Zusammenfassung
Im vorangegangenen Abschnitt haben wir gesehen, daß die humanwissenschaftliche Perspektivismusproblematik nur durch einen’Ausbruch’ aus der nominalistisch-agnostisehen Wissenschaftstradition gelöst werden kann. Wir haben aber auch gesehen, daß für Karl Mannheim, der uns zu dieser Einsicht geführt hat, ein solcher Ausbruch nicht möglich ist. — Wir selbst sind allerdings durch den bisherigen Verlauf unserer Erörterung besser auf eine derartige Aufgabe vorbereitet als Karl Mannheim. Denn wir haben ja in Gestalt des’Postulats der Sinnadäquanz’ bereits ein realdefinitorisches (gnostisches) Element innerhalb der empirischen Humanwissenschaften aufgezeigt, das offenbar ohne weiteres mit dem allgemeinen nominalistischen Erfahrungsbegriff in Einklang gebracht werden kann, den wir im zweiten Teil unserer Untersuchung verwendet haben (1). Damit ist uns zwar kein’Ausbruch’ aus der nominalistischagnostischen Denkweise gelungen; aber wir haben den Nachweis erbracht, daß in den empirischen Humanwissenschaften immer schon eine reale Objektbindung enthalten ist, die den Naturwissenschaften fremd bleibt.
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Anmerkungen
Vgl. dazu oben, S. 58 ff.
Vgl. dazu oben, S. 83 ff.
Vgl. dazu oben, S. 97.
Vgl. dazu oben, S. 101.
Unsere These von der ’konstitutiven Verwandtschaft der drei Elemente der humanwissenschaftlichen Erkenntnisprozesses’ läßt sich in der hermeneutischen Erkenntnistheorie bis zu Wilhelm Dilthey zurückverfolgen. (Vgl. dazu, H. G. Gadamer, “Wahrheit und Methode”, a.a.O., S. 209, 274 f. oder J. Habermas, “Zur Logik der Sozialwissenschaften”, a.a.O., S. 96). Dilthey’s Entwurf einer Erkenntnistheorie der Geisteswissenschaften basiert auf dem Theorem von der wesensmäßigen Gleichartigkeit zwischen historisch-sozial bedingtem Subjekt und historisch-sozial bedingtem Objekt, durch die das geisteswissenschaftliche ’Verstehen’ ermöglicht wird. Er schreibt über das Erkennen der sinnhaften Außenwelt: “Dem bloßen Vorstellen bleibt die Außenwelt immer nur Phänomen, dagegen in unserem ganzen wollend fühlend vorstellend Wesen ist uns mit unserem Selbst zugleich und so sicher als dieses äußere Wirklichkeit ... gegeben; sonach als Leben, nicht als bloßes Vorstellen. (...) mit unserer Lebenseinheit zugleich ist uns eine Außenwelt gegeben, sind andere Lebenseinheiten vorhanden. “ (W. Dilthey, “Einleitung in die Geisteswissenschaften”, a.a.O., S. XIX). Mit der von uns vorgetragenen Version versuchen wir die unverhohlen vernunftfeindlichen Merkmale der Dilthey’ schen Hermeneutik so weit wie möglich zu eliminieren, um zu einer nüchternen Analyse des humanwissenschaftlichen Erkenntnisprozesses zu gelangen. Das bedeutet vor allen Dingen, daß wir Dilthey’s ungenaue These von der völligen Identität zwischen dem erkennénden Selbst und der Außenwelt, die sich im Akt des wissenschaftlichen ’Verstehens’ verwirklicht, auf die viel schlichtere Aussage reduzieren, daß jedes forschende Subjekt zu kommunikativem Symbolverstehen in der Lage ist und daß überdies dieses kommunikative Verstehen allein noch nicht zu humanwissenschaftlicher Erkenntnis führen kann.
Dieser Gedanke ähnelt dem Motto von Werner Stark, “Zum Absoluten geht nur ein Weg — durch das Relative”. (W. Stark, “Die Wissenssoziologie”, a. a. O., S. 290). — Die philosophisch-anthropologis che Lösung Stark’s können wir allerdings nicht übernehmen, denn sie tritt in der Tat mit einem Absolutheitsanspruch auf, der uns unannehmbar erscheint.
Vgl. dazu P.K. Schneider: “Die einzige Vorgabe, die der ... Sozialtheoretiker ... einräumen muß, ist das Faktum seiner eigenen interpersonalen Existenz, die — sollte sie von einem Alter bestritten werden — sich gerade in ihrer interaktionistischen Struktur verifiziert. “ (P.K. Schneider, “Grundlegung der Soziologie”, a.a.O., S. 48).
R. Descartes, “Discours de la méthode suivi des méditations métaphysiques”, Paris 1937, S. 22.
Siehe oben,’ S. 43 ff.
Vgl. dazu oben das Zitat von W. G. Runciman (S. 49 f.).
Vgl. dazu H. Albert, “Probleme der Theoriebildung...”, a.a.O., S. 40 ff. sowie oben, Teil I, Fußnote 80.
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Kreckel, R. (1972). Vorläufige Ergebnisse. In: Soziologische Erkenntnis und Geschichte. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-84242-8_4
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