Zusammenfassung
Der Risikobegriff taucht seit einigen Jahren auch in der — vor allem verwaltungsrechtlichen — Dogmatik und Rechtsprechung auf. Er hat sich in zunehmendem Maße gegenüber dem klassischen, durch das Polizeirecht geprägten Gefahrenbegriff verselbständigt, ohne allerdings durch viel mehr als ein negatives Abgrenzungskriterium konturiert zu sein: Risiko ist weniger als Gefahr und mehr als Zufall. Die Problematik des Risikobegriffs in der Rechtswissenschaft und -praxis läßt sich deshalb nur über die Klärung des Gefahrenkonzepts aufhellen: Eine Gefahr ist nach dem auch heute noch als maßstabsbildend geltenden Verständnis des preußischen Oberverwaltungsgerichts 1) eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf erkennbar zu einem Schaden, d.h. zur Minderung eines Bestandes an Lebensgütern durch äußere Einflüsse führen würde. Diese Gefahr löst eine polizeiliche Haftung aus, wenn sie durch ein Verhalten verursacht wird oder in der Verantwortlichkeit für den Zustand einer Sache (insbesondere Eigentum) begründet ist.
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Anmerkungen und Literatur
Preuß.OVG AS Bd. 77, 333, 338; 341, 345; 87, 301, 310; BVerwGE 45, 51, 57; vgl. dazu auch v. Müller, Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit im Polizeirecht, Preuß.VBl 51 (1930), 92; Erichsen, in: Recht und Technik, hg. v. Bundesminister für Wirtschaft, Bonn 1986, 111.
Vgl. v. Müller, a.a.O. (Fn. 1).
Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung Winter, in: AK BGB § 906 Rz. 8 ff., 55ff.
Vgl. zur Entwicklung des Umweltrechts allg. R. Wolf, Stand der Technik. Strukturelemente und Funktion der Verrechtlichung Technischer Risiken am Beispiel des Immissionsschutzes, Opladen 1986.
Vgl. zum Begriff nur BVerwG BB 1984, 563; Nicklisch, Funktion und Bedeutung technischer Standards in der Rechtsordnung, BB 1983, 261, 263.
Vgl. zur Anwendung der Formel im Zivilrecht Brüggemeier, Deliktsrecht, Baden-Baden 1986, Nr. 547.
Vgl. BVerwG BB 1984, 563.
BVerfGE 49, 89, 135.
BVerfGE 49, 89, 136.
Kutscheidt, in: Salzwedel (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, Köln 1982, S. 255; kritisch Breuer, in: I.v. Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., Berlin/New York 1982, 593 f
Salzwedel, Risiko im Umweltrecht, NVwZ 1987, 276 ff.
Jarass, Der rechtliche Stellenwert technischer und wissenschaftlicher Standards, NJW 1987, 1225.
BVerfGE 49, 89, 137, 141; OVG Lüneburg GewA 1980, 203.
Breuer, Gefahrenabwehr und Risikovorsorge im Atomrecht, DVBl 1978, 829, 834; kritisch Sommer, Praktische Vernunft und kritischer Reaktor, DÖV 1981, 654.
Salzwedel, a.a.O. (Fn. 11), 277; BVerwGE 69, 37, 45.
Salzwedel, a.a.O. (Fn. 11), 277.
Vgl. dazu die Beiträge in: Winter (Hrsg.), Grenzwerte. Interdisziplinäre Untersuchungen zu einer Rechtsfigur des Umwelt-, Arbeits-und Lebensmittelschutzes, Düsseldorf 1986.
BVerfGE 49, 89, 127, 129.
BVerfGE 49, 89, 127, 129.
BVerfGE 49, 130.
Vgl. aber Salzwedel, a.a.O. (Fn. 11), 278 f.
BVerfGE 55, 250 (”Voerde”); Breuer, Die rechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG im Genehmigungsverfahren, DVB1 1978, 28, 34; vgl. aber auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, Berlin 1985, 375 ff.
Vgl. G. Winter, R. Schäfer, Zur richterlichen Rezeption naturwissenschaftlicher Voraussagen am Beispiel von Kernkraftwerken, NVwZ 1985, 703.
Vgl. VGH Baden-Württemberg Urt. v. 30.3.1982 (Az. X 575/77), Bl. 144 ff. Teilabdruck in NJW 1983, 63.
BVerwGNVwZ 1986, S. 298.
Vgl. dazu nur Lerche, Kernkraft und rechtlicher Wandel, Bielefeld 1981, insbes. 18 ff.
OVG Lüneburg UPR 1985, 253 (”Buschhaus”).
Vgl. dazu m.w.N. Ladeur, Zum planerischen Charakter der technischen Normen im Umweltrecht, UPR 1987, 253.
Vgl. zum Begriff nur Erichsen, Die sog. unbestimmten Rechtsbegriffe als Steuerungs-und Kontrollmaßgaben im Verhältnis von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, DVBl 1985, 22.
BVerwGE 39, S. 197 (Indizierung nach GjS).
Vgl. zum Ermessensbegriff nur Alexy, Ermessensfehler, JZ 1986, 701.
Vgl. nur Winter, Bedürfnisprüfung im Fachplanungsrecht, NuR 1985, S. 41; Ladeur, Die rechtliche Kontrolle planerischer Prognosen, NuR 1985, 91.
Vgl. m.w.N. Paefgen, Gerichtliche Kontrolle administrativer Prognoseentscheidungen, BayVBl 1986, 513, 551.
Vgl. nur Ladeur, Die Schutznormtheorie — Hindernis auf dem Weg zu einem modernen Planungsrecht?, UPR 1984, 1; ders. Recht auf Abwägung als Verfahrensrecht, UPR 1985, 149.
Vgl. Touraine, Les deux faces de l’ identité, Quaderni di Sociologia 1979, 407.
Vgl. a.a.O. (Fn. 12), S. 1228.
So auch Smidt, Die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden, in: 6. Deutsches Atomrechtssymposium, Köln etc. 1979, S. 39 ff.; vgl. auch VGH Mannheim, a.a.O. (Fn. 24).
Birkhofer, Das Risikokonzept aus naturwissenschaftlich-technischer Sicht, in: 7. Deutsches Atomrechtssymposium, Köln etc. 1983, 33, 41.
Smidt, a.a.O. (Fn. 37), 45.
Vgl. dazu nur Reuleaux, Lehrbuch der Kinematik, 2 Bde, Braunschweig 1875.
Vgl. nur Winter, Gentechnik und Recht, DVBl 1986, 585; Ladeur, Rechtliche Steuerung der Freisetzung gentechnologisch manipulierter Organismen, NuR 1987, 60.
Birkhofer/ Lindackers, Technik und Risiko, in: Lukes/ Birkhofer (Hrsg.), Rechtliche Ordnung der Technik als Aufgabe der Industriegesellschaft, Köln etc. 1980, 97.
Thompson, Uncertainty arguments in environmental issues, Environmental Ethics 1986, 59, 71.
Vgl. Shrader-Frechette, Risk Analysis and Scientific Method, Dordrecht 1985, 161.
Vgl. dazu allg. Munier, Quelques critiques de la rationalité dans l’ incertain, Revue Economique 1984, 65 ff.
Menkes, Epistemological issues of Technology Assessment, Technological Forecasting and Social Change 1979, 11, 17.
Harrison, Decision-Making in conditions of extreme uncertainty, J. of Management Studies 1977, 169, 177; Munier, Incertitude complexe et rationalité limitée, in: Le Moigne/Demailly (Hrsg.), Sciences de l’intelligence — Sciences d l’artificiel, Lyon 1986, 559
BVerfGE 49, 89, 143; leider unterscheidet das BVerfG nicht genauer zwischen den Grenzen menschlicher ”Erkenntnisfähigkeit” und den Grenzen des ”Erfahrungswissens”; vgl. ebd. 140, 145.
Vgl. auch die charakteristische Formulierung von Kutscheidt, der sie als ”Fixpunkte innerhalb eines Grenzbereichs” betrachtet (DÖV 1976, 663, 667).
Vgl. dazu Prigogine, Science, Civilization and Democracy, in: Futures 1986, 493, 497.
Vgl. dazu Shrader-Frechette, a.a.O. (Fn. 44), S. 203 ff.; dies., Science Policy, Ethics and Economic Methodology, Boston 1984.
Vgl. nur Brüggemeier, a.a.O. (Fn. 6), Nr. 539 ff.
Brüggemeier, a.a.O. (Fn. 6), Nr. 539 ff.; die Zivilgerichte sehen sich durch technische Normen nicht gebunden, vgl. OLG Köln VersR 1984, 270; Brüggemeier, a.a.O. (Fn. 6), Nr. 580.
Vgl. dazu Ladeur, Jenseits von Regulierung und Ökonomisierung der Umwelt: Bearbeitung von Ungewißheit durch (selbst-)organisierte Lernfähigkeit, ZfU 1987, 1.
Vgl. nur Ladeur, Entschädigung für Waldsterben?, DÖV 1986, 445.
Vgl. dazu Ladeur, Schadensersatzansprüche des Bundes für die durch den Sandoz-Unfall entstandenen ”ökologischen Schäden”?, NJW 1987, 1236 ff.
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Ladeur, KH. (1993). Risiko und Recht. Von der Rezeption der Erfahrung zum Prozeß der Modellierung. In: Bechmann, G. (eds) Risiko und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83656-4_8
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-11901-4
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