Zusammenfassung
Seit einigen Jahren taucht in Dokumenten der Europäischen Union immer häufiger der Begriff des Europäischen Sozialmodells auf. Mit diesem Terminus verbindet sich die These einer (west-)europäischen Identität, die auf einer spezifischen Ausgestaltung der sozioökonomischen Ordnung beruhe — einer Ordnung, die in besonderer Weise in der Lage sei, wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Ausgleich zu kombinieren. „Entdeckt“wurde das Europäische Sozialmodell (im Folgenden meist: ESM) Mitte der 80er Jahre im Kontext einer doppelten Herausforderung: dem in den USA und dem Vereinigten Königreich wirkungsmächtig gewordenen Neoliberalismus und der revitalisier-ten Europäischen Integration mit dem Projekt „Binnenmarkt 1992“. Dem ESM kam in diesem Zusammenhang eine doppelte Funktion zu. Zum einen postulierte das ESM eine spezifisch europäische Tradition des politisch vermittelten sozialen Ausgleichs. In der wissenschaftlichen Diskussion führte dieser Strang der Debatte zu der Frage, ob es tatsächlich von außereuropäischen Ländern abgrenzbare, übergreifende Gemeinsamkeiten gibt, die das Reden von einem Europäischen Sozialmodell sinnvoll machen (vgl. Therborn 1995; Crouch 1999; Ebbinghaus 1999; Aust u.a. 2002).
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Aust, A. (2004). Umbau oder Abbruch des „Europäischen Sozialmodells“? Bemerkungen zu einer aktuellen europäischen Strategiedebatte. In: Glombowski, J., Fuhrmann, N., Pieper, K., Rabenschlag, K. (eds) Erweiterung und Integration der EU. Forschungen zur Europäischen Integration, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80585-0_7
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