Zusammenfassung
Einer von Einsteins berühmtesten Aussprüchen ist: „Das ewig Unbegreifliche an der Natur ist ihre Begreiflichkeit.“Anders ausgedrückt: Obgleich viele Aspekte der physikalischen Welt in einfachen Gesetzen oder einer bündigen mathematischen Beschreibung eingefangen werden können, wissen wir nicht, weshalb dies überhaupt so ist. Noch viel schwieriger zu erklären ist die fast magische Weise, in der sich gewisse mathematische Begriffe, die als pure Erfindungen dem schöpferischen Verstand von Menschen entsprungen sind, als genau die Werkzeuge herausstellen, die man zur Beschreibung der physikalischen Welt braucht. Dieses Phänomen* wurde von Eugene Wigner, einem herausragenden Physiker des 20. Jahrhunderts, als „die unverständliche Effektivität der Mathematik in den Naturwissenschaften“ bezeichnet. Ein schlagendes Beispiel bildet die Theorie der Kegelschnitte — Ellipse, Parabel und Hyperbel -, die aus keinem offenbaren praktischen Grund um 400 v. Chr. von griechischen Mathematikern aufgestellt wurde. Diese Theorie fand keine Anwendung in der Wissenschaft, bis nach zweitausend Jahren Kepler erkannte, daß die Form einer Planetenbahn um die Sonne eine Ellipse ist. Keplers Entdeckung wurde von Newton um Kometen und andere Objekte, die von außen in das Sonnensystem kommen, erweitert. Die Bahnen koonten jetzt Ellipsen. Parabeln und Hyperbeln sein.
... Mächtig ist der zauber, Den jene Abstraktionen für den Geist Enthalten, der bedrängt von Bildern und Vom eignen Selbst verfolgt ist,
—William Wordsworth, „The Prelude“
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Literatur
Anm. d. Übers.: Übertragung von Hermann Fischer, Philipp Reclam jun., Stuttgart, 1974: 6. Buch, Cambridge und die Alpen
„Dieses Phänomen“: Einstein stellte in einem Vortrag am 27. Januar 1921 vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften auch die Frage: „Hier stellt sich ein Rätsel, das zu allen Zeiten den forschenden Geist beschäftigt hat. Wie kommt es, daß die Mathematik, als reines Produkt menschlichen Denkens
von der Erfahrung unabhängig, den Dingen der Realität so bewundernswürdig angepaßtist?“2
„‚Bucky balls‘“: Ein ausgezeichneter Artikel zur Mathematik der Bucky-balls ist Fan Chungs und Shlomo Sternbergs „Mathematics and the Buckyball“, American Scientist, Band 81 (Januar-Februar 1993), S. 56–71.
„als abstraktes Modell sinnvoller ist“: Die Streitfrage: endliches oder unendliches Universum? wurde durch die Zeitalter hindurch diskutiert. Die Hauptlinien der Debatte von der Antike bis in die Zeit von Newton und Leibniz sind in dem Buch From the Closed World to the Infinite Universe von Alexandre Koyré, Johns Hopkins Press, Baltimore, 1957 gut dargestellt. Die Kosmologie des 20. Jahrhunderts hat den Rahmen der Debatte geändert, sie aber keinesfalls beendet. Siehe zum Beispiel J. D. North, The Measure of the Universe, Clarendon Press, Oxford, 1965, insbesondere Kapitel 17. Ein neuerer Versuch, die Konsequenzen eines physikalisch unendlichen Universums zu analysieren, ist „Life in the Infinite Universe“von G. F. R. Ellis und G. B. Brundrit, Quarterly Journal of the Royal Astronomical Society, 20 (1979), S. 37–41. Es mag so aussehen, als würden die Anfänge des Universums in einem Urknall die Vorstellung stark unterstützen, daß das, was aus dem Urknall entstehe, in Größe und Umfang endlich sei. Dennoch ergab eine Umfrage unter führenden Kosmologen, etwas überraschend, daß eine beträchtliche Majorität keine Probleme hat, ein physikalisch unendliches Universum mit unendlich vielen Sternen und Galaxien, die in einem Raum unendlicher Ausdehnung verteilt sind, zu akzeptieren. Man könnte einwenden, der Streit sei eher philosophisch oder metaphysisch als wissenschaftlich, da das beobachtbare Universum endlich ist und es nicht klar ist, daß es jemals eine experimentelle Methode gibt, zu entscheiden, ob das jenseits unserer Beobachtungsgrenzen Liegende in der Ausdehnung endlich oder unendlich ist. Einer der nachdenklichsten Kommentatoren dieser Fragen ist G. F. R. Ellis: Siehe seinen Artikel „Major Themes in the Relation between Philosophy and Cosmology“in Memorie della Societa Astronomica Italiana 62 (1991), S. 553–605. Eine interessante, wenn auch etwas phantasievollere Diskussion vieler dieser Dinge findet sich in dem Buch Infinity and the Mind von Rudy Rucker, Bantam, New York, 1983.
„eine andere, gleichrangige Option“: Die Alternativen zu einem räumlich unendlichen Universum in Gestalt flacher oder hyperbolischer Mannigfaltigkeiten werden in der Kosmologie oft als „kleine Universen“oder „periodische Universen“bezeichnet. Einige Eigenschaften solcher Modelle und wie wir es herausbekommen könnten, falls unser Universum tatsächlich wie ein flacher Torus oder eine hyperbolische Mannigfaltigkeit geformt ist, finden sich in den Artikeln „An Introduction to Small Universe Models“von Charles C. Dyer, „Observational Properties of Small Universes“von G. F. R. Ellis und „Observational Constraints on ‘Small Universes’“von R. B. Partridge. Alle sind in dem Band enthalten Theory and Observational Limits in Cosmology, Proceedings of the Vatican Observatory Conference, abgehalten in Castel Gandolfo, herausgegeben von W. R. Stoeger, S. J., Specola Vaticana, Vatikan-Stadt, 1987, S. 467–88.
„eine der vielen hyperbolischen Mannigfaltigkeiten endlicher Größe“: Wegen einer Diskussion hyperbolischer und anderer Mannigfaltigkeiten im Zusammenhang mit der möglichen Gestalt des Universums siehe „The Mathematics of Three-dimensional Manifolds“von William P. Thurston und Jeffrey R. Weeks, Scientific American, Juli 1984, S. 108–20.
„Benoit Mandelbrot“: Mandelbrots Buch ist ursprünglich in Französisch verfaßt; eine englische Übersetzung erschien 1977. Eine auf den neuesten Stand gebrachte Auflage ist The Fractal Geometry of Nature von Benoit B. Mandelbrot, W. H. Freeman, New York, 1983.
„Mandelbrot später so deutete“: Siehe The Fractal Geometry of Nature, Abschnitt 9: „Fractal View of Galaxy Clusters“.
„Versuche, eine fraktale Struktur’’: Eine detaillierte Darstellung, die das gesamte Material der frühen 1990er in Betracht zieht, ist P. J. E. Peebles, Principles of Physical Cosmology, Princeton University Press, Princeton, 1993, S. 209–24: „Fractal Universe and Large-Scale Departures from Homogeneity“.
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© 1997 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden
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Osserman, R. (1997). Weltall der Formen. In: Geometrie des Universums. Facetten. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85025-6_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-85025-6_10
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