Zusammenfassung
Nach einem bekannten Diktum von Epiktet seien es nicht die Taten, die die Menschen erschüttern, sondern die Worte über die Taten1. Trotz der stoischen Pointe, sich nicht von Worten irritieren zu lassen, ist der Gegensatz zwischen »pragmata« und »dogmata« sicher vielschichtiger als Epiktets Moralanweisung zuläßt. Sie erinnert uns an die Eigenkraft der Worte, ohne deren Gebrauch unser menschliches Tun und Leiden kaum erfahrbar, sicher nicht mitteilbar sind. Epiktets Satz steht in der langen Tradition, die sich seit alters mit dem Verhältnis von Wort und Sache, von Geist und Leben, von Bewußtsein und Sein, von Sprache und Welt beschäftigt hat. Auch wer sich auf das Verhältnis der Begriffs- zur Sozialgeschichte einläßt, steht unter dem Reflexionsdruck dieser Tradition. Er gerät schnell in den Bereich theoretischer Prämissen, die hier von der Forschungspraxis her anvisiert werden sollen2.
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Anmerkungen
Epiktet Encheiridion, c. V.
Die folgenden Überlegungen gründen auf der Redaktionsarbeit an dem von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck herausgegebenen Lexikon »Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland« (5 Bände, Stuttgart, Band I, 1972; die weiteren Bände folgen im Jahresabstand). Zur Ergänzung der folgenden Gesichtspunkte sei auf die Einleitung des Lexikons verwiesen. Für Herkunft und gegenwärtigen Forschungsstand der Begriffsgeschichte — nicht nur als historischer Disziplin — vgl. den gleichnamigen Artikel von H. G. Meier in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter, Bd. 1, Basel-Stuttgart 1971, S. 788–808.
Eine klare und bibliographisch gründliche Aufarbeitung der politischen Semantologie findet sich bei Walther Dieckmann, Sprache in der Politik. Einführung in die Pragmatik und Semantik der politischen Sprache, Heidelberg 1969. Speziell zur Methode und Theorie seien genannt Richard Koebner, Semantics and Historiography, in: Cambridge Journal 7 (1953); Mario A. Cattaneo, Sprachanalyse und Politologie, in: Methoden der Politologie, hrsg. von Robert H. Schmidt, Darmstadt 1967; sowie Louis Girard, Histoire et lexicographie, in: Annales 18 (1963), eine Besprechung von Jean Dubois, Le vocabulaire politique et social en France de 1869 à 1872, Paris 1962.
Georg Winter, Hrsg., Die Reorganisation des Preußischen Staates unter Stein und Hardenberg. Erster Teil, Band I, Leipzig 1931, S. 316. Für den sozialgeschichtlichen Zusammenhang der Interpretation vgl. mein Buch »Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848« (Industrielle Welt, Band 7), Stuttgart 1967, S. 158, 190 f. und Exkurs II zur Begriffsbestimmung des Staatsbürgers und ähnlicher termini.
Friedrich Meusel, Hrsg., Friedrich August Ludwig von der Marwitz, 3 Bände, Berlin 1908–1913, Band II, 1, S. 235 ff.; Band II, 2, S. 43.
Vgl. dazu meinen Aufsatz »Der neuzeitliche Revolutionsbegriff als geschichtliche Kategorie«, in: Studium générale 22 (1969), S. 825–838.
Siehe Noam Chomsky, Aspekte der Syntax-Theorie, Frankfurt/Main 1965, S. 202 ff.
Dazu Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder (Schriften zur Verfassungsgeschichte, Band 1), Berlin 1961.
Vgl. den Artikel »Bürgerliche Gesellschaft« von Manfred Riedel im Lexikon »Geschichtliche Grundbegriffe« (a.a.O., Anm. 2).
Vgl. Hermann Lübbe, Säkularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs, Freiburg-München 1965, und Hermann Zabel Verweltlichung — Säkularisierung. Zur Geschichte einer Interpretationskategorie, Diss. Münster 1968.
Paul-Ludwig Weinacht, Staat. Studien zur Bedeutungsgeschichte eines Wortes von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert (Beiträge zur Politischen Wissenschaft, Band 2), Berlin 1968.
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© 1972 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Koselleck, R. (1972). Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte. In: Ludz, P.C. (eds) Soziologie und Sozialgeschichte. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83551-2_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83551-2_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-11186-5
Online ISBN: 978-3-322-83551-2
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