Zusammenfassung
Der vor allem in den Sozialwissenschaften unvermindert populäre Begriff der “Lebenswelt” wurde von Edmund Husserl geprägt, um angesichts eines zunehmend positivistisch ausgerichteten Wissenschaftsverständnisses, das eine radikale Mathematisierung der Natur zur Folge hatte, auf die “Sinnfundamente” wissenschaftlicher Erkenntnis zurückgreifen zu können (vgl. Husserl, 1996: 52f.). Die vorwissenschaftliche Lebenswelt stellt dabei den gemeinsamen Horizont bereit, von dem aus jegliche Erfahrung und Erkenntnis erst möglich wird. Indem sich der Mensch aber mit dem Siegeszug des cartesianisch orientierten naturwissenschaftlichen Denkens als Subjekt eine vermessene Welt erschaffen hat, ist jenes Sinnfundament — zu Gunsten einer auf Effektivität und Produktivität ausgerichteten Lebensweise — aus dem Blick geraten. Husserl geht es in seiner folgenreichen Schrift, deren begriffliches Arsenal bis zum heutigen Tag wirksam ist, um eine Rückbesinnung:
“Der in dieser Welt lebende Mensch, darunter der naturforschende, konnte alle seine praktischen und theoretischen Fragen nur an sie stellen, theoretisch nur sie in ihren offen unendlichen Unbekanntheitshorizonten betreffen. (…) Sie finden wir als Welt aller bekannten und unbekannten Realitäten. Ihr, der Welt der wirklich erfahrenden Anschauung, gehört zu die Raumzeitform mit allen dieser einzuordnenden körperlichen Gestalten, in ihr leben wir selbst gemäß unserer leiblich personalen Seinsweise.” (op. cit.: 54).
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Maset, P. (2000). „Virtuelle Lebenswelt“? Zur Veränderung der symbolischen Ordnung durch künstliche Realitäten. In: Thiedeke, U. (eds) Bildung im Cyberspace. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83351-8_4
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