Agrarischer Protest in der Moderne

Zusammenfassung

Die sich wandelnde Bedeutung des Agrarsektors in der modernen Massengesellschaft ist ein großes Thema der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, und sie läßt sich unter sehr verschiedenen Aspekten betrachten. So erinnert das Begriffspaar Land, Landwirtschaft einerseits und Moderne andererseits an die klassische Studie von Barrington Moore über die „Sozialen Ursprünge von Diktatur und Demokratie“.²³ In seiner einflußreichen Deutung maß Moore Bauern und Grundbesitzern die Rolle von politischen Schlüsselfaktoren im Entstehungsprozeß der modernen Welt bei. Demzufolge ebnete allein eine frühe „Zähmung des Agrarsektors“²⁴ den Weg in den bürgerlichen Kapitalismus und in die liberale Demokratie, wie dies in England und Frankreich der Fall war; umgekehrt führte eine fortbestehende Hegemonie der grundbesitzenden Oberschicht in den Faschismus (Deutschland und Japan) oder — auf revolutionärem Wege — in den Bolschewismus (Rußland und China). Hiergegen läßt sich einwenden, daß die Bedeutung des Agrarsektors für die Entwicklungsdynamik der modernen Industriegesellschaften möglicherweise überschätzt wird, zumal wenn sie in ein geradezu deterministisches Interpretationsmodell gezwungen wird. Darüber hinaus reproduziert Moores Arbeit politikhistorisch-länderspezifische Wege, die in einer europäischen Perspektive eigentlich wenn nicht aufgehoben, so doch eingebunden werden sollten.