Zusammenfassung
Der Prozess der Globalisierung, der eine plurisäkulare Geschichte aufweist und sich in Grundstrukturen auf das 15. Jahrhundert, den Beginn der europäischen Expansion nach Übersee, zurückführen lässt, hat seit den GATT-Verhandlungen der beginnenden 1990er Jahre und der Entwicklung des Internet eine völlig neue Dimension erhalten. Diese hat auch im deutsch-französischen Kontext den Transfer wirtschaftlicher und kultureller Güter beschleunigt und zugleich grundlegend verändert. Wie der Politologe Claus Leggewie in seinem Buch Die Globalisierung und ihre Gegner (2003) darlegt, hat diese neue, rezente Etappe des Globalisierungsprozesses von Gesellschaften, Kulturen und Ökonomien in erster Linie drei Auswirkungen nach sich gezogen:
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zum einen die Ent-Territorialisierung von Institutionen und Gemeinschaften, von der Corporate Identity von Wirtschaftsunternehmen bis hin zu jener äußerst wirkungsreichen ,Imaginären Gemeinschaft’ (Anderson 1983), die im 19. und 20. Jahrhundert die Nation darstellte;
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zum anderen die Hybridisierung der Kulturen, im anthropologischen Sinne des Wortes ,Kultur‘: der hiermit bezeichnete Prozess der kulturellen Vermischung und Synkretisierung betrifft die Resultate der interkulturellen Öffnung nationaler Kulturen, von literarischen und filmischen Ausdrucksformen bis hin zu Unternehmenskulturen. Multinationale Konzerne stellen, unter diesem Blickwinkel betrachtet, eines der sozial einflussreichsten Formen kultureller Hybridisierung dar;
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schließlich impliziert der Globalisierungsprozess seit dem 16. Jahrhundert, und in verstärkter Weise seit dem Ende des 20. Jahrhunderts, Formen der Glokalisierung, d.h. der lokalen Selektion, Vermittlung und Aneignung transnationaler und transkultureller Prozesse.
Die drei genannten Auswirkungen der Globalisierung sind, wie Claus Legge-wie betont, in vielfältiger Weise miteinander verknüpft und betreffen gleichermaßen politische, soziale, ökonomische und kulturelle Phänomene. Der Prozess der Ent-Territorialisierung von Großunternehmen wie Siemens oder L’oréal beispielsweise hat nicht nur zur Entstehung vielfältiger transnationa1er Zweigniederlassungen und Tochterunternehmen, sondern auch zu einer rapide wachsenden Internationalisierung der Beschäftigten und somit zu einer kulturellen Hybridisierung der Unternehmenskulturen geführt. Dies erfordert flexible Strategien der Anpassung und der Reaktion auf ökonomische und kulturelle Unterschiede im Personalbereich, sowie im Marketingbereich die Anpassung der Marketingstrategien und Produktpaletten und häufig auch des Designs und der Unternehmenspräsentation.
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Lüsebrink, HJ. (2004). Kulturtransfer im wirtschaftlichen Bereich Deutsch-französische Unterschiede und Spezifika im Kontext der Globalisierung. In: Albertin, L., et al. Frankreich Jahrbuch 2003. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80574-4_8
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