Zusammenfassung
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich die europäischen Staaten in beeindruckender Weise von „einer Mangel- hin zu einer Reichtumsgesellschaft“ (Döring, Hanesch et al. 1990b, 7) entwickelt. Phasen der Rezession (1975/1976, 1982/1983 und 1991/1992) hatten beim Aufbau der Wohlfahrtsstaaten lediglich aufschiebende Wirkung.1 Bis zum Beginn der 1990er Jahre kann die Entwicklung anhand der klassischen Stabilitätsindikatoren Bruttoinlandsprodukt, Preisniveau und Beschäftigung nachvollzogen werden. Investitionen in das Bildungssystem und in die Institutionen der sozialen Sicherheit wurden in grösserem Umfang in den „goldenen Achtzigern“ realisiert. Diese Diffusion des Wohlstandes in alle Bereiche des Wohlfahrtsstaats bestätigt der Human Development Index, der neben ökonomischen auch Indikatorensysteme in den Dimensionen Lebensstandard, Bildung und Gesundheit berücksichtigt. Seit Beginn der Berichtsreihe finden sich die europäischen Staaten auf den vorderen Plätzen der Rangliste (UNDP 1990).
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Literatur
Unter Wohlfahrt (welfare) wird der Grad der Befriedigung von Bedürfnissen auf wirtschaftlichem, politischem, sozialem oder kulturellem Gebiet verstanden. Wohlfahrt ist abhängig von physischen und psychischen Grössen und kann auf ein Individuum, eine soziale Gruppe oder eine ganze Gesellschaft bezogen werden. (Pigou, zitiert nach Ernst 1983, 281). Mit dem Begriff Wohlstand wird versucht, durch die objektiven Indikatoren Einkommen, Vermögen und nicht monetäre öffentliche Leistungen (Realtransfers) die materielle Versorgungslage zu beschreiben. Wohlstand misst also den faktischen Verfugungsspielraum über Güter und Leistungen, die zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen, unabhängig davon, ob sie gehandelt werden. Nicht der Nutzen als Ausdruck der individuellen Wertschätzung einer gegebenen Versorgungslage, sondern die Versorgungslage selbst ist die relevante Bezugsgrösse (Pigou, zitiert nach Leu, Buhmann et al. 1986, 114).
Dabei ist keineswegs geklärt, wer als „arm“ bezeichnet werden kann. Der Armutsbegriff ist „vieldeutig“ und „vielschichtig“ (Hartmann 1992, 452) und entzieht sich einer allgemeingültigen Definition, weshalb der Wissenschaft die Aufgabe zukommt, das Phänomen der Armut theoretisch hinreichend präzise zu bestimmen und empirisch zu fassen (Hanesch, Adamy et al. 1994). Die Antwort auf die Frage, wer arm ist, hängt entscheidend davon ab, „welchen Grad an Ungleichheit von Lebenschancen und Lebensbedingungen wir in dieser reichen Gesellschaft als gegeben hinzunehmen bereit sind und ab welchem Grad an Ungleichheit wir einen sozialpolitischen Korrektur-und Handlungsbedarf einfordern“ (Hanesch, Adamy et al. 1994, 23). Gerade weil aber die Aufgabe, Armut zu messen bzw. messbar zu machen, „im streng wissenschaftlichen Sinn nicht lösbar“ scheint (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 2001a, 6), „kann das Problem nur dadurch entschärft werden, dass die der Armutsmessung zugrunde liegenden Konzepte offengelegt und — soweit möglich — Alternativberechnungen durchgeführt werden, um ein breiteres Spektrum von Wertvorstellungen abzudecken“ (Hauser 1997, 71). Heute präsentieren sich Armutsstudien, die sich insbesondere in Bezug auf das Armutskonzept, den Erklärungsansatz und die Armutsgrenze unterscheiden.
Selbstverständlich haben die Thesen von Werten die geographische Fachgemeinschaft nicht undiskutiert durchdrungen. Darauf soll an dieser Stelle allerdings nicht weiter eingegangen werden, sondern es wird auf die Auseinandersetzung z.B. bei Meusburger (1999) sowie die Replik Werlens in diesem Band verwiesen.
Die europäische Forschung nahm die Diskussion auf und adaptierte sowohl die „Underclass-Problematik“ als auch die „working-poor-Problematik“ (siehe z.B. die Beiträge in Cunha, Leresche et al. 1998; Heitmeyer, Dolíase et al. 1998; Mingione 1999).
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Drilling, M. (2004). Einleitung. In: Young urban poor. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80571-3_1
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