Zusammenfassung
Die Auseinandersetzung mit fremden Kulturen ist üblicherweise durch Entgegensetzungen geprägt, mit deren Hilfe man die disparaten eigenen Eindrücke zu ordnen und in einen mehr oder minder plausiblen Zusammenhang zu bringen versucht. Neben dem beliebten Begriffspaar „Tradition“ und „Moderne“ istgerade für asiatische Gesellschaften — wohl die Gegenüberstellung von „Kollektivismus“ und „Individualismus“ das wichtigste dieser binären Schemata. Sie findet sich nicht nur in populären Darstellungen, sondern hat auch in der wissenschaftlichen Diskussion, trotz immer wieder formulierter Einwände, ihren angestammten Platz. Der Gegensatz wird mit solcher Regelmäßigkeit beschworen, dass es sich beinahe erübrigt, konkrete Beispiele anzuführen. Was immer an der japanischen Gesellschaft oder Kultur positiv auffallen mag, die Gruppenpädagogik oder das gute Abschneiden der Schülerinnen und Schüler bei internationalen Schulleistungsvergleichen, die niedrige Kriminalitätsrate oder die effektiven Kooperationsbeziehungen innerhalb der Betriebe; regelmäßig wird es mit einem angeblichen Mangel an oder der Unterdrückung von Individualität verrechnet, die es den Bewohnerinnen und Bewohnern des ostasiatischen Archipels ermöglicht oder sie zwingt, ständig von sich abzusehen, selbstlos zu lernen, willig zu kooperieren und sich brav nach allen gesellschaftlichen Regeln und Gesetzen zu richten.
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© 2005 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Schubert, V. (2005). Westlicher Individualismus und japanische Gruppenorientierung? Oder: Über den Anteil der Selbsttäuschung bei der Konstruktion von Fremdem. In: Pädagogik als vergleichende Kulturwissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83390-7_13
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-14824-3
Online ISBN: 978-3-322-83390-7
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