Zusammenfassung
Mehr als zweitausend Jahre später sind Kinderopfer noch immer die kostbare Opfergabe, die die Segel mit Wind füllt, wenn man in den Krieg ziehen will. Die Altäre, auf denen die Kinderopfer (noch einmal) dargebracht werden, sind die öffentlichen Arenen der Massenmedien, parlamentarischen Debatten, Vernehmlassungen, aber unter Umständen auch Demonstrationen auf der Straße. Und während Agamemnon, der im Eingangszitat dieses Beitrags spricht, seinem Sklaven über den schlechten Schlaf klagt, den das von ihm verlangte Opfer ihm verursacht (oder ist es mehr noch der absehbare Zwist mit Klytämnestra), so scheinen deutsche Politiker von weniger Sorgen belastet, wenn sie es in den Dienst ihrer Sache stellen. Der folgende Beitrag analysiert diese seltsamen Opferriten unserer Zeiten und fragt danach, wem es gelingt in dieser Weise welches Schicksal günstig zu stimmen.
Nun liegt das ganze aufgebotne Heer, Weil ihm die Winde widerstreben, müßig In Aulis’ Engen. Unter fürchterlichen Beängstigungen bringt der Seher Kalchas Den Götterspruch hervor, dass, wenn die Winde Sich drehn und Trojas Türme fallen sollen, Auf Artemis Altar, der Schützerin Von Aulis, meine Iphigenia, mein Kind, Als Opfer bluten müsse, blutete Sie nicht, dann weder Fahrt, noch Sieg. (Euripides; Iphigenie in Aulic, 1. Akt, übers. v. Friedrich Schiller in Schillers Werke. Nationalaugabe band XV, 1. Weimar 1993)
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Bühler-Niederberger, D. (2005). „Stumme Hilferufe hören“1 — Naturalisierung und Entpolitisierung deutscher Politik an der Wende zum 21. Jahrhundert2 . In: Bühler-Niederberger, D. (eds) Macht der Unschuld. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80960-5_8
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