 12; ähnlich verstehe ich auch Sztompka 1986, S. 160, wo das Kernproblem der Mertonschen Theorie darin gesehen wird „to consider individuals as structurally located“ demnach geht es um die Erhebung strukturvermittelter Eigenschaften von Akteuren und weniger um die Eigenheit des Vermittlungsprozesses selbst.
Stinchcombe 1975, S. 23
Merton 19642e, S. 250
Merton 1976, S. 124, Merton 19642e, S. 270, Merton 19642f, S. 336f, 338f, 341, 351
Merton 19642a, S. 19ff; vgl. auch Hempel 1975, S. 135ff
Merton 19642e, S. 226.
Merton spricht 19642b, S. 157, von „institutional control“, in Merton 19642c, S. 180, von der „control structure of the group“. Allerdings wollen wir diesen Begriff nicht auf die Folgen intentionalen Kontrollhandelns festlegen, sondern wie Weber (19642, S. 27ff) auch den nicht-intentionalen Ausleseeffekt von Handlungen betonen.
Merton 19642b, S. 141ff, besonders S. 145, 153, 157 u.a.
Merton 19642b, S. 157
Merton 19642b,S. 157f
Merton 19642b, S. 149ff, Merton 19642d, S. 195ff, besonders S. 200ff
Merton 19642b, S. 153ff
Merton 1988, Merton 1973b, S. 439ff. Auf Seite 459 wird das Verteilungsergebnis eindeutig einem „process of social selection“ zugeschrieben.
Vgl. dazu Merton 1988, S. 606ff; Sztompka 1986, S. 222fF hat in dieser Selbstakkumulation von Vor-und Nachteilen einen wichtigen Prozeß des sozialen Wandels gesehen, vgl. dazu Merton 1976, S. 124.
Vgl. Merton 1967a; Machtprozesse und Konkurrenz können selbstredend gleichzeitig wirksam sein.
Merton 19642f, passim. Dieser Zusammenhang stellt sich natürlich nur ein, solange man eine „natürliche“ Neigung zur Abweichung unterstellt und personen-interne Kontrollprozesse unbeachtet läßt. Mertons Modell müßte sich um die Angabe jener Schwellenwerte ergänzen lassen, jenseits derer auch die gutwilligen Konformisten auf die weitere Zunahme von Devianzen mit der Aufkündigung des „Gesellschaftsvertrags“ reagieren.
Merton 19642g,S. 421ff
Merton 19642g, S. 429
Merton 1976a, S. 152. Dieser Faktor wird von Handlungstheorien regelmäßig unterschlagen, vgl. Schmid 1979.
Merton 19642b, S. 149ff, Merton 19642c, S. 184ff, Merton 19642d, S. 195ff. Wir sollten nicht zuviel Gewicht auf Mertons Beteuerung legen, nicht „character of personality types“, sondern „modes of adaption“ (19642b, S. 152) stünden im Vordergrund. Vielmehr müssen wir mit Stinchcombe betonen, daß „repetitive situational adaption forms character“ (Stinchcombe 1975, S. 26), vgl. auch Merton 19642f,S.348ff,351.
Merton 19642b,S. 151
Merton 19642b, S. 157
Vgl. Merton 1973, S. 267ff, Merton 1973b, S. 325ff
Man darf fragen, ob sich auf diese Weise die von Luhmann beschriebene, sich selbst verstärkende funktionale (oder strukturelle) Differenzierung erklären läßt.
Merton 19642f, S. 346f
Archer 1988 hat diese Anregungen zum Ausbau einer integralen Theorie der Kultur zu nutzen gewußt.
Merton 19642b, S. 132. Diese Deutung geht auf Stinchcombe zurück (Stinchcombe 1975, S. 14ff) und wurde, wie gezeigt, von Merton akzeptiert.
Der Ausdruck wurde Stinchcombe entnommen, vgl. aber Merton 1976, S. 125.
Merton 19642a,S. 53
Vgl. Merton 1976, S. 125; vgl. dazu Sztompka 1986, S. 211, 222f u.a.
An anderer Stelle sieht Merton auch weniger disruptive Formen sozialen Wandels vor, vgl. 19642f, S. 375ff, besonders S. 365.
Vgl. Merton 1970, S. xx
Vgl. Merton 1976, S. 124
Merton 1976, S. 124; das Urteil übernimmt auch Sztompka 1986, S. 211. Verständnis scheint sich insbesondere dann einzustellen, wenn die vermuteten Prozesse, ohne komplexere Brückentheorien zu berücksichtigen, mit den Nutzenerwägungen einzelner Akteure in Verbindung gebracht werden können; vgl. Merton/Lazarsfeld 19642, S. 19-37. Allerdings findet sich bei Merton keine Stütze für die Auffassung, solche Prozesse seien in jedem Falle allein durch eine Erforschung der Nutzen individueller Akteure behandelbar.
Wie sich diese Deutung mit Mertons vagen Zugeständnissen an einen „theoretischen Pluralismus“ (vgl. Merton 1976, Merton 1981) vereinbaren läßt, müßte geklärt werden. Ich denke, daß meine These, wonach das strukturalistische Erklärungsprogramm Mertons über einen rekonstruierbaren Kern verfügt, selbst dann zutrifft, wenn es—wie Merton zugesteht—mehrere soziologische Theorietraditionen gibt.
Vgl. Schmid in diesem Band, S. 19ff; für Marx gibt Holzer 1978 einen guten Überblick.
So etwa Boudon 1973, Boudon 1979, Boudon 1980
Coser 1975, S. 85-100
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Schmid, M. (1998). Individuelles Handeln und strukturelle Selektion. Eine Rekonstruktion des Erklärungsprogramms von Robert K. Merton. In: Soziales Handeln und strukturelle Selektion. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85110-9_4
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