Zusammenfassung
In einer 1988 veröffentlichten Schrift über die Idee der Universität, an der namhafte Gelehrte beteiligt sind, führt der Berliner Wissenschaftshistoriker Wolf Lepenies aus, „daß die Wissenschaftsentwicklung nicht nur ein Fortschritt, sondern auch eine Geschichte langlebiger Irrtümer... ist“.2 Er spricht in diesem Zusammenhang von einer Entmoralisierung der Wissenschaften im 19. und 20. Jahrhundert, und nicht das zumeist pejorativ verstandene Moralisieren ist das Gegenteil des hier Gemeinten, sondern Forschungsethik ist es, wie an anderer Stelle gesagt wird.3 In der Erforschung von Fehlentwicklungen haben wir es mit übergreifenden Vorgängen zu tun, und der Feststellung in einem der Erlanger Beiträge über den Fall Schneider/Schwerte von Jürgen Lehmann ist zuzustimmen, „daß es hier nicht um eine bestimmte Person, sondern um ein immer noch unerledigtes Kapitel deutscher Wissenschaftsgeschichte geht“.4 Gleichwohl sind Fehlentwicklungen in erster Linie an einzelnen Forscherpersönlichkeiten zu untersuchen. Solche Untersuchungen können kaum anders als wissenschaftskritisch angelegt sein. Folglich heißt es in dem angeführten Beitrag: „Mehr als bisher werden die Universitäten der Zukunft auch Wissenschaftsskepsis und Wissenschaftskritik lehren müssen“5 — und der Autor zitiert in diesem Zusammenhang aus Nietzsches Schrift „Menschliches, Allzumenschliches“, in der es heißt: „Desshalb muss eine höhere Cultur dem Menschen ein Doppeigehim, gleichsam zwei Himkammem geben, einmal um Wissenschaft, sodann um Nicht-Wissenschaft zu empfinden“.6
Als Vortrag am 25. Februar 1997 in Münstereifel und am 17. Juli in der Universität Erlangen gehalten. Ein Bericht über die seither erschienenen selbständigen Schriften zum Thema ist inzwischen unter dem Titel „Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Vorläufiger Bericht über den Germanisten Hans Schwerte“ in den „Mitteilungen des Marbacher Arbeitskreises für Geschichte der Germanistik“ veröffentlicht worden (Heft 11/12. 1997). Berührungen mit diesem Beitrag konnten nicht ausbleiben.
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Literatur
Jürgen Lehmann: Begrüßung. In: Ein Germanist und seine Wissenschaft. Der Fall Schneider/Schwerte. Erlanger Universitätsreden Nr. 53/1996,3. Folge, S. 20.
Friedrich Nietzsche: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe. Hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. München/Berlin 1960. Bd.ll, S. 209.
Hans Schweite: Faust und das Faustische. Eine deutsche Ideologie. Stuttgart 1962.
Viktor Zmegac: Moderne/Modernität. In: Moderne Literatur in Grundbegriffen. Hg. von Dieter Borchmeyer und Viktor Zmegac. 2 Aufl. Tübingen 1994, S. 27.
Hugo Friedrich: Die Struktur der modernen Lyrik. Von Baudelaire bis zur Gegenwart. Hamburg 1956, S. 49.
Hier zitiert nach Hans-Ulrich Thamer: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945. Berlin 1966, S. 269.
Rainer Zitelmann: Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs. Hamburg u.a. 1967 (erste Auflage).
Günter Erbe: Die verfemte Moderne. Die Auseinandersetzung mit dem ‘Modernismus’ in Kulturpolitik, Literaturwissenschaft und Literatur der DDR. Opladen 1993.
Hermann Rudolph: Kulturkritik und konservative Revolution. Zum kulturell-politischen Denken Hofmannsthals und seinem problemgeschichtlichen Kontext. Tübingen 1971, S. 1.
Max Nordau: Entartung. 2 Bde. Berlin 1892 (Erste Auflage). -Hierzu neuerdings Christoph Schulte: Psychopathologie des Fin de siècle. Der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau. Frankfurt a.M. 1997 (mit ausführlichem Literaturverzeichnis).
Jürgen Habermas: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V. Frankfurt a.M. 1985, S. 36.
Fritz Stern: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Bern/Stuttgart/Wien 1963, S. 127–220.
Gustav Frenssen: Jörn Uhl. Berlin 1903, S. 133.
Paul Wuckhohn: Das Fortwirken der deutschen Romantik in der Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsche Bildung, 4 (1928), S. 43.
Hierzu Egon Schwarz: Rainer Maria Rilke unter dem Nationalsozialismus. In: Rilke heute. Beziehungen und Wirkungen. Hg. v. Ingeborg W. Solbrig und Joachim W. Storck. Frankfurt a.M. 1975, S. 287–313.
Wolfgang Adam, Petra Boden, Holger Dainat u.a. im Jubiläumsheft des „Euphorion“, 88. Bd., 1994, erstes Heft, ist hinzuweisen.
Beda Allemann: Zelt und Figur beim späten Rilke. Ein Beitrag zur Poetik des modernen Gedichts. Pfullingen 1961.
Hans Schweite : Der Weg ins zwanzigste Jahrhundert. 1889–1945. In: Annalen der deutschen Literatur. Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen bis zur Gegenwart. Eine Gemeinschaftsarbeit zahlreicher Fachgelehrter. Hg. von Heinz Otto Burger. Stuttgart 1962, S. 719–840.
Walter Jens: Völkische Literaturbetrachtung -heute. In: Bestandsaufnahme. Eine deutsche Bilanz 1962. Sechsunddreißig Beiträge deutscher Wissenschaftler, Schriftsteller und Publizisten. Hg. von Hans Werner Richter. München/Wien/Basel 1962, S. 348.
Norbert Frei: Vergangenheitspolitik Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. München 1996.
Josef Nadler: Literaturgeschichte des deutschen Volkes. Dichtung und Schrifttum der deutschen Stämme und Landschaften. Vierter Band. Berlin 1941, S. 198–199.
Robert Musil: Gesammelte Werke in neun Bänden. Hg. von Adolf Frisé. Reinbek 1978, B. IX, S. 1715.
Josef Nadler: Kleines Nachspiel. Wien 1954, S. 90.
Walter Muschg: Josef Nadlers Literaturgeschichte. In: W.M., Die Zerstörung der deutschen Literatur. Bern 1956, S. 133–152
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Wolfgang Riedel: „Homo Natura“. Literarische Anthropologie um 1900. Berlin 1996, S. IX : Der Aufsatz Schwertes in: Wirkendes Wort 14 (1964), S. 254–270.
Karlheinz Rossbacher: Heimatkunstbewegung und Heimatroman. Zu einer Literatursoziologie der Jahrhundertwende. Stuttgart 1975, S. 12
Karl Müller: Zäsuren ohne Folgen. Das lange Leben der literarischen Antimoderne seit den 30er Jahren. Salzburg 1990, S. 10.
Gottfried Benn: Das moderne Ich. In: Gesammelte Werke in vier Bänden. Hg. von Dieter Wellershoff. Wiesbaden 1959, Bd. I, S. 7–22.
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Müller-Seidel, W. (1998). Probleme der literarischen Moderne. In: König, H. (eds) Der Fall Schwerte im Kontext. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83298-6_4
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