Zusammenfassung
Klassifikationen politischer Systeme wurden auf unterschiedliche Weise und in verschiedener Absicht unternommen. Vom politikwissenschaftlichen Standpunkt aus läßt sich eine Klassifikation als eine elementare Form der Theoriekonstruktion betrachten, die den für die Zuordnung von Phänomenen zu bestimmten Klassen erforderlichen Allgemeinheitsgrad besitzt.1 Als solche muß sie Begriffe verwenden, die den politischen Bereich, das Wesen politischer Beziehungen und Institutionen, den Staat, Regierung, Gesetze usw. definieren; dazu macht sie im allgemeinen ein umfassendes philosophisches Denkschema in bezug auf Mensch und Gesellschaft zu ihrem Ausgangspunkt. Viele der Klassifikationen, die im 19. Jahrhundert aufgestellt wurden, basieren auf einer Auffassung von gesellschaftlicher Evolution, die selbst wiederum in verschiedener Weise interpretiert und häufig mit der Idee des Fortschritts verknüpft wurde. Andere Unterscheidungen, die z. B. zwischen Demokratie und Absolutismus, Monarchie und Republik, politischen Institutionen des Westens und „Orientalischem Despotismus“ getroffen wurden, brachten tagespolitische Interessen und eine ideologische Abhängigkeit zum Ausdruck. In Wirklichkeit aber sind alle Versuche, eine Typologie politischer Systeme zu konstruieren, bis zu einem gewissen Grad durch eine Vermischung wissenschaftlicher Analysen mit Werturteilen, die ihren Ursprung in realen politischen Auseinandersetzungen haben, gekennzeichnet.
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Literatur
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Bottomore, T. (1981). Typen politischer Systeme. In: Politische Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85084-3_4
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