Zusammenfassung
Mit diesen Sätzen beginnt Nicht ich. Logik, Lüge, Libido. Es scheint sich um einen sehr persönlichen Einstieg zu handeln - der Prolog trägt die Überschrift „Das Ich und das Buch“, und ist der Einleitung vorangestellt. Bald jedoch melden sich Zwei- fel: ist dieses weibliche Ich „echt“? Hat man je eine Mutter in dieser Weise über die Geburt ihres Sohnes sprechen hören? Die Zweifel bleiben bis zum Schluss. Im wiederum sehr persönlichen Epilog „Das Buch und das ich“ lesen wir: „Wenn ich jetzt rückblickend beschreiben soll, was die Arbeit an diesem Buch mir gebracht hat, so würde ich sagen: eine gewisse Narrenfreiheit. Wenn es mich ohnehin nicht gibt, kann ich eigentlich auch denken, was ich will“ (ebd.: 489). Anfang und Ende von Nicht ich sind repräsentativ für die dazwischen liegenden 486 Seiten. Die Autorin will Denkzwänge aufheben, sie möchte unsichtbar gewordene Paradoxien und Widersprüche sichtbar machen und scheinbare Gewissheiten radikal in Frage stellen. Auf diesen 486 Seiten erzählt Christina von Braun die Kulturgeschichte einer Schwangerschaft der ganz anderen Art: die Geschichte von der‚Mutterschaft’ des Logos und der ‚Entbindung’ der Frau vom Mann.
„Das, was ich beinahe neun Monate lang insgeheim befurchtet hatte, war eingetreten: ich hatte einen Sohn bekommen. … Von nun an mußte ich mich in sehr viel konkreterer Weise mit dem Problem des ‚anderen’ auseinandersetzen, über das ich bis dahin nur abstrakt nachgedacht hatte. Daß ich den anderen in meinem Bauch gehabt haben sollte und trotz- dem nie wissen würde, wie es ist, in der Haut des anderen zu stecken! Was empfindet man als Mann? Beim Liebemachen, beim Wütendwerden, beim Traurigsein …? Es schien mir unglaublich, daß kein Sterblicher (nicht einmal ich!) diese Erfahrung je machen sollte. Eine der wenigen Erfahrungen, die dem menschlichen Wissen und der menschlichen Ver- nunft für immer verschlossen bleiben sollen“ (Braun 1985: 7).
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Literatur
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Mathes, B. (2005). Christina von Braun: Nicht ich. Logik, Lüge, Libido. In: Löw, M., Mathes, B. (eds) Schlüsselwerke der Geschlechterforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80445-7_13
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