Zusammenfassung
Der Regierungswechsel vom Oktober 1998 brachte eine ganze Reihe von Neuheiten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit sich: Zum ersten Mal wurde ein Regierungswechsel durch eine Wahl und nicht durch einen Koalitionswechsel einer Partei herbeigeführt, und erstmalig wurde eine Regierung gebildet, der keine Partei angehörte, die schon Teil der vorangegangenen Regierungskoalition gewesen war. „Zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik war das eigentlich Selbstverständliche selbstverständlich geworden. Das war der Zauber, der diesem Anfang innewohnte“ (Prantl 1999: 9). Deshalb wurde dieser Machtwechsel auch „historisch“ genannt -; seine Geschichtlichkeit konnte man ihm jedoch kaum anmerken, dazu verlief der Wechsel von Kohl zu Schröder zu unspektakulär. Nach 16 Jahren wurde die christlich-liberale Koalition ersetzt durch eine Koalition aus der SPD und den Grünen, die — ein weiteres Novum — zum ersten Mal in ihrer Parteigeschichte im Bund mitregierten. Auch regierte mit den Grünen nun erstmals eine Partei, deren historische Wurzeln nicht bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen, sondern die ein ausschließliches Kind der Bundesrepublik ist. Außerdem wurde an der Spitze des Staates ein Generationenwechsel vollzogen: Viele Kabinettsmitglieder haben ihre politische Sozialisation im 68er-Umfeld und in den frühen 70er Jahre erfahren, während die Kabinette Kohl noch von der Nachkriegsgeneration geprägt waren. Der vielzitierte „Marsch durch die Institutionen“ war durch das Ergebnis der Bundestagswahl von 1998 Wirklichkeit geworden, und nun sollten die Marschierer zeigen, was sie konnten. Dabei durften so viele Frauen mitmarschieren wie noch nie zuvor in einer bundesdeutschen Regierung: immerhin 5 Ministerinnen und 9 parlamentarische Staatssekretärinnen. Der Regierungswechsel 1998 war somit nicht nur ein politischer, sondern auch ein kultureller Wandel. Dies alles schlug sich im Begriff des „rot-grünen Projekts“ nieder, das nun verwirklicht werden sollte. Auch aus diesem Grund erweckte die rot-grüne Bundesregierung bei einigen besondere Hoffnungen, bei anderen große Befürchtungen.
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Egle, C., Ostheim, T., Zohlnhöfer, R. (2003). Einführung: Eine Topographie des rot-grünen Projekts. In: Egle, C., Ostheim, T., Zohlnhöfer, R. (eds) Das rot-grüne Projekt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83375-4_2
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