Skip to main content

Einleitung

  • Chapter
  • 547 Accesses

Zusammenfassung

Hans J. Morgenthau (1904–1980), ein Deutscher jüdischer Herkunft aus Coburg, gehört zu den einflussreichsten Gelehrten aus der deutschen Emigration. Der von ihm entwickelte politikwissenschaftliche Ansatz des Klassischen Realismus gilt als der geistesgeschichtliche Ausgangspunkt des systematischen Studiums der politikwissenschaftlichen Disziplin der internationalen Politik überhaupt. Sein Hauptwerk Politics Among Nations 1 wurde in verschiedenste Sprachen übersetzt. Auf deutsch heißt das Opus Macht und Frieden. Dessen Publikation schlug in den USA, einem von einem „historischen Optimismus“2 und von eigener moralischer Auserwähltheit3 überzeugten Land, ein wie eine Bombe. Denn es vermochte Antworten auf scheinbar dämonische historische Prozesse zu geben, denen sich die USA ausgesetzt sahen. Es stellte die internationale Umwelt nicht als eine Welt der Harmonie dar, die von einzelnen Übeltätern vorübergehend gestört würde, sondern als permanenten Schauplatz von Macht- und Interessenkonflikten, die sich häufig auch gewaltsam äußern würden, vor allem dann, wenn Macht in ungezähmter Form in der Weltpolitik vorliege4. Die von vielen Beobachtern angeblich nicht anerkannte5 Machtzent- riertheit der internationalen Politik erklärte Morgenthau aus der Natur des Menschen einerseits6 und den anarchischen Strukturbedingungen des internationalen Systandererseits.7 Die Dramen der beiden Weltkriege8 und die Tatsache des unerwartet aufkommenden Kalten Krieges wusste Morgenthau mit Hilfe seiner Mächtegleichgewichtstheorie plausibel zu erklären. Mit Hilfe einer historischen Analyse des nationalen Interesses der USA seit deren Gründung versucht Morgenthau zu zeigen, dass die USA ihre Grundinteressen in drei Kreisen vertraten: (1) der Vorherrschaft in der westlichen Hemisphäre, (2) der Verteidigung eines Mächtegleichgewichts zwischen den Nationen in Europa und (3) in Asien.9 Aus diesem Grundinteresse leitet er Strategien für die US-Außenpolitik ab.

„Arbeiten zu können im Dienste einer großen Idee, für ein bedeutendes Ziel; jeden Nerv, jeden Muskel und jeden Tropfen Schweißes einsetzen zu können für ein Werk, für eine große Aufgabe; mit dem Werke zu wachsen, im Kampfe mit Besseren selbst größer zu werden und dann am Ende sagen zu können: ich sterbe, aber hier bleibt etwas, das mehr bedeutet als mein Leben und länger dauern wird als mein Leib, mein Werk: das ist meine Hoffnung, wohl würdig, dass ich zu ihrer Verwirklichung die gewaltigsten Anstrengungen mache, das ist mein Ziel, wohl wert, dass ich dafür lebe, und, wenn es sein muss, auch dafür sterbe.“

Hans J. Morgenthau im Alter von 18 Jahren.

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

References

  1. Reinhold Niebuhr (1940): Christianity & Power Politics. New York: Charles Scribner’s Sons. Vorwort.

    Google Scholar 

  2. Henry Kissinger (1957): Nuclear Weapons and foreign policy. New York: Harper & Brothers.

    Google Scholar 

  3. Robert D. Kaplan (2000): The Coming Anarchy: 137.

    Google Scholar 

  4. Christoph Rohde (1996): Das Bild des politisch handelnden Menschen im Christlichen Realismus Reinhold Niebuhrs unter Berücksichtigung der Internationalen Politik: 27–35.

    Google Scholar 

  5. Colin Powell: „Morgenthau would have felt right at home in this new world of ours because he understood the essential partnership between morality and power, which is at the core of American foreign policy.” „Remarks Upon Receiving the National Committee on American Foreign Policy’s Hans J. Morgenthau Award” vom 13. September 2002, zu finden unter: http://www.state.gov/secretary/rm/2002/1345Rice (1999): 9.htm.

    Google Scholar 

  6. John G. Stoessinger: „The Statesman and the Critic“. In: Thompson/My ers: Truth and Tragedy (1984): 221.

    Google Scholar 

  7. Morgenthau beeinflusste Senator Fulbright, der die Fulbright-Connolly-Resolution zum Eintritt der USA in die Vereinten Nationen kreierte und der effektivste Kritiker von Vietnam im Kongress war, in enormer Weise. Randall Bennett Woods: FulbrightA Biography. Cambridge (MA) 1995: 450.

    Google Scholar 

  8. „J. William Fulbright“. In: Truth & Power (1970): 174–183. Auch Fulbright hatte die Idee eines monolithischen Kommunismus nie akzeptiert. Randall Bennett Woods (1998): J. William Fulbright, Vietnam, and the Search for a Cold War Foreign Policy. University Press: 11.

    Google Scholar 

  9. Mit dem Morgenthau an der Universität Chicago bereits am 15. September 1946 über die Frage „Eine Welt oder zwei?“ diskutierte. In: Walter Johnson (ed.): The Papers of Adlai E. Stevenson, Vol 2. 1941–1948, Boston 1973: 329.

    Google Scholar 

  10. Eine Übersicht über die modernen Vertreter des sich sehr diversifizierenden Realismus findet sich bei Stephen G. Brooks: „Dueling Realisms“. In: International Organization, Sommer 1997: 445–477.

    Google Scholar 

  11. Benjamin Frankel: „Restating the Realist Case: An Introduction“. In: Security Studies, Frühjahr 1996: xiv—xx.

    Google Scholar 

  12. Kenneth Waltz (1979) Theory of International Politics, Reading (Mass.): Addison-Wesley.

    Google Scholar 

  13. Kenneth Waltz (1959): Man, The State and War.

    Google Scholar 

  14. Robert Gilpin (1981): War & Change in World Politics. Cambridge: Cambridge University Press.

    Book  Google Scholar 

  15. Joseph Grieco (1990): Cooperation Among Nations, Ithace: Cornell University Press.

    Google Scholar 

  16. Randell L. Schweller (1998): Deadly Imbalances: Tripolarity and Hitler’s Strategy of World Conquest. New York: Columbia University Press.

    Google Scholar 

  17. Jeffrey W. Taliaferro: „Security Seeking under Anarchy: Defensive Realism Revisited”. In: IS, Winter 2001/02: 128–161.

    Google Scholar 

  18. Gottfried-Karl Kindermann ist der bekannteste Vertreter des Realismus in Deutschland. Ulrich Menzel (2001): Zwischen Idealismus und Realismus — Die Lehre von den internationalen Beziehungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag: 76.

    Google Scholar 

  19. Reinhard Meier-Walser (1994): „Neorealismus ist mehr als Waltz. Der Synoptische Realismus des Münchner Ansatzes“. In:: Zeitschrift für Internationale Beziehungen I: 115–126.

    Google Scholar 

  20. Gottfried-Karl Kindermann: Der Aufstieg Ostasiens in der Weltpolitik 1840–2000. München/Stuttgart Deutsche Verlags-Anstalt 2001: 593–606.

    Google Scholar 

  21. Dorothy Wickenden (1994): The New Republic ReaderEighty Years of Opinion and Debate, New York: Basic Books: 13–14. „How Totalitarianism Starts“ (März 1967). In: Truth & Power. 51–55.

    Google Scholar 

  22. Zu welcher er sich vor allem durch sein Zusammentreffen mit Hannah Arendt mehr und mehr bekennt. Elizabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt: For Love of the World. New Haven 1982: 453–454.

    Google Scholar 

  23. M. Benjamin Mollov (2002): Power and Transcendence — Hans J. Morgenthau and the Jewish Experience. Oxford: Lexington Books.

    Google Scholar 

  24. Chris Brown (1992): International Relations Theory — New Normative Approaches: London: Harvester Wheatsheaf: 96.

    Google Scholar 

  25. Christoph Rohde: „Die geistesgeschichtliche und politikkritische Bedeutung Hans J. Morgenthaus und seines Klassischen Realismus“. In: Alexander Siedschlag (Hrsg.): Perspektiven des Realismus. Opladen: Leske und Buderich 2001: 67–84.

    Google Scholar 

  26. Auch seine neuesten Werke bleiben seinem Denken treu. S. zum Beipiel Henry Kissinger: Does America need A Foreign Policy? New York: Simon & Schuster 2001. Die Herausforderung AmerikasWeltpolitik im 21. Jahrhundert, Ullstein Verlag 2003.

    Google Scholar 

  27. Henry Kissinger: „A Gentle Analyst of Power — Hans J. Morgenthau“. In: TNR vom 2./9. August 1980: 12–14. In: Kindermann (1986): 52.

    Google Scholar 

  28. Kenneth Waltz: Review zu Morgenthaus Dilemmas- In: American Political Science Review, LIII, Juni 1959: 529.

    Google Scholar 

  29. Kenneth W. Thompson (1960): Political Realism and the Crisis of World Politics: 33.

    Google Scholar 

  30. Karl Kaiser: „Theorie der Internationalen Politik“. In: Karl Dietrich Bracher/Ernst Fraenkel: Internationale Beziehungen, Frankfurt a. M. 1969: 283.

    Google Scholar 

  31. Hans-Peter Schwarz (1985): Die gezähmten Deutschen — von der Machtbesessenheit zur Machtvergessenheit. Stuttgart: DVA: 136.

    Google Scholar 

  32. Gottfried-Karl Kindermann (1986): „Zur Leistung und Wirkung von Hans J. Morgenthau“. In: Grundelemente der Weltpolitik. München: Piper Verlag: 51.

    Google Scholar 

  33. Ernst-Otto Czempiel (1999): Kluge Macht — Außenpolitik für das 21. Jahrhundert. München: Verlag C. H. Beck. Kap. I. „Von der Staatenwelt zur Gesellschaftswelt“.

    Google Scholar 

  34. Ernst Otto Czempiel: „Internationale Beziehungen: Begriff, Gegenstand und Absicht“. In: Manfred Knapp/Gerd Krell (1996): Einführung in die Internationale Politik. München: Oldenbourg Verlag: 7.

    Google Scholar 

  35. Volker Rittberger/Hartmut Hummel: „Die Disziplin Internationale Beziehungen“. In: Volker Rittberger (1990): Theorien der internationalen Beziehungen. Opladen: Westdeutscher Verlag: 31.

    Google Scholar 

  36. Stanley Hoffmann: „Hans J. Morgenthau: The Limits and Influence of Realism“. In: Stanley Hoffmann: Janus and Minerva. Boulder 1987: 70/77.

    Google Scholar 

  37. James E. Dougherty/Robert L. Pfalzgraff, Jr. (1996): Contending Theories of International Relations. Addison Wesley Longman Inc.: 14.

    Google Scholar 

  38. John Vasquez (1998): The Power of Power Politics: 36.

    Google Scholar 

  39. Gottfried-Karl Kindermann (1963): „Hans J. Morgenthau und die theoretischen Grundlagen des politischen Realismus“. In: Macht und Frieden: 19.

    Google Scholar 

  40. Hans-Peter Schwarz (1985): Die gezähmten Deutschen — Von der Machtbesessenheit zur Machtvergessenheit: 107.

    Google Scholar 

  41. Christian Hacke: „Die Außenpolitik der Regierung Schröder/Fischer: Zwischenbilanz und Perspektiven“. In: ApuZ B48/2002: 14.

    Google Scholar 

  42. Werner Link: „Herausforderungen der Realpolitik — Vorwort der Herausgeber“. In: Ralf Roluff/Carlo Masala (1998): Herausforderungen der Realpolitik: 7–13.

    Google Scholar 

  43. Helga Haftendorn: „Die Suche nach der Kristallkugel“. In: Internationale Politik, 8/1996: 3–7.

    Google Scholar 

  44. Ulrich Menzel (2001): Zwischen Idealismus und Realismus — Die Lehre von den internationalen Beziehungen. Frankfurt: Suhrkamp Verlag: 28.

    Google Scholar 

  45. Norman A. Graebner: „Morgenthau as Historian“, in: Kenneth Thompson and Robert J. Myers (1984): Truth & Tragedy.

    Google Scholar 

  46. Neil D. Houghton: „Afterword“. In: Struggle Against History: U.S. Foreign Policy in An Age of Revolution. New York 1968: 329.

    Google Scholar 

  47. Chris Brown meint, dass die politische Elite in den USA in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg selber Belehrung benötigte, die Morgenthau und seine Kollegen bereitgestellt hätten. „Fog in the Channel“. In: Robert M.A. Crawford/Darryl S. L. Jarvis (2001): International RelationsStill An American Social Science? New York: 211.

    Google Scholar 

  48. Thomas C. Walker: „Introduction: Morgenthau’s Dual Approach to International Politics“. In: International Studies Notes, 1999. csf.colorado.edu/isa/isn/21-1/cover24-1.html.

    Google Scholar 

  49. So z. B. Michael J. Smith (1986): Realist Thought from Weber to Kissinger. Baton Rouge, London. Lousiana State University Press. Stanley Hoffman: „Notes on the Limits of Realism”. In: Social Research 48/1981.

    Google Scholar 

  50. Waltz (1979), Kap. 3 kritisiert Morgenthaus akteurszentrierte Sichtweise als reduktionistisch; Walker und Ashley sehen die interpretative (konstruktivistische) Komponente des Ansatzes als Stärke des Ansatzes an. R. B. J. Walker: „Realism, Change and International Political Theory”. In: International Studies Quarterly, 31:1987:.65–84.

    Google Scholar 

  51. Richard K. Ashley: „The Poverty of Neorealism“. In: Robert O. Keohane (1986): Neorealism and Its Critics. New York: Columbia University Press.

    Google Scholar 

  52. Michael W. Doyle (1997): Ways of War and Peace. London: 106.

    Google Scholar 

  53. John M. Hobson (2000): The State and International Relations: 54.

    Book  Google Scholar 

  54. Anthony F. Lang, Jr.: Thesenpapier für Konferenz Politics Among Nations, 1948–1998: A Fiftieth Anniversary Symposium. Carnegie Council of Ethics and International Affairs. New York City, 26–27. März 1998: 2.

    Google Scholar 

  55. Douglas Klusmeyer and Astrid Suhrke: „Comprehending Evil: Challenges for Law and Policy”. In: E&IA, Nr. 1/2002: 27–42.

    Google Scholar 

  56. Gottfried-Karl Kindermann (2001): Der Aufstieg Ostasiens in der Weltpolitik 1840–2000: 530.

    Google Scholar 

  57. David W. Levy (1991): The Debate over Vietnam. Baltimore: 72.

    Google Scholar 

  58. Peace, Security and the United Nations (1945). Chicago. The University of Chicago Press: 5. Seine Position ähnelt derjenigen Frederick Schumans. Frederick L. Schuman: „Regionalism and Spheres of Influence“. In: Peace, Security and the United Nations.

    Google Scholar 

  59. James E. Dougherty/Robert L. Pfalzgraff (1996): Contending Theories of International Politics: 15.

    Google Scholar 

  60. John M. Hobson (2002): The State and international relations: 2.

    Google Scholar 

  61. Michael Mandelbaum (2002): The Ideas That Conquered The World. Oxford: Public Affairs: 17–22.

    Google Scholar 

  62. Harry R. Davis/Robert C. Good (1960): Reinhold Niebuhr on Politics, His Political Philosophy and its Application to Our Age As Expressed in His Writings. New York: 90.

    Google Scholar 

  63. Ernst-Otto Czempiel: „Die amerikanische Weltordnung“. In: ApuZ 48/2002: 5.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Rohde, C. (2004). Einleitung. In: Hans J. Morgenthau und der weltpolitische Realismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80529-4_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80529-4_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-14161-9

  • Online ISBN: 978-3-322-80529-4

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics