Zusammenfassung
Die von Niklas Luhmann (1996) in seinem Buch über die “Realität der Massenmedien” geäußerte Feststellung: “Nach der Wahrheit die Werbung” (S. 85) verweist auf ein grundsätzliches Dilemma, das für die Kommunikationsform ‘Werbung’1 kennzeichnend ist und als Problem von Werbestrategien berücksichtigt werden muß: Es handelt sich um den von den Adressaten der Werbekommunikation gehegten Verdacht des Manipulierens, der Unwahrheit der ‘Werbebotschaft’ und der Unaufrichtigkeit der Werbetreibenden.2 Dieser Sachverhalt bleibt nicht ohne Folgen für die Bemühungen der Werbemacher. Wer erfolgreich werben will, muß seine Werbung so gestalten, daß dieser Verdacht, wenn nicht gänzlich ausgeräumt oder beseitigt, so doch wenigstens abgeschwächt wird. Werbung ist mithin bemüht, glaubwürdig zu erscheinen.3 Dies gilt in jedem Fall für die Formen der Werbung, die als vorrangiges Ziel haben, von den Eigenschaften, dem Wert oder der Leistungsfähigkeit eines Produktes, einer Dienstleistung oder Organisation zu überzeugen. Nur von nachrangiger Bedeutung und für das Erreichen des intendierten Werbeziels nicht zwingend notwendig ist die Generierung von Glaubwürdigkeit, wenn es den Werbenden hauptsächlich um Sichtbarkeit eines Produktes oder um Aufmerksamkeit4 für ein Produkt in einem durch ein Überangebot an konkurrierenden Marken und Produkten gekennzeichneten Handlungskontext geht. Die primär auf Glaubwürdigkeit abzielende inhaltliche Gestaltung von Werbung ist unter diesen Bedingungen keine notwendig zu realisierende Komponente der Werbung und Voraussetzung des Werbeerfolges. Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit können in vielen Fällen das einzige oder eigentliche Ziel von Werbung sein und hinlänglichen Erfolg nach sich ziehen. Allerdings dürfte die Mehrzahl der Werbungen immer noch vorrangig den Versuch repräsentieren, durch glaubwürdige Inszenierungen zu überzeugen, und das, obwohl die Werbung als Rahmen (im Goffmanschen Sinne) prinzipiell unter dem Verdacht steht, beeinflussen, täuschen oder manipulieren zu wollen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Fiske, John: Media Matters. Everyday Culture and Political Change. Minneapolis, London 1994.
Gleich, Uli: Das harte Geschäft der raffinierten ‘Verführung’. In: Medien Concret 1, 1992, S. 20–28.
Goffman, Erving: Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. [Aus d. Amerik., zuerst 1974]. Frankfurt am Main 1977.
Hahn, Alois: Soziologische Aspekte der Knappheit. In: Heinemann, Klaus (Hrsg.): Soziologie des wirtschaftlichen Handelns. Opladen 1987, S. 119-132.
Horton, Donald; Wohl, R. Richard: Mass-Communication and Para-Social Interaction: Observations on Intimacy at a Distance. In: Psychiatry 19 (1956), S. 215–229.
Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien. 2., erweiterte Auflage. Opladen 1996.
Meyrowitz, Joshua: Die Fernseh-Gesellschaft. Wirklichkeit und Identität im Medienzeitalter. Weinheim, Basel 1987.
Mikos, Lothar: Frühjahrsputz revisited. Das Frauenbild der Werbung hat sich kaum verändert. In: Medium 4, 1988, S. 54–57.
Necker, Tyll: Maßstäbe einer Wirtschaftspolitik für Deuschland: Relevanz — Glaubwürdigkeit — Verständlichkeit. In: Wohin steuert Deutschland? Bonn 1993, S. 11-22.
Nickel, Volker: Werbung unverblümt. Zeitsichten zu einer anhaltenden Debatte (edition ZAW). Bonn 1997.
Oerter, Rolf; Montada, Leo u. a.: Entwicklungspsychologie. 2., neu bearb. Aufl. München, Weinheim 1987.
Paczesny, Reinhard: Was ist geheim an der Verführung? Strategien, Techniken und Materialität der Werbung. In: Gumbrecht, Hans U.; Pfeiffer, K. Ludwig (Hrsg.): Materialität der Kommunikation. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1995, S. 474-483.
Polenz, Peter v.: Deutsche Satzsemantik. Grundbegriffe des Zwischen-den-Zeilen-Lesens. 2., durchgesehene Auflage. Berlin, New York 1988.
Schmidt, Siegfried J.; Spieß, Brigitte: Die Kommerzialisierung der Kommunikation. Fernsehwerbung und sozialer Wandel 1956–1989. Frankfurt am Main 1996.
Schneider, Irmela; Thomsen, Christian W. (Hrsg.): Hybridkultur. Medien, Netze, Künste. Köln 1997.
Willems, Herbert: Rahmen und Habitus. Zum theoretischen und methodischen Ansatz Erving Goffmans: Anschlüsse und Anwendungen. Frankfurt am Main 1997b.
Willems, Herbert: Rahmen, Habitus, Diskurse. Zum Vergleich soziologischer Konzeptionen von Praxis und Sinn. In: Berliner Journal für Soziologie 7, 1997a, H. 1, S. 87–107.
Willems, Herbert; Jurga, Martin (Hrsg.): Die Inszenierungsgesellschaft. Opladen 1997b.
Willems, Herbert; Jurga, Martin: Globaler symbolischer Austausch: Zum Wandel weiblicher Inszenierungslogiken. In: Robertson-Wensauer, Caroline (Hrsg.): Kulturwandel und Globalisierung. Karlsruhe 1998a (im Druck a).
Willems, Herbert; Jurga, Martin: Globalisierung, medienkulturelle Tradierung und die Darstellung der Geschlechter in der Werbung. In: Göttlich, Udo u.a. (Hrsg.): Zur Theatralität der Öffentlichkeit und ihrer Medien. Köln (im Druck b).
Wolff, Stephan; Müller, Hermann: Kompetente Skepsis. Eine konversationsanalytische Untersuchung zur Glaubwürdigkeit in Strafverfahren. Opladen 1997.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1998 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Willems, H., Jurga, M. (1998). Inszenierungsaspekte der Werbung. Empirische Ergebnisse der Erforschung von Glaubwürdigkeitsgenerierungen. In: Jäckel, M. (eds) Die umworbene Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83294-8_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83294-8_10
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13102-3
Online ISBN: 978-3-322-83294-8
eBook Packages: Springer Book Archive