Zusammenfassung
Georg Simmeis Charakterbild schwankt in der Geschichte der Rezeption seines umfangreichen Werkes in unerfreulicher Weise1. Versuche, ihn zum „Klassiker“ der deutschsprachigen Soziologie zu küren, der eine überzeugende Gesamtkonzeption seines Denkens habe anbieten können2, sind angesichts der Vielfalt seines Lebenswerks und der Tatsache, daß die faktische Forschung von dieser vorgeblichen Gesamtkonzeption weit weniger hat profitieren können, als dem postulierten Status ihrer „Klassizität“ gut getan hätte, ebenso zweifelhaft geblieben wie seine Apostrophierung als letztlich unpolitischer, „bürgerlicher“ Salonphilosoph mit vorwiegend ästhetischen Neigungen3, wenn man es am Ende nicht vorzog, ihn wegen seines uneinheitlichen Gesamtwerks zum „Wanderer“ zwischen den Geisteswelten der Wissenschaften, Künste und Philosophien zu ernennen oder als einen geistigen „Impressionisten“4 einzustufen. Daneben eignete sich die Vielgestaltigkeit seines Werkes offenbar leicht dazu, ihn bedarfsweise als einen Dialektiker5, einen Popperianer6 oder einen metaphysisch angehauchten Lebensphilosophen7 zu verstehen. Ebenso blieb seine Bedeutung als Gründervater der Soziologie letztlich ambivalent: Einesteils gilt er als Initiator einer Reihe von akademischen Einzeltheorien (der Rolle, des Fremden, der „formalen“ Soziologie, der Gruppe, des Tausches etc.)8, anderenteils aber als ein gewichtiger Vordenker einer eher zeitdiagnostisch angelegten Theorie der „Moderne“9, um endlich vornehmlich als Vertreter einer verstehenden, idealtypisierenden Theorie Anerkennung zu finden10.
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Literatur
Vgl. zur Werkgeschichte Schnabel 1974, Schnabel 1984, Dahme 1981, Bd. 1, Hübner-Funk 1982, S. 8ff
Vgl. Schnabel 1974, Levine 1981
Vgl. Hübner-Funk 1976, Hübner-Funk 1982
Vgl. Frisby 1981; die Deutung Simmeis als eines „Impressionisten“ geht auf Georg Lukacs zurück, vgl. Lukacs 1958, S. 171ff.
Vgl. Christian 1978, Landmann 1968, S. 16
Vgl. Dahme 1981, Bd. 2, S. 297ff, S. 316ff
Vgl. Dahme 1981, Bd. 1, S. 58ff
Vgl. Levine/Carter/Gorman 1976, S. 175ff; Atoij 1986, S. 85ff sieht in Simmel den eigentlichen Begründer der soziologischen Tauschtheorie, die „alltägliche Reziprozitätsprozesse“ und „ökonomischen Tausch“ in gleicher Weise berücksichtigt.
Vgl. Frisby 1984, Frisby 1984, S. 9ff
Vgl. Oakes 1980, S. 57ff, Outwaite 1975, S. 43ff
Vgl. Tenbruck 1958, S. 578ff
Vgl. Nedelmann 1980, S. 559ff, Nedelmann 1983, S. 174ff, Nedelmann 1984, S. 91ff
Simmel 19224, S. 536; Simmel sucht diese Formgesetzlichkeiten in allen Gebieten: in der Gesellschaft (Simmel 1890), in der Religion (Simmel 19122, S. 99ff) und anderswo.
Vgl. Böhringer 1976, S. 105ff, wo Simmeis Individualismus mit der Atomlehre Gustav Theodor Fechners in Verbindung gebracht wird, vgl. auch Landmann 1976, S. 3 und Dahme, 1981, Bd. 2, S. 464, 470, der die thermodynamischen und physikalischen Anklänge der Simmelschen Theorie herausstellt.
Vgl. Luhmann 1984
Luhmann 1984, S. 9
Die Tatsache, daß sich Simmel um diesen Anschluß an die allgemeine Evolutionstheorie bemühte, wurde verschiedentlich bemerkt. So bezeichnen Coser 1971, S. 200ff und Frisby 1984, S. 71f Darwin und Spencer als theoretische Leitbilder Simmeis; Dahme und Rammstedt erwähnen den evolutionstheoretischen Hintergrund des Simmelschen Denkens, vgl. Dahme/Rammstedt 1983, S. 7ff, Dahme/ Rammstedt 1984, S. 462, 466. In einer Beurteilung Simmeis durch Berliner Professoren heißt es lapidar: „Sein (Simmeis) Standpunkt ist die Evolutionstheorie Spencers“ (zitiert nach Landmann 1958, S. 22). Aber dies sind seltene Anmerkungen; das verbreiteste Simmelverständnis, wie es sich beispielhaft in der Monographie Schnabels (1974) dokumentiert, kommt ohne die Erinnerung an das evolutionistische Erbe der Simmelschen Theorie aus.
Dies hat Nedelmann ( 1984) nachdrücklich betont, vgl. dazu auch Becher 1971.
Vgl. Rosen 1979, S.91ff
Noch in seiner Spätphase, in der sich Simmel mit Soziologie kaum noch beschäftigte, formuliert er: „Das Leben aber erzeugt sich nur in der Form von Individuen“ (Simmel 1916, S. 99).
Ich unterstelle in dieser Frage den Einfluß Carl Mengers auf das Simmelsche Denken, vgl. Menger 1969 (zuerst 1883); zur Position Simmeis selbst vgl. Simmel 1890, Kapitel 1, Simmel 1917, S. 71ff.
Simmel 19644, Bd. 2, S. 62; S. 64 spricht Simmel von der „ethischen Atomistik“.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1 und Bd. 2, passim
Vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 315; für nichtsittliche Ordnungen gilt dasselbe, vgl. Simmel 1922, S. 138.
Die Willenstheorie ist natürlich von Schopenhauer geprägt; aber auch Nietzsche spielt eine nachdrückliche Rolle, vgl. Simmel 19202. Den Einfluß Wundts kann man vermuten.
Simmel 19644, Bd. 2, S. 6, der Sache nach auch Simmel 19224, S. 3ff
Vgl. Simmel 19224, S. 12f
Vgl. Simmel 19224, S. 272ff, 284ff. Man kann Simmel demnach nur schwerlich zum Beleg der These heranziehen, er sei ein Kontrahent der nutzentheoretischen Theorietradition.
Vgl. Simmel 1890, S. 8ff, Simmel 19644, Bd. 2, S. 58ff, Simmel 19235, S 117ff
Vgl. Simmel 19685, S. 32ff, l0lff, 305ff, 460ff, 527ff; S. 124 ist vom „Eigenleben der soziologischen Form“ die Rede.
Vgl. Simmel 1890, S. 52, Simmel 1916, S. 69
Das wird deutlich bei Simmel 1896, Simmel 19224, S. 480f, Simmel 19644, Bd. 1, S. 246f, 310, Simmel 1890, S. 115ff u.a.m.
Simmel 19224, S. 231, Simmel 1968, S. 194, Simmel 19685, S. 88, 248
Simmel 19122, S. 24; vgl. auch Simmel 19224, S. 137ff, Simmel 19644, Bd. 1, S. 91, Simmel 1984, S. 85
Simmel 19685, S. 460
Vgl. Simmel 19222, S 150ff, Simmel 1984, S. 94f, Simmel 19233, S. 23f
Simmel 19644, Bd. 1, S. 186, Simmel 19685, S. 407
Simmel 19235, S. 116
Vgl. Simmel 1896, Simmel 19685, S. 84. An dieser Stelle sieht man, daß Simmeis Neigung, nutzentheoretisch zu argumentieren, nicht ineins geht mit einem entscheidungstheoretischen Verständnis des menschlichen Handelns. Simmel konnte nicht ahnen, daß damit sein Forschungsprogramm zum Scheitern verurteilt war, weil es weder ihm noch anderen späterhin gelang, die Willenstheorien zu formalisieren bzw. soweit zu entwickeln, daß sie als Basis soziologischer Analysen taugten. Demgegenüber konnte die Entscheidungstheorie einen forschungslogisch brauchbaren Algorithmus ausfindig machen.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 88
Auch das Verstehen gibt hierbei keine Sicherheiten, vgl. Simmel 19235, S. 35ff; zur mehrfachen Kontingenz sozialer Situationen vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 234.
Vgl. Simmel 19685, S. 501
Vgl. Simmel 19685, S. 256ff, Simmel 19644, Bd. 1, S. 111, Simmel 1923, S. 21, Simmel 19224, S. 248, Simmel 19235, S. 23f u.a.m.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 110f, Simmel 19685, S. 258
Simmel 19685, S. 254
Simmel 19644, Bd. 1, S. 111
Simmels Annäherung an eine Konzeption „begrenzter Rationalität“, die späterhin durch Herbert A. Simon popularisiert wurde, sollte Beachtung finden.
Simmel 19644, Bd. 1, S. 441
Vgl. Simmel 1983, S. 132
Vgl. Simmel 19222, S. 189
Vgl. Simmel 19222, S. 189; der Einfluß Bergsons ist hier unübersehbar.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 375, wo Simmel in diesem Kontext den Begriff der „Potenz“ verwendet.
Simmel 19685, S. 86. Ich glaube nicht, daß Popper diesen Begriff von Simmel übernommen hat.
Vgl. Simmel 19233, S. 29, Simmel 19685, S. 24f, Simmel 19644, Bd. 2, S. 233
Für die Details der Simmelschen Kausaltheorie des Willens vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 131ff
Vgl. Becher 1971, Christian 1978, Nedelmann 1984, Dahme 1981, Bd. 2, S. 424 u.v.am
Simmel 19685, S. 406
Simmel 19122,S. 95
Vgl. etwa Christian 1978, S. 114
Ich kann von dieser Beurteilung Dahme 1981 und Nedelmann 1984 ausnehmen.
Vgl. Simmel 19224, S. 85f, Simmel 19644, Bd. 1, S. 227. Dort werden die Rückwirkungen der sittlichen Tat auf ihren Urheber diskutiert. Zum Beleg des Kausalcharakters dieser Begriffe sollte man dem Hinweis folgen, daß Simmel den Begriff der „Wechselwirkung“ Helmholtz 18843 entnommen hat, auf den ihn Lange 1974 (zuerst 1866) aufmerksam gemacht haben dürfte.
Die selbe Beschneidung mußte sich meinem Verständnis nach auch die Sozialtheorie Georg H. Meads gefallen lassen.
Das ist die erklärte Absicht der Schabeischen Deutung des Simmelschen Werks, vgl. Schnabel 1974.
Vgl. Levine/Carter/Gorman 1976, Nedeimann 1980, S. 565ff. Entsprechende Stellen finden sich bei Simmel 19644, Bd. 1, S. 113, Simmel 19644, Bd. 2, S. 425, Simmel 19685, S. 187, 194, Simmel 1983, S. 173f.
Z.B. durch Christian 1978
Ich habe die Mängel eines solchen Programms insbesondere bei Talcott Parsons herausgearbeitet, vgl. Schmid 1989, S. 115ff, Schmid 1986, S. 259ff.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 243, Simmel 19685, S. 74
Vgl. Thom 1975, Zeeman 1977, Woodcock/Davis 1980
Vgl. Simmel 19235, S. 183f, Simmel 19685, S. 110
Vgl. Simmel 19224, S. 277, 283. Beide Konzepte entstammen vermutlich der Psychophysik Gustav Theodor Fechners, vgl. Fechner 1860.
Vgl. Fararo 1978, S. 291ff; Bifurkationen stellen m.E. eine spezifische Form dessen dar, was die Katastrophentheorie als „Divergenz“ bezeichnet, vgl. Renfrew 1979, S. 494f.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 85ff
Vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 224, Simmel 19685, S. 443
Vgl. Simmel 1984, S. 19ff
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 174f, Simmel 19685, S. 438ff
Vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 309f
Dahme 1981, S. 464 und 468 hat dies deutlich herausgestellt, ohne freilich die theoretische Bedeutung zu würdigen, die dieser Tatbestand in der neueren Thermodynamik gewinnen konnte, die als Ungleichgewichtsdynamik zu verstehen ist, vgl. Prigogine/Stengers 1981, Haken 19812.
Vgl. Simmel 19685, S. 234, Simmel 1983, S. 173ff
Simmel 19685, S. 507
Simmel diskutiert eine solche Substitution am Beispiel der Abkühlung der Liebe und deren Ersetzens durch Treue, woraus sich wiederum Liebe entwickeln kann, vgl. Simmel 19685, S. 441.
Nedelmann 1983, S. 196ff diskutiert derartige „destruktive Dynamiken“ in ihrer Rekonstruktion der Simmelschen Gefühlstheorie, vgl. auch Simmel 19122, S. 59.
Zur Selbststabilisierung äußert sich Simmel 19685, S. 375ff; des öfteren versteht Simmel derartige Selbststabilisierungen als eine Folge akkumulativer Selbstverstärkungen, vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 178ff.
Vgl. Nedelmann 1983, Nedelmann 1984
Spencer 18985, S. 286, 305, 386 u.a.m. Ich unterstelle, daß Spencer auch eine Quelle für den Begriff des „Fließgleichgewichts“ ist, den die damalige Thermodynamik nahelegte und der mit der Idee einer Dissipation der Kräfte eng verknüpft ist, vgl. Spencer 18985, S. 483ff. Für die Bedeutsamkeit der dahinter stehenden Idee einer „Equilibration“ für die soziologische Theoriebildung vgl. Turner 1985, S. 39f, 64f; vgl. zu diesem Thema Schmid in diesem Band, S. 238ff.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 11
Vgl. Simmel 1890, Kapitel 6, Simmel 19644, Bd. 2, S. 107, S. 159. Ich unterstelle, daß Simmel dieses Prinzip an Spencers Vorstellung von einer Bewegung entlang der Linie des geringsten Widerstandes anlehnte, vgl. Spencer 18985, S. 225ff.
Simmel 19644, Bd. 1, S. 58
Vgl. auch Simmel 19685, S. 43
Simmel 19644, Bd. 2, S. 313
Vgl. Simmel 1890, S. 117ff
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 380f, 384f; S. 215 möchte Simmel nur dann von einem „sittlichen Verdienst“ sprechen, wenn diesem ein bestimmter „Aufwand von Kraft“ entspricht.
Diesen Begriff hat Buckley 1967 für die soziologische Theorie entdeckt.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 383
Vgl. Spencer 18985, S. 190ff
Vgl. Simmel 19683, S. 246ff
Vgl. Simmeis Bemerkung zur „Tragik der Lapalie“ in Simmel 19685, S. 206, Simmel 1983, S. 204
Vgl. Anmerkung 41
Vgl. Simmel 19224, S. 248, Simmel 19644, Bd. 2, S. 9f
Vgl. Simmel 1983, S. 131ff, 169ff, Simmel 19685, S. 278ff, Simmel 1890, S. 71. Ich möchte vermuten, daß Simmel auch diese Theorie von Spencer und Durkheim übernahm.
Vgl. Simmel 1984, S. 28
Vgl. Simmel 19685, S. 39
Simmel 1968, S. 173, vgl. zum Thema des Tragischen auch Simmel 1984, S. 84ff, Simmel 19233, S. 236ff; S. 240 spricht er vom „Paradoxon der Kultur“, ähnlich Simmel 19224, S. 505, 524ff. Hierher gehören auch alle Anmerkungen Simmeis zum Problem der Entfremdung etwa zwischen Person und sozialer Anforderung (vgl. Simmel 1917, S. 68f), obgleich ihm an anderer Stelle das „Gefühl des Zwangs“ ein Anzeichen sittlicher Verhältnisse ist (vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 180).
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 375
Vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 180f
Simmel spricht die Instabilität sozialer Wechselwirkungen wiederholt unumwunden an, vgl. Simmel 1890, S 124, Simmel 19224, S. 550, Simmel 1983 S. 93; über „Lebendigkeit und Ungleichgewicht“ vgl. auch Simmel 19224,S. 550.
Vgl. Simmel 19235, Kapitel 2 und 3, Simmel 1890, Kapitel 1; vgl. auch das völlig zutreffende Urteil von Dahme 1981, Bd. 2, S. 278, wonach die Evolution bei Simmel „kein teleologischer Prozeß (ist), dem ein immanenter Zweck innewohnt“, sondern kausales Geschehen.
Simmel 19685, S. 36, Simmel 1890, S. 31
Simmel 1896a
Simmel 19163,S. 5
Vgl. Simmel 19685, S. 243f, wo die dauernde Bedrohung durch einen Feind abgehandelt wird.
Vgl. zu diesem Thema Simmel 19685, S. 357ff
Daß diese Gefahr besteht, betont erneut Landau 1991.
Vgl. Simmel 19644, Bd. 2, S. 32f
Simmel handelt solche Prozesse als „Wertsteigerungen“ oder „Werterhöhungen“ ab (vgl. z.B. Simmel 19224, S. 522) und nimmt damit die Idee einer Entwicklung durch positive Rückkoppelungen vorweg.
Vgl. Anmerkung 111
Vgl. Simmel 1890, S. 45ff
Vgl. Simmel 1890, passim
Vgl. Spencer 1875 (Nachdruck der zweiten Auflage 1896), S. 62ff
Vgl. Simmel 1890, S. 41f, 45ff, wobei Simmel mit Spencer die Instabilität des homogenen Milieus behauptet (vgl. Simmel 1890, S. 46); zur Arbeitsteilung vgl. Simmel 1890, S. 122.
Vgl. Simmel 1890, S. 128, 131, Simmel 19683, S. 431
Vgl. Simmeis Bemerkung zur Generationenabfolge kultureller Produktion in Simmel 19224, S. 506
Vgl. Cameiro 1973, S. 77ff
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 109, 112ff u.a., Simmel 19122, S. l0f, Simmel 19685, S. 433ff. In Simmel 19644, S. 375 bietet Simmel ein allgemeines Argument an, wonach Organe eines lebenden Körpers zu nichts weiterem dienen als zur „Lebenserhaltung“. Übertragen auf die Sittlichkeit des „sozialen Körpers“, muß das heißen, daß Simmel dessen Selbstreproduzierbarkeit als letzten Bezugspunkt zur Beurteilung der Selektivität seiner Organe und d.h. von Institutionen und Regelungen betrachtet. Hier schließt z.B. Hejl 1982 bei seinen Bemühungen an, die soziologische Theorie als eine Theorie selbstreferentieller Systeme zu rekonstruieren. Sicher wäre es auch in diesem Falle übertrieben, wollte man Simmel zum Vordenker neuester theoretischer Entwicklungen machen, aber der Gedanke, daß Evolution ein „selbstreproduktives Leben“ zur Voraussetzung habe, war ihm durchaus nicht fremd (vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 233). Generalisierend müßte dies für die soziale Evolution bedeuten, daß sie die Eigenreproduktivität (Stichwort: „der Organismus ist Selbstzweck“, vgl. Simmel 19685, S. 221) sozialer Gruppen zur Grundlage hätte. Daß dem tatsächlich so ist, suchte ich in der vorliegenden Arbeit zu zeigen.
Dies wird bereits bei Simmel 1890, S. 85 deutlich.
Für die Unterscheidung zwischen individuell-selektiven und gruppenselektiven Theorien vgl. die kurze Skizze bei Van Parijs 1981, S. 81ff; Darwin 1966, S. 75 behandelt beide Gesichtspunkte, ohne deren Divergenzen zu beachten.
Vgl. Williams 1966, Dawkins 1978
Vgl. für die Geschichte und Analytik dieser Theorie Alexander 1979 und Alexander 1987
Vgl. Hayek 1969, Hayek 1982; vgl. kommentierend Schmid 1995, S. 81-106
Daß solche Gruppenselektionsmodelle verteidigt werden können, zeigt Peter Kappelhoff 1996; ebenso geht Coleman 1990 davon aus, daß sich nicht nur Einzelakteure, sondern Handlungssysteme und deren Regulierungen reproduzieren oder verändern. Gegen die Vorgaben des Methodologischen Individualismus sprechen solche Theoriebemühungen offenbar nicht, sodaß Coleman Simmel mehrfach zustimmend zitieren kann.
Vgl. Simmel 1984, S. 197
Vgl. Simmel 1968, S. 174ff
Vgl. Simmel 19685, S. 199f
Vgl. für das allgemeine Argument Simmel 19685, S. 418 und zur Wechselwirksamkeit von Mensch und „Geselligkeit“ Simmel 1917, S. 50ff
Vgl. Anmerkung 120
Vgl. Simmel 1983, S. 205
Vgl. Simmel 19122, S. 100f, Simmel 19224, S. 522, Simmel 19233, S. 250, Simmel 1983, S. 43 u.a. Alle Argumente zur „objektiven Kultur“ gehören hierher (vgl. Simmel 19233, S. 236ff).
Vgl. Simmel 1895, S. 34ff, Simmel 1922, S. 70ff, wenngleich sich Simmel früh für die „zweckfreie“ Wissenschaft ausgesprochen hat, vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 319, Simmel 1969, S. 236. In jedem Fall rät Simmel 19133, S. 32 an, die Begründung der ersten Prinzipien der Erkenntnis außerhalb dieser zu suchen, was auf deren lebenspraktische oder auch pragmatische Dimension verweist. Zur näheren Untersuchung dieser Problematik vgl. Dahme 1981, Bd. 2, S. 273ff.
Vgl. Simmel 19685,S. 261
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 413
Vgl. Maynard Smith 1982
Vgl. Simmel 19224, S. 90
Vgl. Parsons/Shils 1951, S. 196f, Parsons 1951, S. 26ff
Vgl. Simmel 19224, S. 30ff zur „Logik des Tausches“ und der dabei anfallenden Kosten und Restriktionen. Es sollte möglich sein, auch Simmeis Auslassungen über Zeit und Raum (vgl. Simmel 19685, S. 460ff, Simmel 1984, S. 202) als Bemerkungen über knappe Ressourcen zu lesen, vgl. allgemein zu dieser Auffassung die verdienstvolle Studie von Balla 1977.
Vgl. Simmel 19685, S. 86
Soziale Ressourcen finden Beachtung bei Simmeis Behandlung des Tausches (Simmel 19224), der Konkurrenz (Simmel 1983, S. 173ff) und der Herrschaft (Simmel 19685, S. 101ff), der Liebe (aufschlußreich Simmel 1923, S. 49ff, Simmel 1985 passim) und der Bedrohung durch Fremde (Simmel 19685, S. 509ff), der Familie (vgl. Simmel 1985, S. 119ff), des Streits und der Feindseligkeiten (Simmel 19685, S. 186ff), der Arbeitsteilung (Simmel 1890) und des moralischen Zwangs (vgl. Simmel 19644, Bd. 1,S. 446).
Vgl. Simmel 19685, S. 294, 467ff u.a. und Simmeis vielgestaltige Anmerkungen zur aversiven Rückwirkung objektiver Formen auf den einzelnen Akteur.
Für diese Kritik vgl. Nisbet 1969, S. 170ff. Nisbet (1969, S. 170) hält diese Vorstellung für das „core attribute of the theory of social evolution“.
Vgl. Anmerkung 133
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 320ff
Vgl. Simmel 19644, Bd. 1, S. 189, S. 320ff
Dem könnte Simmeis „lebensphilosophische“ Phase entgegenstehen, die sich spätestens seit seiner „Religionssoziologie“ (vgl. Simmel 19122 S. 7ff, aber auch die verstreuten Bemerkungen in Simmel 1913) anbahnte, wo Simmel im Leben verankerte, bereichsspezifische Erkenntnisinteressen (der Ausdruck stammt von ihm) und Erkenntnismodalitäten zuläßt. Ich sehe in diesem relativistischen Zugeständnis an differente Erkenntniszugänge indessen kein Abrücken von seiner naturalistischen Betrachtung „sozialer Wechselwirkungen“ (auch nicht in seiner Schrift von 19122, die vielmehr in meinen Augen als eine feinsinnige Einführung in die Simmelsche Sozialtheorie gelten kann und deshalb verdiente, wieder aufgelegt zu werden).
Vgl. beispielhaft Boulding 1978, Boulding 1981, Martens 1984, Valjavec 1985
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Schmid, M. (1998). Dynamik und Selbsterhaltung. Zur naturalistischen Grundlegung der Simmelschen Gesellschaftstheorie. In: Soziales Handeln und strukturelle Selektion. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85110-9_3
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