Zusammenfassung
Fast verständnisvoll erinnert Mephistopheles an die offen gebliebene Frage nach den Gründen und Konsequenzen wissenschaftlicher Neugier; in der von ihm soufflierten Antwort bevorzugt er als Quintessenz die Perspektiven eines amoralischen Pragmatismus: Wozu all die Gelehrtheit, wenn sie nicht ausreicht, die Folgen zu bedenken? Während der Urfaust noch in der Höllenfahrt endet, erfährt der moderne Faust Goethes seine Rettung doch, denn die Moderne hatte sich bereits identifiziert mit jenem Geist, der stets verneint. Sie hatte zum Leitbild erhoben, was in den Moritaten des 16. Jahrhunderts noch als unheilvoller Ausdruck von Hochmut und Vermessenheit dargestellt wurde. Im Sinne des neuen Selbstverständnisses wurde auch der Ausgang der Tragödie neu arrangiert. Am Ende der Anstrengungen steht nicht mehr das Scheitern durch Hybris, sondern das prometheische Symbol gelungener Praxis, symbolträchtig ist dem Meer neues Land abzugewinnen. Der moderne Faust als Prototyp des rastlosen Geistes der Moderne kann sich beruhigen und errettet werden in jenem ‚höchsten ‘Augenblick, wo und weil menschliches Wohl praktisch erreicht und verwirklicht werden konnte. Nicht allein die Erschließung sondern auch die Sicherung der Zukunft menschlicher Lebensräume wird zum höchsten Zweck und zur Antwort auf die Frage nach dem Wozu, daraufhin lässt sich das vormals tragische Schicksal in einer erneuten Peripetie auch für Faust selbst nochmals wenden.
„Man kann die Geschichte der Menschengattung im großen als die Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur ansehen, um eine innerlich — und, zu diesem Zwecke, auch äußerlich — vollkommene Staatsverfassung zu Stande zu bringen, als den einzigen Zustand, in welchem sie alle ihre Anlagen in der Menschheit völlig entwickeln kann“.1
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Zitierte Literatur
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Nennen, HU. (2000). Desiderat Diskurs. In: von Schell, T., Seltz, R. (eds) Inszenierungen zur Gentechnik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83357-0_7
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