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Institution als vergleichende Selbstbeobachtung

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Die symbolische Dimension der Verfassung

Part of the book series: Schriftenreihe „Verfassung und Politik“ ((VUP))

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Zusammenfassung

Die theoretische Deduktion des Institutionenbegriffs wird den Anforderungen an einen präzisen Institutionenbegriff nicht gerecht, weil sie nur den Institutionenbegriff, aber nicht sich selbst von der Beobachtung erster Ordnung ablöst. Denn die Theorie beobachtet, wie sie die Gesellschaft beobachtet. Die Beobachtung erster Ordnung und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten können nur überwunden werden, wenn die Institutionentheorie zur Gänze auf der Ebene der zweiten Ordnung angesiedelt wird. Das heißt, die Institutionentheorie beobachtet, wie sich die Gesellschaft mit dem Institutionenbegriff selbst beobachtet. Eine solche Institutionentheorie unterscheidet sich von einer deduktiv vorgehenden dadurch, daß Institution als eine Beobachtung zweiter Ordnung verstanden wird, mit der sich nicht die Theorie, sondern die moderne Gesellschaft selbst beschreibt Dies, so meine These, ist eine Möglichkeit, den Institutionenbegriff als eine Beobachtung zweiter Ordnung zu formulieren, ohne das Problem inhaltlicher Unbestimmtheit nur an eine andere Stelle der Theorie zu verschieben.

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Literatur

  1. Damit versuche ich mich auch an jener Frage, in der Rainer Schmalz-Bruns (1989: 11) den „Anlaß“ für eine „ Theorie politischer Institutionen“ sieht: „die Frage, ob wir über Begriffe verfügen, die diese Selbstdeutung des politischen Systems tragen oder ob diese nicht doch modifiziert werden muß.“

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  2. Vgl. zu diesem Sinnbegriff — im Anschluß an Husserl — Luhmann (1971; 31): „Festzuhalten ist, daß der Sinnbegriff die Ordnungsform menschlichen Erlebens bezeichnet — und nicht etwa irgendeinen ausschnitthaft bestimmten Sachverhalt in der Welt. (…) Stellt man sich auf diese Frage mit jener Rückhaltlosigkeit ein, für die Husserl das Vorbild gegeben hat, dann ergibt sich als ein letztgewisser, elementarer Befund, daß die das Erleben jeweils füllenden, momentanen Gegebenheiten immer und unaufhebbar auf anderes verweisen. (…) Dies Über-sich-Hinausgewiesensein, diese immanente Transzendenz des Erlebens steht nicht zur Wahl, sondern ist jene Kondition, von der aus alle Freiheit der Wahl erst konstituiert werden muß. (…) Unausweichlich bleibt daher das Problem, die Aktualität des Erlebens mit der Transzendenz seiner anderen Möglichkeiten zu integrieren, und unausweichlich auch die Form der Erlebnisverarbeitung, die das leistet. Sie nennen wir Sinn.“ Natürlich ist auch dieser Sinnbegriff nicht unumstritten. Für eine angemessene Berücksichtigung dieser Debatte ist diese Arbeit jedoch nicht der richtige Ort. Siehe aber die Kritik hinsichtlich Luhmanns Vereinnahmung von Husserl durch Willem van Reijen (1979) sowie generell durch Habermas (1971: 171–202). Siehe für die neuere Diskussion um Luhmanns Sinn-Begriff auch Ort 1998.

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  3. Für Brigitta Nedelmann (1995a) bezeichnet der Unterschied zwischen acting und enacting darum die beiden Pole, zwischen denen sich ein Kontinuum aufspannt, an dem der Grad der Institutionalisierung (acting = niedrig; enacting = hoch) abgelesen werden kann.

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  4. … obwohl sie gerade für die Sachdimension weitreichend sind. Besonders prägnant zeigen sie sich an der Externalisierung der symbolischen Dimension und dem Verhältnis von Institutio-nalität und Politischem. Die Externalisierung der symbolischen Dimension, d.h. das Auseinanderziehen von Institution und Leitidee, ist ein zentrales Element innerhalb der Theorie der Institutionenpolitik (vgl. 2.2.2). Sie bildet die Grundlage für die Überlegung, daß Leitideen institutionalisiert werden, womit dann einerseits aus den unterschiedlichen Trägerschaften von Leitideen eine Institutionentypologie und andererseits aus der Möglichkeit der De-Instituionalisierung von Leitideen eine Erklärung für Institutionenwandel entwickelt werden kann. Diese Externalisierung der symbolischen Dimension hat aber zugleich weitreichende Konsequenzen in der Sachdimension, da sich die symbolische Dimension nicht mehr als etwas genuin Institutionelles denken läßt. Das heißt: Sie bedeutet einen Verzicht auf ein zentrales gemeinsames Kriterium, weshalb an sich verschiedene Gegenstände überhaupt gleichzeitig als Institution erkannt werden können. Dieser Abschied von der symbolischen Dimension wertet zwangsläufig die instrumentelle, also die grundsätzlich gegenstandsnahe Dimension so weit auf, daß der Institutionenbegriff immer mehr den Gegenständen angeschmiegt wird, wie es beispielsweise Brigitta Nedelmann (1995a: 15–16) dann auch explizit fordert: „So verständlich der Wunsch nach Eindeutigkeit und Einheitlichkeit sein mag, er geht an der Besonderheit der mit dem Institutionenbegriff angesprochenen empirischen Phänomene insbesondere im Politikbereich vorbei. Anstatt deren spezifische Vielfalt und Gegensätzlichkeit durch einen scheinbar präzise, aber einengenden Begriff zu verdecken, wird hier dafür plädiert, diese ausdrücklich in das Verständnis von Institutionen aufzunehmen und ihnen bei der Begriffsbestimmung Rechnung zu tragen.“ Dieses Anschmiegen des Institutionenbegriffs an die Gegenstände ist allerdings nicht unproblematisch, da mit der Distinktionsfähigkeit des Institutionenbegriffs genau der Unterschied droht eingezogen zu werden, der den Institutionenbegriff von den jeweiligen Gegenständen noch trennt. Wenn aber der Institutionenbegriff den Gegenständen auf diese Weise am Ende nichts neues mehr hinzufügt, dann stellt sich die Frage nach seinem Nutzen. Während mit der Externalisierung der symbolischen Dimension insofern eher eine negative Rückwirkung auf den sachlichen Sinn der Institution nicht thematisiert wird, hat die Ausarbeitung des Verhältnisses zwischen Institutionalität und Politischem eher positive Auswirkungen, die allerdings ebenso nicht weiter verfolgt werden. Mit dem Begriff der Institutionenpolitik weist Lepsius auf den grundsätzlich politischen Charakter jeder Institution hin. Damit bringt er zum Ausdruck, daß die Errichtung und Aufrechterhaltung von Institutionen immer kontingent und deshalb keine Institution gegenüber einer anderen von sich aus normativ ausgezeichnet ist (vgl. 1.3.2). Dies läßt sich auch als ein interner Zusammenhang zwischen dem Politischem und dem Institutionellen lesen, mit dem Institutionen von Nicht-Institutionen unterschieden werden könnten, auch wenn eine Begründung der zugrundeliegenden Kontingenz ausbleibt. Aufgrund des Verzichts auf eine Bestimmung des sachlichen Sinns der Institution wird auch dieser Aspekt innerhalb der Theorie der Institutionenpolitik nicht weiter fruchtbar gemacht und fällt so der Beschränkung auf den sozialen Sinn zum Opfer.

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  5. Die Einbeziehung der Geschichtlichkeit des Institutionenbegriffs unterscheidet diesen Vorschlag von einem auf den ersten Blick ähnlichen Zusammenhang zwischen Institution und der Äquivalenz von an sich unterschiedlichen Gegenständen, wie er sich auch schon bereits in der Institutionentheorie von Mary Douglas findet. Dabei stellt sich für sie als Ausgangspunkt das Problem, „wie denn Individuen überhaupt zu der übereinstimmenden Auffassung gelangen, daß zwei Dinge ähnlich oder verschieden seien. Worauf beruht Gleichheit? Die Antwort lautet: Gleichheit wird dem gemischten Bündel von Dingen beigelegt, die als derselben Kategorie angehörig gelten, und festgelegt wird dies durch Institutionen“ (Douglas 1991: 92). Die Äquivalenz ist somit keine den Gegenständen innewohnende Eigenschaft, sondern eine ihnen beigelegte (vgl. Douglas 1991: 98–100). Genau genommen müsse es deshalb heißen: „Ähnlichkeit ist eine Institution“ (Douglas 1991: 93; vgl. ähnlich Hamilton 1932: 88; Boland 1979: 320). Damit stellt sich aber das zirkuläre Problem, daß die Festlegung von Äquivalentem durch Institutio-

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  6. nen erfolgt, die wiederum durch festgelegte bzw. die Festlegung von Äquivalenzen definiert werden. Für Douglas ist dieser „Zirkel der Selbstbezüglichkeit“ (Douglas 1991: 177) nicht nur unvermeidlich, sondern vielmehr Ausdruck einer stabilisierenden Rückkopplung von Institutionen, deren Funktionsweise sich mit jener von sich-selbst-erfüllenden-Prophezeiungen vergleichen läßt (vgl. Douglas 1991: 162–164). Auf diese Weise bindet Douglas den Institutionenbegriff letztlich an die menschliche Erkenntnis. Genau genommen erklärt sie Institutionalität schließlich zur Bedingung für die Möglichkeit menschlicher Erkenntnis. Obwohl man also bei Douglas bereits einen zunächst ähnlich erscheinenden Zusammenhang zwischen Institution und der Äquivalenz von an sich unterschiedlichen Gegenständen finden kann, wird am Ende der Institutionenbegriff wieder enthistorisiert und generiert zur ahistorischen Prämisse der Theorie. 9 Für Thumfart bestätigt sich damit seine These, daß mit dem Einzug des „Kriteriums der Sprache“ (Thumfart 1996: 8) sich eine genuin politikwissenschaftliche Institutionentheorie von den soziologischen Ansätzen unterscheiden läßt, bei denen die Sprache insofern nur ein „Schattendasein“ führt, als sie nicht als institutionenkonstituierend gilt (vgl. Thumfart 1996: 50). Damit schärft Thumfart einerseits das disziplinäre Profil der Politikwissenschaft, andererseits vollzieht er diese Profilierung an einem Begriff, der gerade Interdisziplinarität an prominenter Stelle ermöglichen soll.

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  7. Für die Benutzung des Institutionenbegriffs als Bezeichnung für kurze juristische Einführungswerke siehe sehr ausführlich auch den Eintrag ‘Institutiones’ in Pauls Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Bd. IX.2, Stuttgart 1916, Spalte 1566–1587.

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  8. Vgl. den entsprechenden Eintrag im „DUDEN Etymologie: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache“ hrsg. von Günther Drosdowski, Mannheim/Wien/Zürich 1989, S. 307.

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  9. „Wenn wir eine dauerhafte Einrichtung schaffen wollen, sollten wir nicht davon träumen, sie ewig zu machen“ (Rousseau 1977: 96, Hervorhebung von mir, AB). Oder an anderer Stelle: „Je mehr die natürlichen Kräfte absterben und vergehen, desto stärker und dauerhafter werden die erworbenen, desto fester und vollkommener wird auch die Einrichtung [institution]“ (Rousseau 1977: 44, Hervorhebung von mir, AB)

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  10. Durkheim (1965: 100) erklärt schließlich die Soziologie zur „Wissenschaft von den Institutionen“. Für Schülein (1987: 38) ist er darum auch der „Vater“ der Institutionentheorie.

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  11. Das heißt nicht, daß vieles von dem, was wir heute als Institutionen beschreiben — Parlamente, religiöse Orden etc. -, nicht schon lange vor der Moderne präsent gewesen ist, so daß es auch völlig unproblematisch erscheint, die Ideengeschichte rückblickend institutionentheoretisch zu lesen, ohne daß zu diesen Zeiten ein Institutionenbegriff benutzt wurde (vgl. die entsprechenden Projekte aus dem SFB 537 in Melville 1997; oder auch die Beiträge in Göhler/Lenk/Münk-ler/Walther 1990). Dabei muß man sich aber auch im klaren sein, daß hier die Zeit als Sinndimension insofern wirkt, als Vergangenheit und Zukunft sich von jeder Gegenwart aus neu formieren: Eine sich nicht institutionell selbst beobachtende vergangene Gegenwart kann zwar von heute aus institutionell beobachtet werden, jedoch darf nicht vergessen werden, daß es sich dann nur um die gegenwärtige Vergangenheit handeln kann, die nicht mit der vergangenen Gegenwart identisch ist. Insofern sagt eine institutionentheoretische Lesart des Vergangenen letztlich mehr über die Gegenwart dieser Lesart als über die vergangene Gegenwart des Vergangenen aus.

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  12. Siehe zur Bedeutung von „conceptual change“ für politische Innovationen die Beiträge in Ball/Farr/Hanson 1989.

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  13. Die folgenden Überlegungen basieren insofern auf dem sehr instruktiven Beitrag von Hans-Christof Kraus zu „Machtwechsel, Legitimität und Kontinuität als Problem des deutschen politischen Denkens im 19. Jahrhundert“ (Kraus 1998), als dieser noch einmal sehr verdichtet die Problematisierung des Zusammenhangs zwischen Dauerhaftigkeit (Kontinuität) und Legitimität aufweist. Während Kraus diesen Zusammenhang für die Veränderungen des Legitimitätsverständnisses heranzieht, betrachte ich im folgenden genau umgekehrt diesen Zusammenhang in seiner Bedeutung für die Veränderungen im Konzept der Dauerhaftigkeit.

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  14. Jetzt schlägt die Stunde der Authentizität als Quelle von Legitimität: Legitimität kann fortan nur noch die ‘wahre’ politische Ordnung beanspruchen, also die, die als authentisch anerkannt wird. Vgl. hierzu ausführlich Noetzel 1999a.

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  15. „Schon lange vor dem Aufkommen der Moderne waren Stände ‘niedriger’ oder ‘höher’. Das galt auch für ihre Lebensformen. Aber sie wurden als separate Einheiten betrachtet, die eher daran zu hindern, denn zu ermutigen waren, miteinander in Kontakt zu treten — jede war auf ihre Weise lebbar und ihre Reproduktion hing nur von ihr selbst ab. ‘Überlegenheit’ eines Standes über den anderen (und der entsprechenden Lebensweisen) war eine Vergleichskategorie und kein Konzept, das dem ‘überlegenen’ Stand eine bestimmte Aufgabe in bezug auf andere Lebensweisen zuwies“ (Bauman 1995a: 34).

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  16. D.h. keinesfalls, daß die kulturellen Unterschiede deshalb gleich als Bereicherung gelten, sie können auch weiterhin als Bedrohung (vgl. Huntington 1996) angenommen werden.

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  17. In diesem Sinne kann beispielsweise das patriarchale Geschlechterverhältnis zwischen Mann und Frau erst seit geraumer Zeit nicht mehr als Institution gelten (vgl. Heintz/Nadai 1998).

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Brodocz, A. (2003). Institution als vergleichende Selbstbeobachtung. In: Die symbolische Dimension der Verfassung. Schriftenreihe „Verfassung und Politik“. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80431-0_4

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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