Zusammenfassung
Der Zusammenschluss von 15 Staaten Europas in der Europäischen Union ist eines der erfolg- und folgenreichsten politischen Projekte des vergangenen Jahrhunderts. Auguren sehen sie heute mit der Erweiterung um 10 weitere Staaten, dem Ausgreifen der ökonomischen auf eine politische Integration und dem damit zusammenhängenden Bedarf an institutionellen Reformen an einem Scheideweg. Obwohl alle Auseinandersetzungen über die „Finalität“ des Integrationsprozesses um diese Kategorie kreisen, hat auch der Verfassungskonvent eine „Staatswerdung“ nicht angestrebt. So bleibt es bei dem analytisch wenig befriedigenden Befund, das institutionelle Arrangement der EU sei kein Staatenbund (mehr) und (noch) kein Bundesstaat. Beide Begriffe orientieren sich am Herrschaftstypus des geschlossenen Nationalstaates. Dieser wird von vielen im Zeichen der globalen Entgrenzungen als auslaufendes politisches Modell betrachtet. Folgerichtig ist der Prozess der europäischen Integration mit den Begrifflichkeiten der Gesellschafts- und Staatswissenschaften nur unzureichend zu fassen, die nicht nur am Anfang des letzten Jahrhunderts in Deutschland in voller Blüte standen, sondern noch heute unser Politikverständnis maßgeblich beeinflussen: die Herrschaftstheorie Max Webers und die Staatslehre von Georg Jellinek. Andererseits haben sich bisher die unzähligen Versuche, den Prozess der europäischen Integration wissenschaftlich zu begleiten, auf die erklärende Rekonstruktion der politischen Entwicklung beschränkt (Offe 2003: 246).
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Wolf, R. (2004). Herrschaft in Zeiten der Entgrenzungen. Die Europäische Union als Herrschaftsverbund. In: Aden, H. (eds) Herrschaftstheorien und Herrschaftsphänomene. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-81010-6_12
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