Zusammenfassung
Seit gut 25 Jahren erlebt die politische Philosophie eine Renaissance. Es handelt sich um Fachphilosophie, die von der politikwissenschaftlichen Abteilung für politische Theorie eifrig aufgenommen wird (vgl. dazu den Überblick von Kymlicka 1995). Die Modernisierung der politischen Philosophie begann mit einer Initialzündung. John Rawls veröffentlichte nach etlichen kleineren Vorpublikationen 1971 seine Theorie der Gerechtigkeit. Darin geht es um die Begründung eines demokratischen und sozialpolitisch aufgeschlossenen Staates. Die neuzeitliche Philosophie hatte sich wenig um den Staat moderner Prägung, geschweige denn um den Sozialstaat des 20. Jahrhunderts gekümmert. Bei Hegel war der Staat Träger einer historischen Mission — eine Idee, die, ob verdient oder nicht, durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts diskreditiert war. Die marxistische Philosophie konnte mit dem Staat nichts anfangen, weil er den Ruf einer gesellschaftlichen Zwangsjacke genoß. Die Vernunftleistung des Individuums von Kantschem Zuschnitt konnte im Zeitalter der Soziologie, der breiten gesellschaftlichen Partizipation an der Politik und des staatlichen Bemühens um den Spagat zwischen freiheitlichen und gleichen Lebensverhältnissen auch nicht mehr überzeugen. Locke hatte seine Gloriole durch die Erfahrung von Massenarbeitslosigkeit, Weltwirtschaftskrisen und die Überlebtheit politischer Legitimation durch privates Vermögen eingebüßt. Hobbes wiederum war durch die Wissenschaft vom Ruch einer frühen Wegbereitung für den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts befreit worden. Die philosophische Reflexion der modernen Politik war an der Zeit; sie hinkte bereits beträchtlich hinter der empirisch orientierten Gesellschaftswissenschaft her. Rawls in seiner Kombination von Argumentationssträngen der neuzeitlichen Philosophie mit zeitgenössischen politischen Themen — Gleichheit, Markt, Demokratie — traf ein Auseinandersetzungsbedürfnis, das „in der Zeit“ lag. Nicht anders verhielt es sich mit den Autoren, die ihm antworteten, sei es, daß sie beipflichteten oder widersprachen. Die stürmische Aufnahme der Rawlsschen Philosophie ist schon als solche für die Politikwissenschaft interessant (Barry 1980, 284 f.).
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© 1997 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Hartmann, J. (1997). Das lange Trittbrett der modernen politischen Philosophie. In: Wozu politische Theorie?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83288-7_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83288-7_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13069-9
Online ISBN: 978-3-322-83288-7
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