Zusammenfassung
Die ländervergleichende Recherche, auf der dieses Kapitel beruht, beansprucht nicht, einen umfassenden Einblick in die Bildungspolitik und die Bildungspraxis Englands, Frankreichs und Kanadas zu geben.32 Denn unsere Untersuchung war vor allem darauf ausgerichtet, Anregungs- und Innovationspotentiale, also Strukturen, Programme, Konzeptionen und Projekte zu identifizieren, die in der Bundesrepublik bislang nicht oder nur unzureichend berücksichtigte Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen.
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Literatur
Basisinformationen zum englischen, kanadischen und französischen Bildungssystem finden sich in BMBF 2003.
Damit soll keineswegs bestritten sein, dass auch in den genannten Ländern das Schulsystem zur Reproduktion sozialer Ungleichheiten beiträgt. Dies geschieht in Frankreich u.a. durch Effekte sozialräumlicher Segregation sowie die Differenzierung in formell gleiche, aber faktisch ungleichwertige Schulabschlüsse. (s. dazu Bourdieu u.a. 1997: 527ff.), in England u.a. durch die Differenzierung in private und public schools sowie als Nebeneffekt der Stärkung der Schulautonomie (s. dazu etwa Radt-ke/Weiß 2000).
S. dazu klassisch Bernstein u.a. (1971); Bourdieu/Passeron (1973) sowie Bourdieu (1984: 500 ff); aktuell etwa Dubet/Duru-Bellat (2000); McDonald (1999).
So gewinnt z. B. das US-amerikanische Programm Blue Eyed, Brown Eyed im dortigen Kontext seine Plausibilität nicht zuletzt durch seine offenkundige Anspielung auf die Realität eines biologischen Rassismus, der die Hautfarbe als Unterscheidungskriterium verwendet (s. hierzu auch Möller 2002). Dessen Relevanz kann hierzulande jedoch nicht in gleicher Weise vorausgesetzt werden. Insofern stellt sich die Frage, ob und wie die Auseinandersetzung mit willkürlicher Diskriminierung auf Grund biologischer Festlegungen Lernprozesse ermöglicht, die auch für die Überwindung eines solchen Kulturrassismus, der bspw. mit der Unterscheidung „westliche Wertegemeinschaft“ vs. Islam operiert, nützlich sind.
So der Titel einer von Citizenship Foundation (2000) herausgegebenen Handreichung und Materialsammlung für Lehrerinnen, auf die wir im Weiteren noch zurückkommen werden.
S. dazu Griese 1984. Diese „Wende“ wurde vor allem durch die Kritik an der der Ausländerpädagogik zugrunde liegenden Defizithypothese — als Zentralproblem angenommen wurden dort sprachliche, kulturelle und sozialisatorische Defizite der Migrantenkinder, die pädagogisch kompensiert werden müssen — veranlasst. In dem von Griese herausgegebenen Band finden sich aber auch bereits Elemente einer grundlegenden Kritik der kulturalistischen Perspektive.
Von Bedeutung hierfür war nicht zuletzt die von Annita Kalpaka und Nora Räthzel publizierte Studie „Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein“ (1991). Daran anschließend wurden eine Reihe von Beiträgen aus der britischen Antirassismusdiskussion in deutscher Übersetzung vorgelegt sowie einige theoretische Studien und Erfahrungsberichte publiziert; s. etwa Leiprecht 1992.
Inner London Education Authority (ILEA)
Das eingeführte Curriculum basiert auf dem präskriptiven Modell einer nationalen Kultur, einer nationalen Geschichte und eines nationalen Interesses (s. Gill/Mayor/Blair 1992).
S. Tomlinson 2000; die Parallelen zur deutschen Situation sind offenkundig. In Deutschland beziehen sich solche Abgrenzungen in der Regel nicht auf ethnische Unterscheidungen, sondern hier wird das Kriterium der Staatsangehörigkeit („Die Türken“ als Problemgruppe) bzw. die Unterscheidung Einheimische/Einwanderer verwendet.
S. Gaine 2000
Der Mord an Stephen Lawrence geschah bereits im Jahr 1993. Auf Drängen der Eltern, die sich über das rassistische Verhalten seitens der Untersuchungsbehörden beklagten, wurde schließlich 1997 von der Labour-Regierung eine umfassende Untersuchung veranlasst. Der Untersuchungsbericht (MacPherson Report) zeigte einen in der Institution der Polizei verankerten Rassismus, die nicht als individuelles Fehlverhalten einzelner Personen zu fassen ist.
Der Race Relations (Amendment) Act 2000 erneuert und erweitert den Race Relations Act von 1976.
Das Office for Standards in Education besucht als Kontrollinstitution Schulen im Abstand von vier Jahren und dokumentiert, inwiefern diese den allgemeinen Qualitätsstandards entsprechen. Von Regierungsseite ist Ofsted eine Schlüsselrolle zur Überwindung von Rassismus und Diskriminierung im Bildungssystem zugewiesen worden. Die Commission for Racial Equality bemängelt allerdings, dass faktisch viele Schulinspektionen der Thematik von Race Equality keine Beachtung schenken (s. CRE 2000). Eine an der Universität von Leicester durchgeführte Untersuchung zur Praxis von Ofsted-Inspektionen im Hinblick auf die Berücksichtigung von Race Equality zeigt, dass es bei vielen Inspektorinnen an Sensibilität für die Thematik sowie an der notwendigen Kompetenz, Maßnahmen zur Beseitigung von Diskriminierungen im Hinblick auf ihre Effektivität und Angemessenheit hin zu bewerten, fehlt. Folglich wird auch hier die Notwendigkeit von Fortbildungsmaßnahmen betont (s. Osler/Morrison 2000). Die Commission for Black Staff in Further Education problematisiert in diesem Zusammenhang auch die Unterrepräsentanz von Minderheiten in den Gremien und dem Personal von Ofsted (s. Commission for Black Staff in Further Education 2002).
Citizenship meint wörtlich übersetzt Staatsbürgerschaft. Es geht in diesem Curriculum jedoch nicht nur um traditionelle Themen staatbürgerlich-politischer Bildung. Vielmehr umfasst das Curriculum vielfältige Dimensionen des sozialen Zusammenlebens.
S. Ofsted 1999
S. Gillborn/Mirza 2000, DfES 2003. Siehe auch den im Auftrag des Erziehungsministeriums erstellten Forschungsbericht zur Analyse der Aktionspläne von 151 lokalen Schulbehörden im Hinblick auf die Realisierung von Chancengleichheit von Minderheiten (Tikly u. a. 2002). Darin wird deutlich, dass einige Schulbehörden auf der Grundlage der Verpflichtung zu einem regelmäßigen Ethnic Monitoring (s. u.) lediglich Daten sammeln, die Auskunft geben über den Lernerfolg und die Benachteiligung von Minderheiten, aber kaum Strategien im Hinblick darauf vorliegen, welche konkreten Maßnahmen zur Überwindung dieser Benachteiligung in den einzelnen Schulen umgesetzt werden sollen.
S. Ofsted 2002; DfES 2002a sowie die grundsätzlichen Empfehlungen von Ofsted 2001 und Blair/Boume 1998
S. TTA 2000
Der Verweis auf dieses Toolkit (Dadzie 2000) zur Umsetzung einer antirassistischen Schulpolitik findet sich in nahezu allen uns vorliegenden Handreichungen und Materialsammlungen.
Auf Grund der Problematik ethnisierender Zuschreibungen schlagen wir — in Anlehnung an Konzepte des ethnic monitoring — im Weiteren ein Monitoring Bildungsinklusion vor, das auf ethnisie-rende Kategorien verzichtet (s. auch Radtke 2003: 31 ff.).
S. dazu auch Wolverhampton Race Equality Council Consortium 1999
Der von der Commission for Black Staff in Further Education verwendete Begriff „schwarz“ referiert nicht auf die Hautfarbe, sondern umfasst als weiter gefasster Begriff Angehörige unterschiedlicher Minderheiten, die die Erfahrung rassialisierender Diskriminierungen teilen (s. Commission for Black Staff in Further Education 2002: 107).
S. Commission for Black Staff in Further Education 2002; DfES 2003. Eine für die Teacher Training Agency durchgeführte Studie zur beruflichen Sozialisation von Lehrerinnen im Hinblick auf die Dimension von Ethnizität zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass einige Lehrerinnen, die ethnischen Minderheiten angehören, den Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils von Minderheitsangehörigen im Lehrpersonal sehr skeptisch gegenüberstehen. Sie befürchten, dass ihre Leistungen und ihr professioneller Status durch Formen der aktiven Gleichstellungsförderung in der öffentlichen Wahrnehmung weiter abgewertet werden könnten. Die Autorinnen der Studie weisen entsprechend darauf hin, dass in der Planung und Durchführung solcher Gleichstellungsmaßnahmen insofern Vorsicht und ein sensibler Umgang geboten ist, da diese als Fall umgekehrter Diskriminierung (Reverse Discrimination) interpretiert und wahrgenommen werden können (s. Carrington u. a. 2000).
So bestätigt etwa die Einweisung von Asylsuchenden in Sammelunterkünfte und ihre Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt das Deutungsmuster, es handele sich bei ihnen um eine homogene Gruppe, die an einer Integration in die Gesellschaft und regulärer Erwerbsarbeit nicht interessiert ist.
1998 wurde ein folgenreicher Bericht zur Situation der politischen Bildung vorgelegt. Die unter Leitung von Prof. Dr. Bernhard Crick durchgeführte Studie (Crick-Report) ist für die weitere Ausarbeitung und Implementierung des Curriculums von zentraler Bedeutung gewesen (s. Qualifications and Curriculum Authority 1998). Citizenship wurde bereits im Herbst 2000 in einer Testphase eingeführt, a-ber erst im Herbst 2002 als verbindliches Fach etabliert. Allerdings liegt es bislang in der Eigenregie von Schulen, wie sie Citizenship Education einfuhren, ob als separates Fach oder im Rahmen von Personal and Social Health Education sowie anderen Fächern.
Osler und Starkey kritisieren in diesem Zusammenhang die im Crick-Report implizit zugrunde gelegte Konzeption von staatsbürgerlicher Identität, die mit einem quasi kolonialen Gestus (Colonial Flavour) einhergehe. Denn in dieser Konzeption wird die Möglichkeit von multiplen oder hybriden Identitäten, die mehr als eine „Heimat“ haben und die sich z. B. in ihrem Selbstverständnis sowohl als Briten als auch als Zugehörige zu ethnischen Gruppen verstehen, unterschlagen (s. Osler/Starkey 2000: 7).
Die explizite Beschäftigung mit kontroversen Themen (Controversial Issues), wie sie nun im Rahmen des Citizenship-Curriculums vorgesehen ist, insbesondere im Rahmen der Themenkomplexe von Rassismus und Diskriminierung, wurde seit dem Education Reform Act von 1988 und der daran anschließenden Kampagne Back to the Basics der konservativen Partei als unzulässige Indoktrination der Schülerinnen durch die Lehrerinnen verstanden (s. Martin 2003: 2).
Vorurteile und Feindbilder haben als Elemente sozialer Deutungs- und Handlungsmuster die Funktion, sich mit anderen, z. B. Mitschülerinnen und Arbeitskolleginnen, einer gemeinsamen Sichtweise der sozialen Wirklichkeit zu versichern und damit sozialen Zusammenhalt zu stiften; sie ermöglichen auch eine Erklärung und Bewertung sozialer Probleme und Konflikte (s. dazu Scherr 1995: 44 ff. und 187 ff.). Sie können deshalb nicht einfach nur widerlegt werden. Vielmehr ist es erforderlich, alternative Sichtweisen zu entwickeln.
Letztere befindet sich jedoch — wie die Implementierung insgesamt — noch in den Anfängen: Die Ausbildung von Citizenship-LehrerInnen im Rahmen der Erstausbildung hat erst im September 2001 begonnnen. Dies führte vor allem während der Testphase, in der Citizenship im Jahr 2000 eingeführt wurde, zu der Problematik, dass vor allem Lehrerinnen, die über keine entsprechende Ausbildung verfugen, Citizenship unterrichten.
Der Lehrplan unterscheidet in sogenannte Key Stages. Key Stages sind altersgruppenbezogene Curricula, diese Curricula werden im Folgenden nicht detailliert dargestellt, sondern nur ausgewählte Beispiele.
Der Human Rights Act von 1998 beinhaltet die verfassungsrechtliche Einbindung der grundlegenden Menschenrechte. Alle öffentlichen Behörden sind in der Ausübung ihrer Funktionen verpflichtet, auf die in dieser Konvention verbürgten Rechte zu achten.
Die interaktive Webseite Britkid ist ausdrücklich als Unterrichtsmaterial mit Hinweisen für Lehrerinnen zum Einsatz im Unterricht konzipiert und fehlt inzwischen in keiner Handreichung mehr. Sie kann als gut ausgearbeitetes Beispiel für einen reflektierten multikulturellen und antirassistischen Ansatz gelten und wird inzwischen auch in anderen Ländern adaptiert (s. Eurokid und Swedkid).
S. Citizenship Foundation (2002)
Steiner-Khamsi weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die kanadische „Multikultura-lismus-Politik […] die Konstruktion eines multikulturalisierten Patriotismus [bewirkt] und nicht, wie fälschlicherweise angenommen werden könnte, die Stärkung ethnischer Gruppen“. Insofern ist hier Ethnizität nicht „Differenzierungs-, Abgrenzungs- und Ausgrenzungsmerkmal, sondern ein Vereini-gungs- und sogar Uniformierungsmerkmal“ (Steiner-Khamsi 1992: 143).
Gita Steiner-Khamsi unterscheidet in Anlehnung an Wsevolod W. Isajiw drei Ebenen des kanadischen Multikulturalismus: als reale Sozialpolitik, als demografisches Merkmal der kanadischen Gesellschaft und als gemeinschaftskonstituierende Ideologie (s. Steiner-Khamsi 1992: 128ff). Letztere ist im pädagogischen Kontext von besonderer Bedeutung.
Mit dem Begriff der Visible Minorities werden Kanadierinnen nicht-europäischer Herkunft bezeichnet. Die Kategorisierung „sichtbare Minderheiten“, die insbesondere die vorwiegend aus Asien eingewanderte Gruppe der „neuen Immigrantinnen“ betrifft, ist angesichts der sehr unterschiedlichen sozio-ökonomischen Situation der darunter Subsumierten problematisch. First Nations steht für die Selbstbezeichnung der indianischen Bevölkerung und anderen Aboriginal People (s. Adam 2002). Hier wird auch ein bedeutsamer Unterschied im Vergleich zur bundesdeutschen Situation: Infolge der selektiven Einwanderungspolitik und insbesondere der gezielten Förderung der Einwanderung von qualifizierten Fachkräften, gehören viele Migrantinnen zu den privilegierteren Schichten.
Bemängelt wurde in dem Bericht des Erziehungsministeriums von Ontario vor allem die oftmals folkloristische und exotisierende Herangehensweise der multikulturellen Ansätze (s. McLeod 1992). McLeod relativiert jedoch die Aussagekraft des Berichts im Hinblick auf Repräsentativität sowie die pauschale Verurteilung multikultureller Konzeptionen und lastet das Fehlgehen einiger Programme eher der unzureichenden Umsetzung an.
Anders als in England ist das kanadische Schulsystem regionalisiert: Insofern kann nicht von einer einheitlichen kanadischen Schulpolitik gesprochen werden. Die Ausführungen zu Kanada beschränken sich daher darauf, weitgehend konsensuelle Grundlagen darzustellen und an einem exemplarischen Beispiel zu verdeutlichen. Dabei beziehen wir uns vor allem auf die Provinz Ontario. Denn Ontario hat in der Vergangenheit eine Art Vorreiterrolle in der Entwicklung multikultureller und antirassistischer Programme übernommen sowie als erste Provinz bereits 1944 mit dem Racial Discrimination Act eine Antidiskriminierungsgesetzgebung etabliert und ist im Hinblick auf den Umgang mit den Angehörigen der Visible Minorities insofern von besonderem Interesse, als Ontario im Vergleich mit anderen Provinzen die am stärksten diversifizierte Bevölkerung aufweist und einen sehr großen Anteil der neuen — vor allem karibischen, afrikanischen und asiatischen — Einwandererinnen aufnimmt.
Chan 1998 (unveröff. Manuskript) gibt einen Überblick über die wenigen Untersuchungen und Evaluationen zur multikulturellen und antirassistischen Pädagogik in Kanada.
S. Ministry of Education and Training Ontario 1993: 7.
In der Vergangenheit waren es auch vor allem Community-Organisationen wie die Organization of Parents of Black Children und die Black Educators Working Group, die Schulen überhaupt dazu bewegt haben, anti-rassistische Gleichstellungspolitiken zu entwickeln (s. Dei u. a. 2000: 11).
Zu ähnlichen Beobachtungen kommt eine Studie über die Problematik ausländischer Studierender an deutschen Universitäten, die Matthias Otten an der Universität Karlsruhe durchgeführt hat (s. Otten 2004).
Eine vergleichbare Perspektive gewinnt inzwischen auch in der bundesdeutschen Fachdiskussion an Einfluss (s. dazu Reich/Roth 2003).
Dieses Beispiel ist entnommen aus einem Bericht der Ontario Human Rights Commission 1995.
Das Peel Board of Education existiert heute in dieser Form nicht mehr. Infolge einer Umstrukturierung des Erziehungssystems in Ontario wurden im Rahmen des Fewer School Boards Act, 1997 einzelne School Boards zu District School Boards zusammengelegt. Mit dieser sehr umstrittenen Maßnahme war eine Einschränkung der Autonomie der einzelnen Schulbehörden verbunden (s. etwa OECTA 1997).
So kann keineswegs von einer hinreichenden und systematischen Verankerung effektiver Fortbildungsmaßnahmen ausgegangen werden. Über die Hälfte der befragten Lehrerinnen hat in den vergangenen vier Jahren keine Fortbildungsmaßnahme mit multikultureller (Teil-)Thematik besucht. Die bestehenden Weiterbildungsangebote reduzieren sich weitgehend auf kurzfristige, punktuelle Workshops. Die Teilnahme an auf Nachhaltigkeit setzende an den Universitäten angesiedelte Weiterbildungskurse findet dagegen in weitaus geringerem Maße statt, ebenso wie eine an die multikulturellen und antirassistischen Aktionspläne der Schulen angekoppelte kontinuierliche schulbasierte Förderung von Professionalität (School-Based Professional Development) (s. Young/MacKay 1999; Solomon u. a. 2001).
Historischer Hintergrund dessen ist ein Überlegenheitsbewusstsein der politischen und intellektuellen Eliten: „Im Grunde wollte die école publique von Jules Ferry (Anfang des 19. Jahrhunderts, U.H./A.S.) den Kindern des Mutterlandes wie auch der Kolonien Zugang zum Universellen ermöglichen. Sie ließ die einen aus dem beschränkten Universum der Dialekte, des Dörflichen und der Kleinstädte heraustreten und die anderen aus ihrem Stand der Wildheit. Es ist also nicht erstaunlich, dass der Vater der republikanischen Schule auch ein wichtiger Akteur bei der Kolonialisierung war und dass seine Schul- und Kolonialpolitik in einem engen Zusammenhang standen.“ (Wieviorka 2003: 23)
Bericht von Jean-Michel Belorgey an die Ministerin für Arbeit und Solidarität Martine Aubry: „Lutter contre les discriminations“ vom 6. April 1999.
In einer Grundsatzrede vom Oktober 2002 hat Staatspräsident Jacques Chirac eine neue Integrationspolitik angekündigt. Diese soll aus drei Säulen bestehen: Der beruflichen Integration, der sprachlichen Integration (verbunden mit der Festschreibung eines „Rechts auf Sprache“) sowie der verstärkten Bekämpfung von Diskriminierung. Inzwischen hat die Regierung den Entwurf eines Integrationsvertrags vorgelegt, der mit Neuzuwanderern abgeschlossen werden und deren Eingliederung erleichtern soll. Dieser Integrationsvertrag wird mehrere Teile enthalten, darunter die Verpflichtung auf die Werte der Republik und die Festlegung der Rechte und Pflichten aller Beteiligten. Weiterhin gehört auch das Angebot verschiedener Diensdeistungen dazu: die Vermittlung der französischen Sprache, Unterrichtung in den Bürgerrechten und -pflichten sowie individuelle soziale und berufliche Unterstützung.
Seit 1998 haben mehrere offizielle Berichte und Stellungnahmen höchster staatlicher Stellen auf die Notwendigkeit verstärkter Aktivitäten im Bereich der Diskriminierungsbekämpfung hingewiesen. Ein ganzes Instrumentarium ist seither zu diesem Zwecke geschaffen worden (s. u.). Der Übergang von der Integrationspolitik zu einer Antidiskriminierungspolitik ist im Zusammenhang mit europäischen Aktivitäten in diesem Bereich und den entsprechenden Richtlinien zu sehen, die die Europäische Union im Juni 2000 erlassen hat.
Zahlreiche Gesetzestexte schaffen die Grundlage, auf der Diskriminierungen — vor allem rassistische — bekämpft und bestraft werden sollen, insbesondere das Gesetz von 1972 über die Bekämpfung von Rassismus und das Gesetz von 1990 zur Strafverfolgung rassistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Taten.
Die oben erwähnte Untersuchung (Institut Louis Harris 2002) hebt in diesem Zusammenhang einen interessanten Aspekt hervor: Ca. 40% der Befragten sind der Meinung, dass sie sich nicht frei zu Einwanderungsfragen äußern könnten.
Die folgenden Beispiele sind der zur Einführung des Curriculums publizierten Begleitbroschüre entnommen (s. CNDP 2000a: 10 ff.). Diese sind für die Classe de Seconde (10. Klasse) konzipiert.
Convention de Partenariat entre le Ministère de l’Education nationale et la LICRA. In: Le droit de vivre (Mitgliederzeitschrift der LICRA) 01/2002, S. 7.
SOS Racisme trat mit dieser Initiative an die Ligue de l’Enseignement heran, die größte nichtstaatliche Bildungsorganisation in Frankreich. Seither liegt die Federführung bei der Ligue, die im Lauf der Zeit ein immer größeres Kollektiv an Mitveranstaltern gewonnen hat. Die Schirmherrschaft übernimmt jedes Jahr das Nationale Bildungsministerium; die Finanzierung liegt beim FAS (Fonds d’action sociale), dem Jugend- und Sportrninisterium sowie dem Kulturministerium.
Bulletin Officiel du ministère de l’Education Nationale vom 20. Februar 2002.
S. etwa die Zusammenstellung „50 titres — L’Éducation aux droits de l’Homme, lutter contre le racisme“ des Centre national de documentation pédagogique (1997).
So formuliert Maryse Hedibel (2002: 207): „Die interkulturelle Bildung dient dazu, die Sichtweisen der künftigen bzw. bereits im Beruf stehenden Lehrer zu hinterfragen. Ausgehend von verschiedenen Fragestellungen findet hier eine Arbeit über Identität und Alterität statt, die es erlauben soll, folklorisierende Vorstellungen zu überwinden und zur Erziehung zur Citoyenneté beizutragen“
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Hormel, U., Scherr, A. (2004). Bildungspolitik und Bildungspraxis in Einwanderungsgesellschaften — England, Kanada und Frankreich im Vergleich. In: Bildung für die Einwanderungsgesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80633-8_3
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