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Zusammenfassung

Es war ein Dechant von Köstendorf — zu Ungewisser Zeit. Denn in Köstendorf gibt es keine Zeit. Ich ging einmal selbst durch Köstendorf — nämlich Alt-Köstendorf —, ich kam über die hohe Leiten vom Tannberg herunter, es läutete eben Mittag, als ich das Dorf betrat, und da merkte ich gleich, hier war alles Erdenkliche — Sonne und Schatten, Tag und Nacht, Schmeißfliegen, Wirtshaus, Kirchenuhr, Telegraphendrähte, aber keine Zeit. Woran ich das merkte, kann ich nicht genau erklären. Ich hörte die Glocke läuten — ich roch, daß es im Pfarrhaus Schmalzgebackene Apfelspalten gab. Ich sah den silbernen Wasserstrahl aus einem Brunnenrohr laufen — ich sah, daß das Postamt geschlossen war — und ich sah den alten Christusdorn hinter dem blanken Fenster einer Bauernstube, über dessen ganze Höhe und Breite er sich nach allen Seiten hin ausrankte. Einige seiner um ein Gitter gewundenen Zweige waren mit länglich zugespitzten, graugrünen Blättern besetzt, und kleine rote Blüten wie Blutstropfen zwischen die langen Stacheln gesprengt, andere schienen dürr und saftlos wie totes Holz, wieder andere trieben grade frisch aus, alles zu gleicher Zeit, und mir fiel ein, daß dieses fremdartige Gewächs, auch Dornenkrone genannt — wie viele, die in den Blumentöpfen der Bauern heimisch sind — aus dem Orient stammt und wohl in den Kreuzzügen herüberkam.

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Literatur

  • Zuckmayer, Carl: Der Seelenbräu. In: ders.: Gesammelte Werke. Bd. 2. Erzählungen. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1960. [zit. S. 223-224]

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Ralf Zoll

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© 2005 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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Zuckmayer, C. (2005). Der Seelenbräu (Ausschnitt). In: Zoll, R. (eds) Gesellschaft in literarischen Texten. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83416-4_30

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-8100-3745-9

  • Online ISBN: 978-3-322-83416-4

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