Zusammenfassung
In seinem bekannt gewordenen Buch mit dem Titel Stilübungen (1990) berichtet Raymond Queneau von einer äußerst langweiligen und nichtssagenden Begebenheit. Sie handelt vom Autobus S. Ein Beobachter, der den Bus der Linie S benutzt, sieht, wie ein im Gang stehender Fahrgast an mehreren Haltestellen beim Aus- und Einsteigen der Fahrgäste angerempelt wird und sich darüber immer wieder neu erregt und erzürnt. Später steht derselbe Fahrgast irgendwo auf einem Platz in Paris mit einem anderen Mann zusammen, der zu ihm sagt, er solle sich „noch einen Knopf“ an seinen „Überzieher“ (Queneau 1990: 7) nähen lassen. Das ist die vollkommen triviale Geschichte, die Raymond Queneau hier erzählt — und zwar, darin besteht die Genialität seiner Stilübungen, in insgesamt 99 verschiedenen Varianten und Variationen. Was hier geschieht, oder eher: was hier nicht geschieht, bekommt der Leser in Form einer Erzählung und eines Telegramms angeboten, es erreicht ihn als Polizeibericht, als empörter Brief und als japanischer Haiku, als Sonett und Klappentext. Manchmal bricht Queneau auch völlig mit den eingeführten Formen, verwendet Ausrufe, versetzt die Konsonanten in seiner Nacherzählung, kehrt dann wieder zu gebräuchlichen Gattungen zurück. Wer diese 99 Geschichten liest, der bemerkt: Der Inhalt erscheint — jeweils in einem anderen Schema der Darstellung, in einem jeweils anderen Berichterstattungsmuster — als ein immer anderer, als ein immer neuer Inhalt.
Sage mir, wo die Grenze verläuft, und ich sage dir, wer du bist!
Frei nach Heinz von Foerster
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Literatur
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Pörksen, B. (2004). Das Problem der Grenze. In: Bleicher, J.K., Pörksen, B. (eds) Grenzgänger. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80493-8_2
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