Zusammenfassung
Jede Analyse chinesischer Außenpolitik setzt paradigmatische Entscheidungen bezüglich der Natur Internationaler Politik und der Rolle des Staates voraus. Eine solche Entscheidung fällt nach der Jahrtausendwende sehr viel schwerer als noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Wie zu erwarten, hat das „Ende der Geschichte“ unter Theoretikern der Internationalen Politik neue und anhaltende Debatten provoziert. Wurden Erklärungsmuster für die bipolare Welt zunächst vom der Realistischen Schule dominiert, der es um relative Macht, Rationalität und Kräftegleichgewichte ging, so kam es in den 70er und 80er Jahren zu einer interparadigmatischen Debatte mit Liberalen/Neoliberalen (Interdependisten/Institutionalisten), die auf die Bedeutung innenpolitischer, transnationaler und nichtmilitärischer Prozesse verwiesen, sowie Marxisten (Dependisten), die die Internationale Politik als Klassenkampf interpretierten. Ebenfalls in den 80er Jahren entwickelten Neorealisten eine wissenschaftliche Theorie, derzufolge das Internationale System durch seine Struktur definiert wird, die ihrerseits von der relativen Machtverteilung unter den Staaten bestimmt ist. Während Neorealisten und Neoliberale über relative versus absolute Gewinne stritten, gingen sie doch gemeinsam davon aus, dass Anarchie das Hauptmerkmal eines — positivistisch z.B. mit Mitteln der internationalen politischen Ökonomie erklärbaren — Internationalen Systems ist.
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Weiterführende Literatur
Als „Vater“ der Realistischen Schule gilt Hans J. Morgenthau, dessen Hauptwerk Politics among Nations. The Struggle for Power and Peace (New York NY: Knopf, 1947;
Hans J. Morgenthau, deutsch: Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik [Gütersloh: Bertelsmann, 1963]) Internationale Politik als anhaltenden Machtkampf und diesen wiederum als Selbstzweck definiert, der seinen Ursprung in der Natur des Menschen hat. Akteure sind ausschließlich Staaten. In den 60er Jahren absorbierten die Realisten behavourialistische Ansätze wie Spieltheorie, Strategische Studien und Friedensforschung.
Der institutionalistisch-legalistische Ansatz klassischer Liberaler wie Immanuel Kant oder Woodrow Wilson schien mit dem Zweiten Weltkrieg desavouiert. Wichtige Vertreter der Interdependisten/Institutionalisten wie Robert O. Keohane und Joseph S. Nye (Power and Interdependence, Boston MA: Little, Brown, 1997) führten in den 70er Jahren Individuen und Gruppen als Akteure ein und interessierten sich zunehmend für den Einfluss, den multilaterale Regime und Institutionen auf das Verhalten von Staaten ausüben.
Die Marxistische (strukturalistische) Schule interessierte sich mehr für Konflikte innerhalb von Staaten und über Staatsgrenzen hinweg als für zwischenstaatliche Konflikte. Sie verlor in den 80er Jahren zunehmend an Bedeutung.
Der wichtigste Vertreter der Neorealisten ist Kenneth Waltz (Theory of International Politics, Reading MA: Addinson-Wesley, 1979). Anders als der klassiche Realismus spekuliert der Neorealismus nicht über die Natur des Menschen, sondern präsentiert eine Momentaufnahme von den relativen Fähigkeiten der Staaten.
Zu den führenden Rationalistischen Institutionalisten zählt John G. Ruggie („Continuity and Transformation in World Politics. Towards a Neo-Realist Synthesis“, in: World Politics, Vol. 35, No. 2 [1983], S. 261–285).
Einer der Begründer des Reflektivistischen Institutionalismus ist Friedrich Kratochwil („International Organization: A State of the Art on the Art of the State“, in: International Organization, Vol. 40, No. 4 [1986], S. 753–775, zusammen mit John G. Ruggie).
Die erste konstruktivistische Theorie Internationaler Politik stammt von Nicholas Onuf (World of Our Making: Rules and Rule in Social Theory and International Relations, New York NY: Columbia University Press, 1989). Demnach wird die Welt durch regelgeleitete Handlungen konstruiert und sind Regeln wiederum Sprechakte. Andere Vertreter des Konstruktivismus sind Alexander Wendt und Peter J. Katzenstein. Zur sozialen Konstruktion von „Sicherheit“ vgl.
Barry Buzan/Ole Waever/Jaap de Wilde, Security: A New Framework for Analysis (Boulder CO/London: Lynne Riener, 1998).
Eine ansatzweise Auflösung nationalstaatlicher Autorität in Folge der Globalisierung konstatiert Susan Strange in The Retreat of the State. The Diffusion of Power in the World Economy (Cambridge: Cambridge University Press, 1996).
Die gegenteilige These vertreten Richard Devetak und Richard Higgott in „Justice Unbound? Globalization, States, and the Transformation of the Social Bound“, in: International Affairs, Vol. 75, No. 3 (1999), S. 483–498.
Einen Versuch, staatliche wie nichtstaatliche Akteure in eine originäre Theorie Internationaler Politik einzubeziehen, unternimmt James Rosenau in Turbulence in World Politics. A Theory of Change and Continuity (New York NY/London: Harvester Wheatsheaf für Princeton University Press, 1990).
Zur Frage der Bedeutung der USA für den Globalisierungprozess vgl. z.B. Helen V. Milner, „International Political Economy: Beyond Hegemonic Stability“, in: Foreign Policy; No. 110 (Spring 1998), S. 112–123.
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Möller, K. (2005). Einleitung. In: Die Außenpolitik der Volksrepublik China 1949 – 2004. Studienbücher Außenpolitik und Internationale Beziehungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80508-9_1
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